Duisburg/Essen. Thyssenkrupp sieht die Förderung für die erste Wasserstoff-Anlage in Duisburg nicht bedroht. Aber mit Blick auf neue Vorhaben stellen sich Fragen.
Dass das Bundesverfassungsgericht die Verwendung von Corona-Krediten für Klimaprojekte als verfassungswidrig bewertet, gefährdet nach Einschätzung von Thyssenkrupp Steel nicht die geplante Milliarden-Förderung einer ersten Wasserstoff-Anlage für den Aufbau der Grünstahl-Produktion in Duisburg. Das Projekt mit dem Namen „tkH2Steel“ sei nicht betroffen, erklärte das Unternehmen auf Anfrage unserer Redaktion nach der Verfassungsgerichts-Entscheidung. „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat keine Auswirkungen auf die Förderung unseres Dekarbonisierungsprojekts tkH2Steel.“
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte in Berlin versichert, alle bereits zugesagten Verpflichtungen würden eingehalten. Anders stellt sich die Lage bei künftigen Projekten dar. Die Ampel-Koalition muss nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts die Finanzierung der Energiewende auf den Prüfstand stellen.
Der Wirtschaftsplan des Klima- und Transformationsfonds (KTF), zu dem die Verfassungshüter entschieden haben, werde im Lichte des Urteils zügig überarbeitet, so Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Denn das Verfassungsgericht hat den Nachtragshaushalt 2021 für nichtig erklärt. Demnach ist es verfassungswidrig, die für Corona-Maßnahmen vorgesehenen, aber nicht benötigten Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro über den KTF für künftige Haushaltsjahre nutzbar zu machen. Abgeordnete der Unions-Fraktion im Bundestag hatten sich die Verfassungshüter gewandt.
Ende Juli hatte Bundeswirtschaftsminister Habeck zusammen mit der nordrhein-westfälischen Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur (Grüne) einen Förderbescheid über knapp zwei Milliarden Euro für das Projekt „tkH2steel“ an Thyssenkrupp Steel in Duisburg übergeben. Damit sei „der Weg frei für ein zentrales Projekt der Transformation der deutschen Stahlindustrie hin zur Klimaneutralität“, betonte das Habeck-Ministerium bei diesem Anlass.
BDI-Präsident Russwurm warnt vor „Verunsicherung von Unternehmen“
Das Ziel des Thyssenkrupp-Projekts ist, die klimaschädlichen Hochöfen in Duisburg in einigen Jahren stilllegen zu können. Statt Kohle soll künftig Wasserstoff in der Thyssenkrupp-Produktion zum Einsatz kommen. Zwei Milliarden Euro aus den Kassen von Bund und Land sollen für den Bau einer Direktreduktionsanlage fließen.
Damit ist der Umbau am Stahlstandort Duisburg aber längst nicht abgeschlossen. Ein Hochofen kann mit dem ersten Vorhaben ersetzt werden, es bleiben aber drei weitere Hochöfen allein bei Thyssenkrupp und zusätzlich zwei beim Tochterunternehmen Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM). Entsprechend aufmerksam dürfte in Duisburg verfolgt werden, wie sich der Umbau der Industrie nach dem Urteil des Verfassungsgerichts noch mit staatlicher Unterstützung finanzieren lässt.
„Diesen historischen Richterspruch werten wir auch als Appell an die Regierung, Klarheit darüber zu schaffen, wie das Jahrhundertprojekt der Transformation unserer Industrie und Gesellschaft zur Klimaneutralität solide finanziert werden kann“, sagt Bernhard Osburg, der Chef von Thyssenkrupp Steel, in seiner Funktion als Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, die als Interessenvertretung der Branche fungiert. Die Regierung bleibe auch nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts in der Verantwortung, die notwendige Anschubfinanzierung für Klimaschutz in der Stahlindustrie bereitzustellen. Die Unternehmen benötigten Planungssicherheit. Sie stünden zugleich bereit, „Milliarden in neue und transformative Technologien“ zu investieren.
„Konsequenzen für das Ausgabeverhalten der öffentlichen Haushalte sind unvermeidlich“, kommentiert der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, die Entscheidung des Verfassungsgerichts. Russwurm, der auch Vorsitzender des Thyssenkrupp-Aufsichtsrats ist, betont zugleich, pauschale Ausgabensperren seien „keine dauerhaft angemessene Lösung und führen erneut zur Verunsicherung von Unternehmen“.
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