Berlin. Hersteller nutzen zwei rekordverdächtige Tricks, um ihre Kosten zu senken. Warum Verbraucher vor allem Preis und Inhalt prüfen müssen.

Der Unterschied ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Die Verpackung ist gleich, nur das Gewicht hat sich verändert. Die Teebeutel der „Heiße Liebe Teekanne“ enthalten nur noch 2,25 Gramm statt 3 Gramm, heißt es im Kleingedruckten. Also 25 Prozent weniger Inhalt. Der Hersteller Rügenwalder Mühle füllt in seine Snack-Packungen nur noch 165 Gramm statt 200 Gramm vegetarische Mini-Würstchen und Salamis. Granini hat bei seinem Saft „Selektion Mango-Nektar“ wiederum den Fruchtsaftanteil von 30 auf 24 Prozent reduziert, was zwangsläufig zu einer geringeren Qualität führt. Bei allen Produkten ist der Preis trotz geringeren Gewichts oder niedrigerer Qualität gleichgeblieben.

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Dies sind aktuelle Beispiele für versteckte Preiserhöhungen von Herstellern und Handel, die die Verbraucherzentrale Hamburg auf Hinweise von Konsumenten als Mogelpackungen enttarnt hat. Besonders bitter: Sie kommen für die Verbraucher zu der deutlichen Verteuerung von Lebensmitteln und Getränken seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs noch hinzu.

Einkaufen: Rekord bei Mogelpackungen

Das Prinzip folgt immer zwei Mustern: Entweder wird der Packungsinhalt weniger, während der Verkaufspreis gleich bleibt oder steigt (Shrinkflation). Oder die Rezeptur ist verändert, indem wertige Inhaltsstoffe verringert oder durch günstigere ersetzt werden. Dadurch lässt die Qualität des Produktes nach (Skimpflation), erläutert Armin Valet, Lebensmittelexperte der Verbraucherzentrale. Manchmal erfolgt beides zugleich: Der Inhalt schrumpft, während die Qualität sinkt.

Valet untersucht seit Jahren die Tricks der Konzerne. Doch niemals waren sie so zahlreich wie in diesem Jahr. „Seit dem zweiten Halbjahr 2022 erleben wir einen starken Anstieg der Mogelpackungen. In diesem Jahr wird die Zahl der Mogelpackungen mit mindestens 95 Produkten einen Rekord erreichen“, berichtet Valet. Zum Vergleich: „2022 haben wir 76 Produkte als Mogelpackungen enttarnt, 2021 waren es nur 47.“ Und die Dunkelziffer unentdeckter, heimlicher Preiserhöhungen sei hoch.

Die Änderung ist nur im Kleingedruckten zu erkennen: In bestimmten Granini-Säften ist jetzt weniger Fruchtsaft, hat die Verbraucherzentrale entdeckt.
Die Änderung ist nur im Kleingedruckten zu erkennen: In bestimmten Granini-Säften ist jetzt weniger Fruchtsaft, hat die Verbraucherzentrale entdeckt. © Verbraucherzentrale Hamburg und canva.com | Verbraucherzentrale Hamburg und canva.com

Valet sieht in dem Anstieg einen direkten Zusammenhang mit der hohen Inflation: „Viele Hersteller nutzen verkleinerte Inhaltsgrößen, um Kosten einzusparen.“ Entsprechend könnte der Trend seinen 2023 seinen Höhepunkt gesehen haben.

Hersteller und Handel verstoßen in der Regel mit ihrem Tun nicht gegen Gesetze. Weder Rezeptänderungen noch kleinere Verpackungen sind verboten. Dennoch sehen Verbraucherschützer darin eine „Irreführung der Konsumenten“, da die Verringerung des Inhaltes für die Käufer nicht sofort erkennbar sei. „Hier brauchen wir mehr Transparenz, um aus dem Dilemma zu kommen“, sagt Valet.

Einkaufen: Wie beim Rezept gespart wird

Sowohl Verbraucherzentralen als auch die Organisation Foodwatch haben deshalb die Politik aufgefordert, Hersteller gesetzlich zu verpflichten, durch deutliche Hinweise auf der Verpackung, auf Veränderungen von Inhaltsgrößen hinzuweisen. „Dies ist zum Beispiel in Brasilien bereits Pflicht“, so Valet. Zudem sollten Packungen prinzipiell vollgefüllt sein und mit der reduzierten Menge schrumpfen. Doch noch hat die Ampel-Regierung nicht gehandelt.

