Essen. Vodafone-Tochter Vantage sollte 1&1 bis Januar 1000 Funkmasten zur Verfügung stellen – es wurde: einer. Kartellwächter wittern Machtmissbrauch.
Verhindert Vodafone einen schnelleren Netzausbau für besseren Handyempfang? Diesem Verdacht geht das Bundeskartellamt intensiv nach. Warum die Vodafone-Tochter Vantage Towers dem Konkurrenten 1&1 bisher so gut wie keine Antennenstandorte gegeben hat, wollte den Wettbewerbswächtern jedenfalls nicht auf Anhieb einleuchten. Sie leitete nun ein Missbrauchsverfahren gegen den Düsseldorfer Telekommunikationskonzern ein, wie die Bonner Behörde am Freitag bekanntgab. Der Vorwurf lautet, seine Funkmast-Tochter Vantage Towers behindere den von 1&1 angestrebten Aufbau eines vierten Mobilfunknetzes in Deutschland.
Dass 1&1 mit seinem eigenen Handynetz nicht vorankommt, lastet der Neueinsteiger dem Marktführer vom Rhein an. Vodafone hat bisher von den drei Netzbetreibern den größten Marktanteil vor der Deutschen Telekom und Telefonica/O2. Um sein eigenes Netz aufzubauen, muss 1&1 vorhandene Masten der Konkurrenz laut Kartellrecht mitnutzen dürfen. Um seine von der Netzagentur vorgegebenen Ausbauziele zu erreichen, hätte 1&1 bis Ende 2022 mindestens 1000 Antennen in Betrieb nehmen müssen, tatsächlich schaffte 1&1 nach eigenen Angaben ganze fünf – darunter ein einziger Funkmast von Vantage.
Kartellamtschef Mundt fordert faires Verhalten
„Wir werden uns insofern genau ansehen, ob es gute Gründe für eine Verzögerung bei der Bereitstellung von Antennenstandorten für 1&1 gibt“, kündigte Kartellamts-Chef Andreas Mundt an. Er betonte, wie willkommen der Einstieg eines vierten Netzbetreibers aus Wettbewerbssicht sei. Und: „Eine zentrale Aufgabe des Kartellrechts ist es, dem Verhalten von Unternehmen faire Spielregeln zu setzen.“ Da Vantage Towers 1&1 die Mitnutzung Tausender Masten vertraglich zugesagt hat, was sich aber laut Kartellamt „massiv verzögert“, verlangt Mundt von Vodafone eine plausible Erklärung dafür.
Vantage ist der Hauptlieferant für 1&1. Nach Informationen unserer Redaktionen hatten beide Unternehmen vereinbart, dass 1&1 bis Ende 2022 bis zu 850 Vantage-Funkmasten, mindestens aber 650 zur Verfügung stehen. Das Ziel wurde krachend verfehlt. Das liegt unter anderem daran, dass 1&1 erst sehr spät – nämlich im Jahr 2021 – mit der Planung von 5G-Funkmasten begonnen hatte, wie Unternehmenskreise bestätigen. Die drei großen Telekommunikationskonzerne Telekom, Vodafone und Telefonica/O2 hatten damit bereits unmittelbar nach der milliardenschweren Auktion der 5G-Lizenzen im Jahr 2019 begonnen. Die Branche klagt seither darüber, dass Suche, Genehmigungen, Bürgerproteste gegen Funkmasten und deren Bau oft zwei Jahre und mehr dauern.
Pikante Note in diesem Streit: Weil 1&1 beim Ausbau bisher nicht vom Fleck kommt, droht dem Neueinsteiger seinerseits ein saftiges Bußgeld durch die Bundesnetzagentur. Die Behörde, die ebenfalls in Bonn sitzt, hat ein entsprechendes Verfahren bereits eingeleitet. Denn mit den entsprechenden Lizenzen erhielt 1&1 bei der staatlichen Auktion gleichzeitig auch die Pflicht, sein Netz in einem vorgegebenen Tempo aufzubauen. Bis Ende 2025 muss das Unternehmen aus Rheinland-Pfalz mit seinem Netz ein Viertel der deutschen Haushalte mit dem superschnellen 5G-Standard versorgen können.
