Wingeshausen. Hüttenwirt grenzt sich vom kritisierten Wisentprojekt ab: „Wir haben offen und im Schaugehege kann man auch weiterhin Wisente hautnah erleben.“
Bisher hat alles gestimmt: Die Lage mitten im Wald an einem deutschlandweit einzigartigen Premiumwanderweg, das naturnahe Schaugehege Wisent-Wildnis-Wittgenstein samt Abenteuerspielplatz vor der Tür und eine Gastronomie in einer urigen Holzhütte. Auch die vielen Berichte rund um das europaweit beachtete Artenschutzprojekt im Rothaargebirge waren gut fürs Geschäft. Aber inzwischen muss Hüttenwirt Tobias Decker immer wieder Aufklärungsarbeit bei potenziellen Gästen leisten. „Die Schlagzeilen über die unsichere Zukunft der freien Herde vertreiben die Gäste“, ärgert sich Decker. „Die Menschen fragen mich: Ja habt ihr den überhaupt noch auf?“ Und immer wieder werden das Schaugehege und die früher frei umherstreifende Herde aus dem Artenschutzprojekt miteinander verwechselt: „Die Leute sagen dann: Die Wisente sollen doch weg. Sind denn überhaupt noch welche in dem Schaugehege?“
Neue Trägerstruktur sichert Schaugehege
Für Tobias Decker und auch die neue Trägergesellschaft des Schaugeheges macht es das Geschäft nicht einfacher, dabei seien die Attraktionen nach wie vor vorhanden. „Inzwischen sind hier sogar zehn Wisente. Drei sind dazugekommen und vielleicht gibt es im neuen Jahr auch Nachwuchs“, sagt Tobias Decker.
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Jörg Sonneborn von der neuen Trägergesellschaft des Schaugeheges bleibt gelassen. „Die Besucherzahlen haben sich eigentlich nicht verändert. Natürlich war der Start in die Osterferien wetterbedingt etwas schwieriger“, berichtet Sonneborn und betont: „Die Zahlen können wir immer nur zum Jahresende vergleichen.“ Bislang sind es immer rund 30.000 zahlende Besucher pro Jahr, die das als „Schaufenster in das Artenschutzprojekt“ konzipierte, naturnahe Wildgehege ansteuern. Die Zahlen sind konstant. Und durch die im Dezember 2023 gegründete „Wisent-Wildnis Wittgenstein gGmbH“ ist das Schaugehege unabhängig vom umstrittenen Artenschutzprojekt im Bestand gesichert“, macht Sonneborn klar. Und nicht nur der Bestand ist gesichert - es werde auch investiert: „Wir werden den Abenteuerspielplatz nach und nach erneuern“, sagt der Wingeshäuser. Allerdings kennt er auch als Wanderführer in der Wisent-Wildnis das Problem, dass auswärtige Gäste nicht zwischen dem Artenschutzprojekt und der Herde im Schaugehege unterscheiden können. „Da muss ich dann oft Aufklärungsarbeit leisten.“
Das tut auch Hüttenwirt Tobias Decker inzwischen regelmäßig. Als er vor fast fünf Jahren als Pächter einstieg, war Decker mehr als zufrieden: „Im ersten Jahr war hier viel los. Und sogar Corona haben wir sehr gut überstanden, weil die Leute ja nicht weit reisen konnten.“ Die Anbindung an eine Freiluftattraktion hat sehr geholfen. „Ab 2022 verteilte sich das dann mehr“, erinnert sich der Hüttenwirt. Die jahrelange, öffentliche Diskussion um die Wisente - bis hinein in die Tagesschau - hat viele Menschen erst zu einem Besuch im Rothaargebirge und in Bad Berleburg gebracht. Doch inzwischen schlägt die Medienberichterstattung für den Gastronomen um: Die aktuelle Diskussion um ein mögliches Ende des Projektes vertreibe die Gäste, obwohl die wilden Wisente doch nichts mehr mit der Wisent-Wildnis am Rothaarsteig zu tun haben.
Über ein anderes Standbein muss sich Decker indes weniger Sorgen machen: „Die Wisenthütte ist eines der offiziellen Trauzimmer der Stadt Bad Berleburg. Wir haben hier zwischen acht und 15 Hochzeiten im Jahr.“ Dieses Angebot werde sich in den nächsten Jahren noch ausweiten, weil die Menschen die Lage schätzen. „Wenn hier gefeiert wird, stört man niemanden, nicht einmal die Tiere.“ Darüber hinaus kommen viele Wanderer. Der Wisentpfad führt über rund 13 Kilometer von Wingeshausen über das Wisentgehege nach Jagdhaus und wieder nach Wingeshausen zurück. Er ist eine als Premiumwanderweg ausgezeichnete „Rothaarsteigspur“. Das Besondere sind dabei nicht nur die Landschaft und die Tiere, sondern auch das gastronomische Angebot, den Wanderwege mit vielfältigen Einkehrmöglichkeiten sind inzwischen selten geworden.
Hochzeiten in Wisenthütte möglich
Der gelernte Koch setzt neben Wanderern und Wisentfreunden auch auf Events wie Grillabende, das Hüttenfrühstück, Flammlachs- oder Raclettmenüs oder saisonale Küche wie die Spargelzeit, die jetzt aktuell beginnt. Die genauen Angebote veröffentlicht er im Internet.
Und Tobias Decker hat Ideen, wie man neben dem Schaugehge, dem Spielplatz und der Wisenthütte noch eine zusätzliche Attraktion schaffen könnte. Er würde den Parkplatz um ein paar Stellplätze für Wohnmobile erweitern. Decker ist selbst Wohnmobilist und weiß, dass solche Plätze in der Natur mit Anbindung an das Wisentgehge, den Wanderweg und die Gastronomie bestens funktionieren. Dazu aber müssten die gGmbH und der Grundstückseigentümer mitmachen. Diese naturnahe Attraktion steht also noch in den Sternen.