Bochum. Vor der Hauptversammlung von Thyssenkrupp rechnet die IG Metall mit Konzernchef López ab. Es geht auch um einen möglichen Stahl-Deal.
Bevor die Pressekonferenz der IG Metall beginnt, trudeln ein paar Aufsichtsratsmitglieder von Thyssenkrupp mit ihren Rollkoffern ein. Am Tag vor der Hauptversammlung des Essener Stahl- und Industriegüterkonzerns hat die IG Metall ausgerechnet in jenes Bochumer Hotel im Schatten des Ruhrstadions eingeladen, in dem seit Jahren regelmäßig hinter verschlossenen Türen das wichtigste Thyssenkrupp-Kontrollgremium vor dem Aktionärstreffen tagt. Schon allein das kann als Botschaft der IG Metall verstanden werden: Hier ist eine Gewerkschaft, die bereit ist, an die Öffentlichkeit zu gehen, wenn sie es als notwendig erachtet. Konfrontation liegt in der Luft.
Jürgen Kerner, der Zweite Vorsitzende der IG Metall, der auch stellvertretender Thyssenkrupp-Aufsichtsratschef ist, will sich zu Wort melden. Neben ihm sitzen Tekin Nasikkol, der Vorsitzende des Konzernbetriebsrats von Thyssenkrupp, und Knut Giesler, der Bezirksleiter der IG Metall NRW. Was sie sagen wollen, haben sie auch auf einem Flugblatt zusammengefasst, das die Überschrift trägt: „Was soll das, Herr López?“ Das Papier soll am nächsten Tag vor der Hauptversammlung unter die Leute gebracht werden.
Herr López, das ist der Vorstandsvorsitzende von Thyssenkrupp, der gerade einmal etwas mehr als ein halbes Jahr im Amt ist. Die führenden IG Metall-Vertreter werfen dem Manager vor, er wolle die betriebliche Mitbestimmung umgehen – und das werde die Gewerkschaft nicht mit sich machen lassen.
Die IG Metall sieht den Konzern mit seinen rund 100.000 Beschäftigten in einer ernsten Situation. „Fehlende Investitionen und unklare Strategien gefährden die Zukunft von Thyssenkrupp“, warnt die Gewerkschaft in ihrem Flugblatt. Viele Probleme seien hausgemacht. Der neue Vorstandschef López habe versprochen, das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen. Aber, so kritisiert Jürgen Kerner: „Er will mit dem Kopf durch Wand.“
Die Gewerkschafter betonen, die Mitbestimmung bei Thyssenkrupp habe sich bewährt und dabei geholfen, den Konzern in den vergangenen Jahren durch schwere Zeiten zu führen. Es gebe also keinen Grund, Bewährtes über Bord zu werfen. „Wir sind keine Verhinderer“, betont die IG Metall. Jürgen Kerner formuliert es mit den Worten, Thyssenkrupp-Chef López müsse nicht mit dem Kopf durch die Wand, sondern könne einfach „die offene Tür nehmen“.
Tekin Nasikkol sagt, was das aus Sicht der IG Metall für die heikle Frage bedeutet, wie es mit der Stahlsparte und ihren rund 25.000 Beschäftigten in NRW weitergeht. López lotet derzeit die Chancen für einen Teilverkauf des Geschäfts an den tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky und sein Energieunternehmen EPH aus. „Gegen Milliardäre haben wir nichts“, sagt Nasikkol. Schon gar nicht, wenn sie bereit seien, Geld in den Stahl zu stecken. Erforderlich sei aber „ein industrielles Konzept“ für die Standorte von Thyssenkrupp Steel. Davon sei bislang zu wenig bekannt. Auch ein erstes Treffen mit Kretinsky habe daran noch nichts geändert.
Der nordrhein-westfälische IG Metall-Chef Giesler wirft López vor, der Manager habe sich bislang als „Ankündigungsweltmeister“ erwiesen. Es sei vom Management der Eindruck erweckt worden, eine Unterschrift zu einem Gemeinschaftsunternehmen mit Kretinsky stehe kurz bevor. Das sei aber nicht mehr als „heiße Luft“ gewesen – eine „tolle Show“, sagt Giesler auch noch. López könne doch nicht ernsthaft glauben, dass er auf diesem Weg einen Deal der Dimension eines Joint Ventures für Deutschlands größten Stahlkonzern zustande bringe. Er finde diese Vorstellung „befremdlich“, so Giesler.
IG Metall pocht auf Mitbestimmung bei Thyssenkrupp
„Wir sind hier nicht in der spanischen Arena, sondern wir sind in der deutschen Mitbestimmung“, sagt Jürgen Kerner an die Adresse des deutsch-spanischen Managers López gerichtet. Es sei gut, wenn der Thyssenkrupp-Chef den Konzern an der einen oder anderen Stelle „aufrütteln“ wolle, so Kerner. Aber das Vorgehen müsse zielgerichtet sein – „und nicht zerstörerisch“.
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Die IG Metall sei bereit, Veränderungen mitzugestalten, betonen Kerner, Nasikkol und Giesler einmütig. Nasikkol verweist darauf, dass Thyssenkrupp vor nicht allzu langer Zeit noch 170.000 Beschäftigte gehabt habe – und nicht wie jetzt rund 100.000. Unternehmensverkäufe und Stellenabbau seien allerdings fair miteinander verhandelt und gemeinsam beschlossen worden. Wenn jemand auf die Idee komme, der IG Metall „eine Blockadehaltung“ zu unterstellen, dann nehme er das persönlich, fügt Kerner hinzu. Es sei zu merken, „dass das kapitalistische Gedächtnis sehr kurz“ sei, spottet Giesler.
Kerner mahnt, es dürfe mit Blick auf die Stahlsparte keine Hängepartie geben. Ein Verbleib des Stahls im Thyssenkrupp-Konzern sei ebenso denkbar wie eine Verselbstständigung mit einem Investor. Für eine Abspaltung ohne einen Investor reiche allerdings das Geld des Konzerns nicht aus, sagt der Zweite Vorsitzende der IG Metall. Wie es weitergehen soll beim Stahl? „Diese Grundsatzentscheidung muss eigentlich in diesem Jahr fallen“, sagt Kerner.
Ali Güzel, der Betriebsratschef am größten Duisburger Thyssenkrupp-Stahlstandort, kündigt Widerstand an, sollte es Pläne gegen die Interessen der Belegschaft geben. „Wenn Herr López die Konfrontation sucht, sind wir bereit“, sagte Güzel im Gespräch mit unserer Redaktion in Duisburg. „Wir sind schon häufiger auf die Straße gegangen, um für unsere Belange zu kämpfen. Falls es nötig ist, können wir schnell reagieren. Ein kurzer Anruf und unsere Leute sind draußen. Dann stehen die Anlagen still.“