Berlin. Enttäuscht, aber unter Druck: Geplante Einbußen versetzen Bauern in Rage. Doch die Landwirte stehen vor ganz anderen Hürden.
Klein beigeben wollen die Bauern auf keinen Fall. Verbandspräsident Joachim Rukwied hat bereits neue Proteste und Aktionen angekündigt, nachdem die Bundesregierung Einschnitte beim Agrardiesel nicht vollends zurückgenommen hatte. „Auch über andere Themen müssen wir sprechen, aber das muss im Anschluss erfolgen“, sagte Deutschlands oberster Bauer.
An diesem Freitag hat der Bundestag den Plänen der Ampel-Koalition zunächst zugestimmt und für die nun zeitlich gestreckte Abschaffung der Steuervergünstigungen beim Agrardiesel gestimmt. Bevor es in Kraft treten kann, muss das Gesetz aber noch den Bundesrat passieren. Die nächste reguläre Sitzung der Länderkammer ist für den 22. März geplant. Doch nicht nur die Steuerkürzungen machen der Branche Sorge. Was die fünf großen Herausforderungen für die Bauern sind.
1. Die Besonderheiten der Märkte
„Ist der Handel böse?“, fragt der Agrarökonom und frühere Landwirtschaftsminister Sachsen-Anhalts, Hermann Onko Aeikens in seinem Buch „Unsere Landwirtschaft besser verstehen“. Seine Antwort lautet: „Jein.“ Landwirte haben jedoch in der Wertschöpfungskette einen schweren Stand. Das liegt auch an der Marktmacht der Supermärkte in Deutschland. Vier Unternehmen – Edeka, Rewe, Aldi Nord und Süd sowie die Gruppe der Familie Schwarz mit Lidl und Kaufland – teilen sich 80 Prozent des Marktes. Der Wettbewerb ist hart, Margen niedrig. Immer wieder sollen auch Sonderangebote auf Lebensmittel deutsche Verbraucher anlocken, die als preissensibel gelten.
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Landwirte haben die Hoffnung, dass sich der Trend, mehr Geld für Lebensmittel auszugeben, verfestigt. Der wachsende Biomarkt ist dafür ein Indikator. Sich von üblichen Preismechanismen abzukoppeln, könnte ein Ziel für Teile der Landwirtschaft sein, zum Beispiel über Direktvermarktung. Dennoch: Die breite Masse der Bauern wird sich nicht vom Markt entkoppeln können. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Gibt es mehr von einem Gut, führt das tendenziell zu Preissenkungen.
„Die ständigen Produktivitätssteigerungen und nur begrenzt wachsende Nachfrage führen zu langfristig fallenden Preisen. Der landwirtschaftliche Sektor hat, sieht sich einem schrumpfenden EU-Markt gegenüber oder orientiert sich auf internationale Märkte mit entsprechend zusätzlichen Risiken“, sagt der Agrarexperte Thomas Herzfeld vom Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO).
2. Die Erwartungen der Gesellschaft an die Bauern
Deutschlands Landwirte sind unzufrieden. Diese Stimmungslage hängt nicht nur mit Entscheidungen der Politik zusammen. „Bauern unterliegen einem erhöhten gesellschaftlichen Erwartungsdruck. Dieser Druck in Verbindung mit zunehmenden staatlichen Abhängigkeiten und ungewissen Erwartungen führt zu zunehmender Unzufriedenheit“, hat auch Hermann Onko Aeikens notiert. Aeikens attestiert dabei auch der Branche selbst Nachholbedarf. Das Bild von einer „Bilderbuchlandwirtschaft“, das weite Teile der Bevölkerung haben, entspräche nicht der Realität. Vor allem das Höfesterben und der Zuzug in Städte hätten „zu einer Entfremdung von der landwirtschaftlichen Produktion und den in der Landwirtschaft tätigen Menschen“ geführt. Städter würden den Agrarsektor zudem häufig mit Blick auf die Umweltwirkung und das Tierwohl beurteilen. Landwirte würden hingegen den Versorgungsaspekt hervorheben.
3. Der Klimawandel
Wetterschwankungen, immer häufiger auftretende Extremwetterereignisse sowie neue Schädlinge und Krankheitserreger haben die Risiken in der Landwirtschaft erhöht. Viele Landwirte spürten das auf der Einkommensseite, sagt Sebastian Hess, Leiter des Fachgebiets Agrarmärkte von der Universität Hohenheim. Da viele Arbeiten wie etwa die Getreideernte nur an ganz bestimmten Tagen des Jahres und nur bei gutem Wetter ausgeführt werden können, würden diese Änderungen im Alltag viel mehr Stress bedeuten: „Mitunter hängt das Jahreseinkommen einer bäuerlichen Familie an der Wetterlage zu bestimmten Tagen.“
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Die Landwirtschaft ist aber nicht nur Opfer des Klimawandels, sondern trägt auch einen Teil dazu bei. „Die Mineraldüngerherstellung braucht weltweit zum Beispiel sehr viel Energie, manche Böden setzen bei Bewirtschaftung viel CO₂ frei und Rinder scheiden Methan aus, das als sehr klimaschädlich gilt“, erklärt der Landwirtschaftsexperte. Politik und Verarbeitungsindustrie versuchen daher zunehmend, diese Effekte zu reduzieren, indem man klimafreundliche Bewirtschaftungsformen fördert.
4. Der Wettbewerb um die Böden
Bodenforscher sprechen schon länger davon, dass sich die Böden in der größten Krise seit Jahrzehnten befinden. Dem „Global Land Outlook“ der Vereinten Nationen zufolge sind weltweit 20 bis 40 Prozent aller Landflächen geschädigt. Doch nicht nur der Zustand der Böden ist für die Landwirtschaft eine Herausforderung, sondern auch die Frage, wem die Flächen gehören. Schon seit Jahren sind Böden für Vermögende begehrte Geldanlageobjekte. Dabei werden ganz bewusst Schlupflöcher im Bodenrecht genutzt, um das eigentlich festgeschriebene Vorkaufsrecht für Landwirte auszuhebeln. Das hat Folgen: Von 2005 bis 2019 sind die Preise je Hektar für landwirtschaftliche Flächen in Deutschland um rund 200 Prozent auf etwa 26.000 Euro gestiegen. Viele Betriebe können da nicht mitbieten.
5. Das Subventionssystem
Deutschlands Bauern erhalten jährlich mehr als 6,5 Milliarden Euro aus Brüssel, hinzu kommen Subventionen und Steuervergünstigungen des Bundes. Die Zahlungen der EU orientieren sich nach wie vor an den betrieblichen Flächen. Deshalb erhalten besonders flächenstarke Betriebe alljährlich Summen im siebenstelligen Bereich. Wissenschaftler regen schon länger Reformen an. Weitgehend einig ist man sich, dass mit öffentlichem Geld vor allem öffentliche Leistungen unterstützt werden sollten, also etwa der Erhalt der Kulturlandschaft oder Mindeststandards bei der Tierhaltung. „Aktuell honoriert ein beträchtlicher Teil der Zahlungen an die Landwirtschaft hingegen einfach nur das Eigentum von Boden und kommt damit gar nicht zwangsläufig denen zugute, die in der Landwirtschaft die eigentliche Arbeit machen“, bemängelt Agrarexperte Sebastian Hess.