Berlin. Wer sich impfen lassen will, ging bislang zum Hausarzt. Doch auch Apotheken bieten Impfungen an – mit einem entscheidenden Vorteil.

Mitten in der Pandemie war fast jeder Ort recht. Ob in Zelten, auf Parkplätzen, Partys oder in Transportern: Nachdem der erste Impfstoff verfügbar war, wurde selbst an ungewöhnlichen Orten geimpft, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Der Druck ist raus, die meisten mobilen Impfstationen wurden wieder abgebaut. Geblieben sind die Apotheken, die ihren Impfservice weiter anbieten – und sie werden von der Bevölkerung zunehmend akzeptiert und aufgesucht.

Nach der Erfahrung mit der Corona-Pandemie zeigen sich immer mehr Menschen in Deutschland bereit, sich auch in Apotheken impfen zu lassen. 71 Prozent halten eine Impfung gegen Grippe oder andere Infektionskrankheiten in Apotheken für sinnvoll, während dies vor der Pandemie nur 43 Prozent sagten. Damals sprachen sich sogar 46 Prozent strikt gegen Impfungen in Apotheken aus, heute lehnen dies nur noch 22 Prozent ab.

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Dies geht aus einer Befragung für den BAH-Gesundheitsmonitor hervor, für den 2023 und 2017 im Auftrag des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) jeweils 1000 Menschen befragt wurden und die dieser Redaktion vorliegt. Männer befürworten heute eine Impfung in Apotheken mit 75 Prozent sogar etwas stärker als Frauen mit 67 Prozent.

Corona-Impfung in der Apotheke: Tausende nehmen Angebot an

Bundesweit bieten von den rund 18.000 Apotheken etwa 1200 Grippeschutzimpfungen und 1600 Covid-19-Impfungen an. Impfen dürfen nur Apothekerinnen und Apotheker, die dafür ärztlich geschult wurden – aktuell rund 13.200. Im vergangenen Jahr wurden mehr als 300.000 Covid-Impfungen in Apotheken verabreicht sowie mehr als 50.000 Grippeimpfungen in der Grippesaison 2022/23, berichtet die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände.

Apotheker wollen mit dem Angebot nicht Ärzten Konkurrenz machen, sondern das Angebot ergänzen. Ziel ist es, zusätzliche niedrigschwellige Impfangebote zu schaffen. In der Regel übernehmen die Krankenkassen die Kosten für alle Impfungen, die von der unabhängigen Ständigen Impfkommission (Stiko) für entsprechend Personengruppen empfohlen werden. Apotheken erhalten für jede Grippeimpfung 11 Euro, für Impfungen gegen Corona maximal 15 Euro.

Impfen in der Apotheke: Tausende Patienten nehmen das Angebot an.
Impfen in der Apotheke: Tausende Patienten nehmen das Angebot an. © dpa | Friso Gentsch

Die meisten Menschen (78 Prozent) vertrauen dem Apothekerpersonal, ergab die Umfrage. Allerdings möchte jeder zweite Befragte bei Impfungen trotzdem lieber zuerst zu seinem Hausarzt gehen – vor allem die über 60-Jährigen. Die große Mehrheit (79 Prozent) wünscht sich, dass die Impfung in der Apotheke kostenlos ist oder maximal fünf Euro kostet. Je älter die Menschen sind, desto wichtiger ist ihnen ein kostengünstiges oder kostenloses Angebot in den Apotheken. Unter den über 60-Jährigen wünschen sich dies 83 Prozent.

Apotheke: Warum der Grippeschutz noch nicht reicht

76 Prozent versprechen sich durch eine Impfung in der Apotheke vor allem eine deutliche Zeitersparnis, da sie dort keine Wartezeiten hätten und auch keinen Termin bräuchten. Gut jeder Dritte würde sich dann sogar öfter impfen lassen.

Teilweise lässt die Impfquote aber noch zu wünschen übrig. „Die Impfquote ist in vielen Bereichen schlecht. Nachholbedarf gibt es vor allem bei Erwachsenen und Risikopatienten“, sagt Elmar Kroth, Geschäftsführer Wissenschaft beim BAH. Nur bei Corona sei sie mittlerweile gut. So sagen 82 Prozent der Befragten, dass sie gegen Covid-19 einen Impfschutz haben. Mehr als 80 Prozent hätten dies auch für Tetanus.

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Anders sieht es bei einer anderen Infektionskrankheit aus: Gegen Grippe wollen sich laut Umfrage in diesem Jahr rund 30 Prozent impfen lassen, neun Prozent haben es schon getan. Dies sind deutlich mehr als noch 2017 mit 17 Prozent – doch immer noch deutlich zu wenig, meint Kroth: „Die Impfquote bei Grippe ist seit Jahren niedrig und reicht nicht. Und dies, obwohl in manchen Jahren bis zu 25.000 Menschen in Deutschland an Grippe sterben“, mahnt der BAH-Experte. Gefährdet seien vor allem die über 60-Jährigen und Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen. In dieser Altersgruppe ab 60 Jahre ließen sich nur etwa 47 Prozent impfen.

Impfungen in der Apotheke: Je älter, desto nachlässiger

Schlecht sei die Quote auch bei FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) – also Krankheiten wie Hirnhautentzündung (Meningitis), die durch Zeckenbisse ausgelöst wird. Hier liegt der aktuelle Impfschutz laut Befragung bei 22 Prozent, so Kroth. Und dies, obwohl halb Deutschland zum Risiko-Gebiet zählt und der Erreger in vielen Bundesländern vorkommt. Gering ist die Quote mit 32 Prozent auch bei Impfungen gegen Pneumokokken, die Lungenentzündungen auslösen können.

Als sehr gut beurteilt der BAH-Experte die Impfquote bei Kindern. Wenn Kinder in die Schule kommen sind 80 bis 95 Prozent gegen die typischen Kinderkrankheiten geimpft“, so Kroth. „Doch mit zunehmendem Alter werden die Menschen nachlässiger und vergessen das Impfen.“ Die Gruppe der überzeugten Impfgegner bezeichnet Kroth unterdessen als sehr klein.

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Klar sei aber auch: „Jede Impfung birgt ein Risiko. Es werden immer gesunde Menschen geimpft. Nebenwirkungen wie lokale Rötungen sind keine Seltenheit, schwerere Folgen jedoch die Ausnahme“, so Kroth. „Wer sich impfen lässt, macht dies nicht nur für sich, sondern auch zum Schutz der Gemeinschaft.“ Eine Ausweitung der Impfangebote hält der Experte deshalb für sinnvoll: „Je niedrigschwelliger das Impfangebot, desto höher die Impfquote.“