Düsseldorf/Bad Berleburg/Arnsberg. Die nächste Eskalationsstufe: Der BUND hat eine Klage auf Freilassung der „rechtswidrig eingesperrten Wisente“ aus dem Gatter eingereicht.

Der Streit um die Wisente nimmt kein Ende: Nachdem die bis dahin frei lebenden 40 Tiere in ein 25 Hektar großes Gatter verbracht wurden und die Rentkammer Wittgenstein als Grundstückseigentümer den Vertrag mit den Projekt-Partnern gekündigt hatte, schaltet sich der nordrhein-westfälische Landesverband des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in das Geschehen ein: In einer Pressemitteilung verkündete der BUND am Freitag, eine Klage beim Verwaltungsgericht Arnsberg eingereicht habe. Ziel des Ganzen: Die Freilassung der „vom Kreis Siegen-Wittgenstein rechtswidrig in einem Gatter gefangenen und eingesperrten Wisente eingereicht“.

Aus Sicht des BUND liegt ein Rechtsverstoß vor, da es sich beim Wisent um eine streng geschützte Art handelt, keine Ausnahme von den Verboten vorliege und mangels Vorliegen der Voraussetzungen auch nicht erteilt werden dürfe. Der Kreis Siegen-Wittgenstein, den der Landesverband in der Pressemitteilung direkt kritisiert, äußert sich zum aktuellen Geschehen am Freitag nicht mehr: „Uns ist die Klage des BUND bisher nicht zugestellt worden, weswegen wir dazu auch noch keine Stellung beziehen können.“

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Die Situation hatte sich zuletzt verschärft, als der Kreis verkündete, dass die Rentkammer den Vertrag gekündigt und dem Projekt das Grundstück entzogen hatte. 2003 wurde die Idee vom Projekt von Prinz Richard zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg angestoßen, im Nachgang stellte er auch das Grundstück für die bis dahin einzige deutsche Wiederansiedlung der Wisente im Jahr 2013 zur Verfügung. Der BUND lobt den damaligen Projekt-Gedanken - aber nicht, ohne die spätere Entwicklung zu kritisieren: „Nach dem Freilassen von acht Tieren in 2013 entwickelte sich der Bestand prächtig, 38 der derzeit 39 Tiere sind in Freiheit geboren und aufgewachsen. Aber wegen des Schälens von Bäumen standen die Wisente zunehmend unter dem Beschuss benachbarter Forstbesitzer. Im Juli 2021 erwirkten diese ein Gerichtsurteil, nach welchem der Trägerverein des Projekts, der Wisent-Welt Wittgenstein e.V., dafür sorgen müsse, dass die Wisente deren Forste nicht mehr betreten. Die zur Durchsetzung der Ansprüche geltend gemachten exorbitanten Forderungen der Nachbarn zwangen den Trägerverein in die Insolvenz. Obwohl die Wiederansiedlung nach 10 Jahren erfolgreich abgeschlossen werden konnte, lockte der Kreis die seit Langem wild lebenden und mittlerweile herrenlosen Tiere in ein Gatter und hält sie dort nach eigener Auskunft seit Ende Januar gefangen.“

Die Wiederansiedlung sei damals eine „private Pionierleistung“ gewesen, so der BUND: „Die Initiative zur erfolgreichen Wiederansiedlung des Wisents war eine private Pionierleistung, die der staatliche Naturschutz selbst in den hierfür vorzusehenden Nationalparks bis heute nicht zustande bekommen hat. Es ist ein beispielloser Vorgang, dass Naturschutzbehörden, die dieses international bedeutsamste Naturschutzprojekt des Landes NRW zu Beginn unterstützt haben, dieses nun unter Missachtung der gesetzlichen Vorgaben mit Naturschutzgeldern sabotieren wollen“, kritisiert Sticht weiter.

Mit ihrem Verbiss und ihren Hufen stellen die Wildrinder ausgestorbene Ökosysteme wieder her, ihr Kot und ihre Kadaver begründen ganze Nahrungsnetze. Sie sind außerdem Motoren der Biotopvernetzung, spielen bei der Wiederausbreitung unzähliger anderer Arten eine zentrale Rolle.
BUND - in der Pressemitteilung über die Klage

Dabei sei der Wisent für die Biodiversität in den Wäldern wichtig - auch der von den Waldbauern so stark beklagte Verbiss - macht Holger Sticht, Landesvorsitzender des BUND, in der Pressemitteilung deutlich: „Die erfolgreiche Wiederansiedlung des Wisents ist in Zeiten der sich zuspitzenden Biodiversitätskrise ein Meilenstein für die Restauration unserer Ökosysteme. Deswegen sind die wild lebenden Tiere unverzüglich wieder freizulassen.“ Der auch in Nordrhein-Westfalen einst verbreitete und im Mittelalter ausgerottete Wisent (Bison bonasus) gelte als Schlüsselart für die biologische Vielfalt: „Mit ihrem Verbiss und ihren Hufen stellen die Wildrinder ausgestorbene Ökosysteme wieder her, ihr Kot und ihre Kadaver begründen ganze Nahrungsnetze. Sie sind außerdem Motoren der Biotopvernetzung, spielen bei der Wiederausbreitung unzähliger anderer Arten eine zentrale Rolle“, heißt es in der Pressemitteilung des BUND.

Doch nicht nur der Kreis gerät ins Fadenkreuz der BUND-Kritik, auch der derzeitige Naturschutzminister Oliver Krischer des Landes NRW wird beim Namen genannt: „Nun will ausgerechnet der aktuelle Naturschutzminister Oliver Krischer die Wiederansiedlung beenden und finanzierte das Fanggatter über 442.000 EUR aus dem Naturschutzhaushalt. Dabei hatte sein Ministerium die Wisente in 2019 als frei lebende Population der streng geschützten Art an das Bundesumweltministerium gemeldet, welches sie wiederum an die EU-Kommission meldete. Dort wird das Vorkommen nach wie vor gelistet“, geht es aus der Pressemitteilung des BUND hervor.

„Der aktuelle Konflikt besteht darin, dass eine bestimmte Klientel nicht akzeptieren will, dass die Wisente inzwischen wieder genauso wild lebend sind wie Amseln oder Wildkatzen. Und er besteht darin, dass sich der zuständige Minister aus seiner Verantwortung stehlen will, obwohl er zweifelsfrei für den Schutz der wilden Wisentpopulation verantwortlich ist und er hier nach fast zwei Jahren Ambitionslosigkeit endlich einmal liefern könnte“, analysiert Sticht abschließend.