Essen/Nürnberg. Der Job-Futuromat zeigt an, welche Arbeit Maschinen und Computer ersetzen können. Die Ergebnisse sind so heikel wie hilfreich. Die Berufe-Daten.
Gleich werde ich erfahren, wie ersetzbar ich bin. Ich habe „Journalist“ in die Maske eingegeben, mein Mittelfinger zögert kurz, die „Enter“-Taste zu drücken, dann tut er es doch – und: Erleichterung. Meine Kerntätigkeiten wie Recherche und redaktionelles Arbeiten können absehbar nur zu 20 Prozent von Computern und Künstlicher Intelligenz (KI) übernommen werden. Das geht ja noch. Meine Branche beschäftigt mehr Menschen als vor zehn Jahren und die Zahl der arbeitsloser Journalisten stagniert. Wie es wohl um die Wunschberufe meiner Kinder steht? Sagt alles der „Futuromat“ der Bundesagentur für Arbeit (BA).
Entwickelt hat ihn das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die Wissenschafts-Tochter der BA. Seit 2016 spuckt der Futuromat die Digitalisierbarkeit und Automatisierbarkeit von rund 4000 Berufen nach einem Klick aus. Was sehr frustrierend sein kann, etwa für den Bäcker oder die Steuerfachangestellte. Aber auch sehr beruhigend für die Friseurin und den Straßenbauer, deren Tätigkeiten noch gar nicht ersetzbar sind. Die Friseurin, weil noch kein Roboter in Sicht ist, der das besser könnte als sie. Der Straßenbauer, obwohl längst Maschinen planieren und Rohre legen, aber nicht ohne einen Menschen, der sie zu bedienen versteht. Der Altenpflegerin können Programme und Geräte helfen, sie aber nicht ersetzen, ihre „Substituierbarkeit“ liegt bei 14 Prozent.
Handwerk kann mehr wert sein als Fabrikate
Doch auch wenn eine Tätigkeit theoretisch komplett ersetzbar ist wie die des Bäckers durch eine Fabrik, bedeutet das längst nicht, dass der Beruf zwangsläufig auch ausstirbt. Dass etwa von Meisterhand gefertigte Brote besser und mehr wert sein können als solche aus der Fabrik, lässt sich jeden Tag in der Backmanufaktur nebenan beobachten. So klagt das Bäckerhandwerk derzeit nicht über zu wenig Arbeit, sondern über Nachwuchsmangel.
Dass die Berufsverbände die richtigen Schlüsse aus den Daten ziehen, ist das Hauptanliegen von Britta Matthes, die den Futuromaten seit Jahren pflegt. Und deshalb regelmäßig aneckt bei den Verbänden jener Berufe, denen sie den höchsten Grad an Ersetzbarkeit menschlicher Arbeitskraft verpasst. Dabei geht es ihr gar nicht darum, jungen Menschen den Beruf des Bäckers, Metallbauers oder des Bankkaufmanns madig zu machen. Sondern darum, den Veränderungsdruck aufzuzeigen, den es in diesen Berufen aufgrund neuer Automatisierungstechniken und zunehmend Künstlicher Intelligenz zweifelsohne gibt.
Das eigentliche Ziel müsse es sein, diese Berufe zu erhalten, indem neue Qualifikationen, Anforderungsprofile und Ausbildungsinhalte erarbeitet werden, sagt Matthes. „Wenn sich an der Ausbildung nichts ändert, gibt es diesen Beruf in zehn Jahren nicht mehr“, sagt sie dann schonmal zu den Verbandspräsidenten, die sich bei Ihr über die vermeintlich schlechte Bewertung ihrer Branche beschweren.
