Wien/Essen. Die Signa Holding meldet in Wien Insolvenz an. Die Begründung muss Karstadt und Kaufhof aufhorchen lassen. Was man aus Galeria-Kreisen dazu hört.
Die Karstadt-Mutter Signa ist pleite. Die Geschäftsführung der Dachgesellschaft Signa Holding erklärte am Mittwoch, sie werde „heute einen Antrag auf Eröffnung eines Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung für die Signa Holding GmbH beim Handelsgericht Wien einbringen“. Zudem beantrage sie die „Annahme eines Sanierungsplans“.
Das österreichische Firmenimperium des Milliardärs René Benko ließ in ihrer Mitteilung erkennen, dass es nicht um eine Abwicklung des Konzerns mit seinen mehr als 1000 Einzelfirmen geht. Ziel sei stattdessen „die geordnete Fortführung des operativen Geschäftsbetriebs im Rahmen der Eigenverwaltung und die nachhaltige Restrukturierung des Unternehmens“. Wer das hauptverantwortlich managen soll, ließ Signa gestern offen. Arndt Geiwitz, an den Benko die Führung seines eigenen Konzerns unlängst auf Druck seiner Investoren laut Mitteilung abgegeben hatte, soll diesen Job gar nicht angenommen haben, schreibt der Business Insider.
Deutsche Signa-Tochter ist bereits insolvent
In der vergangenen Woche hatte bereits die deusche Immobilientocher Signa Real Estate Management Germany einen Konkursantrag beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg eingereicht. Sie gehört zur Immobiliengruppe Signa Prime, in der unter anderem die deutschen Luxuskaufhäuser KaDeWe, Alstershaus und Oberpollinger sowie der Hamburger Elbtower gebündelt sind, dessen Bau jüngst unterbrochen wurde.
Berichte über dramatische Finanzierungsprobleme bei Signa verdichteten sich zuletzt zusehends. Insider sprachen unserer Redaktion gegenüber seit Wochen davon, dass sehr bald mehrere Insolvenzanträge gestellt werden könnten.
Welche Auswirkungen die Insolvenz der Mutter in Österreich auf die deutsche Warenhaustochter Galeria Karstadt Kaufhof hat, ist noch unklar. Allerdings lässt eine Begründung von Signa für den Insolvenzantrag der Holding in Wien hier aufhorchen: Es sei „bekannt, dass der Retailbereich – vor allem der stationäre Einzelhandel – in den letzten Jahren aufgrund externer Faktoren in Europa wirtschaftlich stark unter Druck geraten ist“, heißt es darin. Die Investitionen in diesem Bereich hätten nicht den erwarteten Erfolg gebracht. Galeria wähnt sich nach zwei überstandenen Insolvenzen auf dem Weg der Besserung, schreibt operativ wieder Gewinne, aber unterm Strich nach wie vor Verluste.
Galeria-Kreise: Zahlen bis zu 200 Millionen Euro Miete an Signa
In Unternehmenskreisen von Galeria wird betont: „Die Situation hat derzeit keine negativen Auswirkungen auf Galeria.“ Von großer Bedeutung ist: Die Warenhauskette zahlt dem Vernehmen nach als Mieter für etwa 20 Gebäude rund 180 bis 200 Millionen Euro pro Jahr an Signa.
Hinzu kommt: Im unlängst beschlossenen Insolvenzplan der Warenhauskette ist festgeschrieben worden, dass Signa rund 200 Millionen Euro in Galeria investieren muss. Damit stellt sich die Frage, ob ausstehende Mietzahlungen mit dieser Summe verrechnet werden könnten.
Auswirkungen durch die Signa-Insolvenz auf Galeria gibt es jedenfalls. So stocken beispielsweise Modernisierungsprojekte in Berlin. Der Filialbetrieb läuft allerdings weiter. Generell dürfte ein hohes Interesse im Unternehmen bestehen, die Verunsicherung von Kunden und Beschäftigten mitten im wichtigen Weihnachtsgeschäft zu begrenzen.
Zinswende bringt Benkos Immobilienimperium in Schieflage
Auch im Immobilienbereich hätten sich in den letzten Monaten externe Faktoren negativ auf die Geschäftsentwicklung ausgewirkt, teilt Signa mit, womit vor allem die Folgen der Zinswende im Sommer 2022 gemeint sein dürften. Trotz erheblicher Bemühungen in den letzten Wochen habe Signa „die erforderliche Liquidität für eine außergerichtliche Restrukturierung nicht in ausreichendem Maße“ sicherstellen können.