Bei der Veränderung der Rezepturen wird beispielsweise an wertvollen Zutaten wie Rahm, Marzipan, Fruchtsaft oder Ölen gespart. Diese werden durch günstigere Alternativen oder Aromen und Füllstoffe ersetzt, berichtet Valet. Die Hersteller argumentieren in diesen Fällen nicht mit Kosteneinsparungen, sondern verweisen darauf, dass sie damit den „Wünschen“ von Verbrauchern entsprächen. Für den Verbraucherschützer handelt es sich hierbei um klassische Fälle von Skimpflation. Das englische Wort „Skimp“ steht für „einsparen“ oder „knausern“. Im Klartext: Der Preis für ein Produkt steigt indirekt, indem dessen Qualität sinkt.

Bundesregierung: Vorgehen gegen «Mogelpackungen» im Supermarkt

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    So werden Kartoffelpuffer bei Rewe mit weniger Kartoffeln, dafür mehr Wasser hergestellt. In einer veganen Lasagne von Iglo wurde der Erbsenanteil reduziert – und zudem auch der Packungsinhalt von 450 auf 400 Gramm verkleinert. Panierte Alaska-Seelachsfilets enthalten weniger Fischanteil, dafür mehr Wasser. In Griddies von Agrarfrost ersetzt Sonnenblumenöl wertvolleres Rapsöl.

    Die Inhaltsmengen werden quer durch alle Bereichen reduziert – von Süßigkeiten, Knabber-Snacks über Gemüse, Säfte, Ceralien bis hin zu Tiefkühlkost. So wurde die Füllmenge von Chipstüten von Funny-Frisch (Chipsfrisch) von 175 auf 150 Gramm gesenkt – was bei gleichem Verkaufspreis einem Preisanstieg von 17 Prozent entspricht. Ähnlich handelten auch die Konkurrenten Kellogg (Pringles), Lorenz (Crunchips) oder Pepsico (Lay’s). Bei Katjes haben die Fruchtgummi-Packungen nicht mehr 200 Gramm Inhalt, sondern 175.

    Einkaufen: Wenn die Margarine nicht mehr reicht

    Als Grund dafür nennen die Hersteller oft enorme Kostensteigerungen in allen Bereichen, berichtet Valet. Sie verweisen auf gestiegene Preise für Rohstoffe, Verpackungen, Logistik und Energie. Tatsächlich stecken die Unternehmen in einem Dilemma: Ihre Kosten sind gestiegen, gleichzeitig ist der Umsatz im Lebensmittelhandel im ersten Halbjahr dieses Jahres laut Statistischem Bundesamt real um 5,8 Prozent gesunken, da viele Menschen ihr Geld zusammenhalten und weniger einkaufen. Offensichtliche Preiserhöhungen lassen sich deshalb nur schwer umsetzen.

    Insgesamt stellten die Verbraucherschützer die Mengenreduzierung bisher bei mindestens 63 Snack-Artikeln fest. „Damit ist praktisch das ganze Snackregal in den Supermärkten von versteckten Preiserhöhungen betroffen.“ Besonders ärgerlich und umweltschädlich ist dabei, so Valet, wenn die Verpackungen gleich groß bleiben und damit noch unnötig Plastik verschwendet wird.

    Bei den Verbraucherzentralen gingen in diesem Jahr rund 3000 Beschwerden ein. Viele Zuschriften zeigten, dass die Käuferinnen und Käufer die geringeren Größen oft erst zu Hause bemerken. „So beklagte eine Frau, dass sie mit ihrer Margarine Sanella bislang immer zwei Kuchen backen konnte. Diesmal reichte die Packung nicht, weil die Menge von 500 auf 400 Gramm reduziert wurde. Also musste sie nochmal zum Einkaufen, bevor sie mit dem Backen starten konnte“, berichtet Valet.

    Betroffen von den heimlichen Preiserhöhungen sind vor allem Markenprodukte. Aber auch Händler verkleinern die Inhalte ihrer Eigenmarken, sagt Valet. „Der Verbraucher muss sehr aufmerksam zum Einkaufen gehen. Neben realen Preiserhöhungen sind heimliche Preiserhöhungen überall in den Regalen zu finden.“

    Natürlich können Verbraucher durch ihr Kaufverhalten Druck auf Hersteller und Händler ausüben. Der Verbraucherschützer sieht jedoch vor allem die Politik in der Verantwortung: „Es müssen gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Verbraucher nicht so leicht ausgetrickst werden können.“