Der Futuromat soll Berufsverbände zum Handeln anregen
Wenn dies geschieht, sieht sich die Forscherin nur bestätigt. Denn bevor die Beschäftigten das geforderte lebenslange Lernen verinnerlichen können, müssen erst einmal ihre Arbeitgeber und Berufsverbände sagen, wo sie mit ihnen hin wollen, was sie künftig von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwarten. Der Buchhalter und die Steuerfachangestellte sind gute Beispiele dafür. Ihre bisherigen Kerntätigkeiten können Computer vollständig ersetzen. Doch die gruseligen 100 Prozent im Futuromaten können aber auch wieder sinken, wenn sie neue Aufgaben und andere Kompetenzen bekommen.
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Wie das IAB auf die Werte kommt, mit denen es den Futuromaten füttert? „Wir schauen uns auf Messen nach neuen Techniken um, gehen in Vorreiterbetriebe, die schon mehr automatisieren als andere, wir gehen in smarte Fabriken, um die Übertragbarkeit ihrer Neuerungen einzuschätzen“, sagt Matthes. Sie wagt damit durchaus einen Blick in die Zukunft, der Futuromat gibt nicht an, wie viel menschliche Arbeit aktuell bereits durch Roboter, Fließbänder und KI ersetzt wird, sondern wie viel nach aktuellem Technikstand in absehbarer Zeit ersetzt werden kann.
IAB-Forscherin: Berufe müssen sich verändern
Es bleibt also Zeit für die anderen Unternehmen und ihre gesamte Branche, sich darauf einzustellen. Inzwischen wüssten viele Berufsverbände das zu schätzen, nachdem sie anfangs eher verärgert auf jede Aktualisierung reagiert hätten, die wieder höhere Ersetzbarkeit angezeigt hat. „Viele haben inzwischen begriffen: Wir müssen etwas tun, damit unser Beruf sich so verändert, dass er produktiv bleibt“, sagt die Arbeitsforscherin.
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Für Programmierer gehört das übrigens fest zum Berufsbild: Wer ein digitales Problem löst, indem er etwa eine neue Software entwickelt, hat sich selbst ein Stück ersetzbarer gemacht, wenn er damit fertig ist. Also widmet er sich dem nächsten Problem. Immer wieder neu ansetzen zu müssen, wird in vielen Berufen künftig nötig sein.
Der Handwerker entwickelt künftig seine eigene KI
Matthes ist wichtig zu betonen, dass es KI lange vor dem aktuellen Hype gab und sie sich in den Ergebnissen des Futuromaten bereits widerspiegelt. Die weitere Entwicklung sei schwer vorhersehbar. Da Programme zur Bilderkennung und -bearbeitung oder zur Textanalyse und -produktion viel besser geworden seien, habe es zum Beispiel der klassische Dolmetscher schwer, weil die Übersetzungsprogramme inzwischen sehr gut seien. Ob Textprogramme wie chatgpt je kreativ werden und so die Kernarbeit von Journalisten ersetzen könnten, bezweifelt sie aber. Das hört der Journalist gern. Nicht aber, dass die neusten Textprogramme gerade erst eingearbeitet werden, der Futuromat chatgpt also noch nicht kennt und der Prozentwert für meinen Beruf wohl demnächst steigen wird.
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Auch Künstliche Intelligenz werde immer darauf angewiesen sein, dass ein Mensch sie füttert und leitet, betont Matthes. Darin liege eine große Chance, sie so zu gestalten, dass sie etwa dem Handwerker Büroarbeit abnimmt, so dass er mehr Zeit hat, seine nicht zu ersetzenden handwerklichen Fähigkeiten auszuüben. Die Entwicklung gehe hin zu „berufsspezifischer KI“, sagt Matthes, und die Individualisierung könnten am besten Menschen aus diesen Berufen machen – und nicht externe IT-Entwickler. Einen Teil der Weiterqualifikation von Beschäftigten, deren Tätigkeitsfelder zunehmend automatisiert würden, sieht Matthes deshalb darin, dass sie selbst IT-Kompetenzen erwerben und letztlich ihre eigenen Programme schreiben.