1&1 drohen nun selbst hohe Bußgelder
Dafür braucht 1&1 rund 7000 Masten für seine Mobilfunkantennen. Wichtigster Partner soll dabei Vantage Towers sein, mit der inzwischen börsennotierten Vodafone-Tochter hat 1&1 einen Vertrag zur Bereitstellung von mindestens 3800 Standorten bis Ende 2025. Anfang 2023 hätten es bereits 1000 sein müssen, weil 1&1 diese staatlich festgesetzte Pflicht nicht erfüllt hat, prüft die Netzagentur nun Bußgelder. Die könnten hoch ausfallen, als Summe nannte die Behörde zuletzt bis zu 50.000 Euro pro nicht eingerichtetem Standort. Damit können fast 50 Millionen Euro Bußgeld für 1&1 zusammenkommen.
„Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen“, erklärte die Netzagentur dazu auf Nachfrage und betonte, dass ihr Verfahren gegen 1&1 und das des Kartellamts gegen Vodafone „unabhängig voneinander geführt“ würden. Maßstab für die Netzagentur sei allein „das Verhalten der 1&1 als Zuteilungsinhaberin“. Ein „etwaiges Bußgeld“ werde „nach den gesetzlichen Regelungen im Telekommunikationsgesetz“ bestimmt.
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Torsten Gerpott, Telekommunikations-Professor an der Mercator School of Management, ist davon überzeugt, dass 1&1 ein Bußgeld verkraften könne. „Aber es ist ein desaströses Signal und ein bleibender Makel für die Reputation von 1&1“, sagt er. Dass das Unternehmen nun ins Hintertreffen geraten sei, liegt nach Gerpotts Einschätzung nicht allein an Zulieferern wie Vantage. „1&1 hat selbst Fehler gemacht, etwa in der Wahl des Technikpartners“, meint der Wissenschaftler. 1&1 setzt beim Aufbau des 5G-Netzes auf den japanischen Onlinehändler Rakuten, der preiswerte Lösungen verspricht, die Wettbewerber dagegen auf Konzerne wie Ericsson und Huawei.
Kann Vantage als Vodafone-Tochter „neutral“ sein?
Im Verdacht, die Freigabe der Masten zu blockieren, hat der Netzneuling 1&1 dagegen die Vodafone AG. Ihr gehören immer noch rund 80 Prozent an ihrer früheren Funkturmsparte, die heute rund 19.400 Antennenstandorte in Deutschland betreibt. Insofern fällt es 1&1 schwer zu glauben, was Vantage Towers als Reaktion auf das Kartellverfahren erwiderte: „Als neutraler und unabhängiger Host bieten wir allen unseren Kunden einen offenen Zugang zu unserer passiven Infrastruktur.“ Man kooperiere „vollumfänglich mit dem Bundeskartellamt“ und werde „die Gründe für etwaige Verzögerungen ausführlich darlegen“, teilte Vantage Towers auf unsere Nachfrage mit.
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Vodafone sagte zum Verdacht, seine Marktmacht zu missbrauchen, man habe „die Anschuldigungen der 1&1 mit Verwunderung zur Kenntnis genommen. Den Vorwurf der Behinderung durch unser Haus weisen wir weiter entschieden zurück“, hieß es in einer Mitteilung des Konzerns. 1&1 begrüßte die Eröffnung des Kartellverfahrens und hofft: „Die Untersuchung durch die Behörde wird nun Klarheit und Transparenz schaffen. Gleichzeitig schauen wir fokussiert nach vorne und treiben den Ausbau unseres Netzes mit aller Kraft voran“, hieß es in einem Statement.