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Wie die Restrukturierung gelingen soll, was Signa für seine Handelstöchter plant, zu denen auch die Essener Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof gehört, blieb zunächst offen. Eigentlich müsste Signa besagte 200 Millionen Euro in die Sanierung der 91 deutschen Kaufhäuser investieren – das hatte Benko der Gläubigerversammlung im Insolvenzplan versprochen. Nun, da die Muttergesellschaft selbst pleite ist, ist fraglicher denn je, ob das Geld noch nach Essen fließt. Der Handelsexperte Gerrit Heinemann sagt dazu: „Offenbar ist nur ein Bruchteil des Geldes an Galeria Karstadt Kaufhof gezahlt worden. Der Rest fehlt und wird auch nicht mehr kommen. Deshalb geht auch der Insolvenzplan für Galeria nicht mehr auf.“
Steag-Sanierer nahm Aufgabe bei Signa nicht an
Die nun angestrebte Insolvenz in Eigenregie ist das Mittel der Wahl von Benko und Geiwitz zur Entschuldung. Das hat der erfahrene Insolvenzexperte aus Ulm für Benko bereits zweimal bei Galeria Karstadt Kaufhof durchexerziert. 2020 und 2023 ging der Essener Warenhauskonzern jeweils schuldenfrei daraus hervor. Den größten Schaden hatten jeweils die Gläubiger, von denen der größte in der letzten Galeria-Insolvenz der deutsche Staat war – er verlor den Großteil der 680 Millionen Euro, mit denen er Galeria zwischenzeitlich gerettet hatte.
Auch bei der nun angemeldeten Insolvenz in Österreich soll es darum gehen, selbstbestimmt aus der Zahlungsunfähigkeit zu kommen. Dafür wird Geiwitz mit Hilfe eines noch zu bestellenden Sanierungsverwalters einen Sanierungsplan aufstellen. Ziel sei die „Neuordnung der eigenen Aufgaben und der eigenen Verbindlichkeiten“ sowie der Erhalt der „Werthaltigkeit der Beteiligungen“, wie Signa mitteilte. Was im Detail damit gemeint ist, bleibt vor allem für die „eigenen Aufgaben“, sprich die Neuaufstellung der Geschäftstätigkeiten, einstweilen im Ungewissen.
RAG-Stiftung kauft Teil einer Benko-Firma
Wie das österreichische Nachrichtenmagazin „Profil“ berichtet, macht René Benko Teile seines Immobilien-Bestands zu Geld. So habe eine seiner Firmen knapp ein Viertel der Anteile am sogenannten „Goldenen Quartier“ in der Wiener Innenstadt verkauft – und zwar an die Essener RAG-Stiftung. Bei dem Luxus-Einkaufstempel in den Wiener „Tuchlauben“ handle es sich um jenes Projekt, das Benko einst einen Durchbruch in der heimischen Immobilienszene beschert habe. „Wir können bestätigen, dass wir knapp 25 Prozent an der Tuchlauben Immobilien GmbH, einer Premiumimmobilie, erworben haben“, erklärte die Essener Stiftung auf Anfrage unserer Redaktion. „Zu weiteren Details äußern wir uns nicht.“
Die prominenten Geldgeber des René Benko
Der österreichische Geschäftsmann Benko hatte über Jahre hinweg ein breites Netzwerk aufgebaut und namhafte Investoren für sich gewinnen können, unter anderem Tierfutter-Unternehmer Torsten Toeller („Fressnapf“), Logistik-Milliardär Klaus-Michael Kühne – und auch die Essener RAG-Stiftung, die auf dem Welterbe-Gelände Zollverein residiert und für die Finanzierung der Kosten zuständig ist, die auf Dauer nach dem Ende des Steinkohlenbergbaus in NRW und im Saarland anfallen.
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Schon eine Personalie ließ unlängst nichts Gutes erahnen: Der Steag-Sanierer Ralf Schmitz sollte bei der Neuaufstellung der angeschlagenen österreichischen Handels- und Immobiliengruppe von Benko eigentlich eine Schlüsselrolle spielen und die Restrukturierung managen. Doch Schmitz werde das Signa-Mandat, für das er vorgesehen gewesen sei, nicht annehmen, erfuhr unsere Redaktion am Montag aus dem Umfeld des Unternehmens. Nun will der Business Insider erfahren haben, dass auch Geiwitz seinen Posten als Chefsanierer gar nicht angetreten habe, sondern lediglich als Berater fungiere.