Bad Berleburg. Ist das Wisent-Projekt kurz vor dem Ende? Politiker sehen eine Zukunft für das Artenschutzprojekt und äußern scharfe Kritik.

Die frei lebenden Wisente am Rothaarsteig - sie wurden zu einem europaweit einzigartigen Artenschutzprojekt einerseits und zu einem großen Streitthema andererseits. Gerichtliche Auseinandersetzungen mit klagenden Waldbauern, die Insolvenz des Trägervereins und die Suche nach einer Perspektive mittels Rundem Tisch überschatten das Wisent-Projekt. Vor wenigen Tagen dann die nächste Nachricht: Nach der Kündigung des Vertrages durch den Grundstückseigentümer fehlt künftig der Lebensraum für die Wisente. Die Voraussetzungen für eine Rettung des Projekts haben sich also verschlechtert, doch die Diskussion geht weiter. Es gibt Pro und Kontra - und scharfe Kritik.

Aktuell befinden sich die 40 Tiere in einem rund 25 Hektar großen Managementgatter, sodass die Freisetzungsphase zurzeit beendet ist. Zudem hatte der Kreis Siegen-Wittgenstein als Teil des öffentlich-rechtlichen Vertrages, der ursprünglich zwischen dem Kreis, der Bezirksregierung Arnsberg, dem Landesbetrieb Wald und Holz, dem Wisent-Trägerverein und der Rentkammer geschlossen wurde, vor wenigen Tagen eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der unter anderem von der Kündigung des Grundstückseigentümers die Rede war.

Wir haben nicht mitgeteilt, dass das Projekt in sechs Monaten zu beenden ist. Dies könnte für den Fall, dass keine anderen Regelungen gefunden werden, die unausweichliche Rechtsfolge sein, aber derzeit sind die genannten Vertragspartner gemeinsam um alternative Lösungen bemüht.
Torsten Manges - Pressesprecher beim Kreis Siegen-Wittgenstein

Dies sorgte erneut für Diskussionen. Denn: Nach den Regelungen des Vertrages führe die Kündigung dazu, dass das Projekt innerhalb von sechs Monaten abgewickelt werden müsse, es sei denn „die Vertragsparteien treffen einvernehmlich andere Regelungen“. Wie Torsten Manges, Pressesprecher beim Kreis Siegen-Wittgenstein, berichtet, „laufen die Diskussionen zwischen den Vertragsparteien derzeit“. Jedoch habe man „nicht mitgeteilt, dass das Projekt in sechs Monaten zu beenden ist. Dies könnte für den Fall, dass keine anderen Regelungen gefunden werden, die unausweichliche Rechtsfolge sein.“ Derzeit aber sei man um alternative Lösungen bemüht, heißt es.

Seit Jahren gibt es Diskussionen rund um die frei lebenden Wisente.
Seit Jahren gibt es Diskussionen rund um die frei lebenden Wisente. © Rita Maurer | Rita Maurer

Kritik aus der Politik

Heftige Kritik gibt es indes von den Grünen aus Bad Berleburg. Sie werfen der Kreisverwaltung Täuschung und Halbwahrheiten vor. Konkret heißt es in einer Stellungnahme, dass die Kreisverwaltung, „entgegen der Beschlussfassung des Kreistages, mit allen Mitteln das Projekt auf kaltem Wege so schnell wie möglich beenden“ wolle. Dabei gehen die Grünen ins Detail: Zum einen habe die Kreisverwaltung „behauptet, dass das errichtete Gatter zum Herdenmanagement so vom Runden Tisch empfohlen worden sei“. „Das ist falsch. Das vom Runden Tisch empfohlene Managementgatter ist keinesfalls zum Daueraufenthalt der Tiere geeignet, dafür ist die Fläche viel zu klein und der Zugang zum Wasser fehlt“, wird Meike Menn, Mitglied des Runden Tisches, in der Stellungnahme zitiert. Vielmehr habe der Runde Tisch empfohlen, das Freisetzungsprojekt fortzusetzen, die Herde auf maximal 25 Tiere zu reduzieren und dafür die nötigen Managementmaßnahmen zu realisieren. „An das Gatter sollten die Tiere mit offenen Toren und Lockfütterung gewöhnt werden, die Tore also nur für die konkreten Maßnahmen für kurze Zeit geschlossen werden.“

Zudem habe der runde Tisch eine Stiftung sowie eine Übergangsprojektstruktur zum Beispiel unter Beteiligung des Kölner Zoos empfohlen. „Bis heute sind jedenfalls öffentlich keine Anstrengungen der Kreisverwaltung erkennbar, diese aufzubauen und die nötige Absicherung durch das Land sicherzustellen“, heißt es. Zudem diskreditiere die Kreisverwaltung in ihrer Stellungnahme den ehrenamtlich tätigen bisherigen und insolventen Trägerverein, indem sie fehlende Mitwirkung und Verantwortung unterstelle. „Dabei verschweigt sie, dass sie den Trägerverein schon seit über einem Jahr mit Ordnungsverfügungen, Androhung von Zwangsgeldern und Ersatzvornahmen und Bescheiden zur Zahlungsaufforderung in fünfstelliger Höhe überzieht“, so Susanne Bald, Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bad Berleburger Stadtrat.

Dabei verschweigt sie, dass sie den Trägerverein schon seit über einem Jahr mit Ordnungsverfügungen, Androhung von Zwangsgeldern und Ersatzvornahmen und Bescheiden zur Zahlungsaufforderung in fünfstelliger Höhe überzieht.
Susanne Bald - Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bad Berleburger Stadtrat

Damit nicht genug: Kritik gibt es auch hinsichtlich der Vertragskündigung durch den Grundstückseigentümer. Es werde verschwiegen, „dass der öffentlich-rechtliche Vertrag in Paragraph 10 eine einvernehmliche Erklärung aller Vertragsparteien, dass das Projekt gescheitert sei, als Voraussetzung zur Beendigung und Abwicklung vorsieht“, so die Grünen. Zudem sei in Paragraph 8 eine Koordinierungsgruppe vorgesehen, die einvernehmlich die erforderlichen Beendigungsmaßnahmen beschließe. Beides liege nicht vor. Auch sei fraglich, ob der Grundstückseigentümer nach Paragraph 11 den Vertrag rechtmäßig gekündigt habe, „beziehungsweise ob die Kreisverwaltung dies unabhängig rechtlich hat überprüfen lassen“.

Schwierige Bedingungen

Wie Torsten Manges erklärt, sei es zwar „richtig, dass in den Paragraphen 8 und 10 des Vertrages Regelungen getroffen wurden, in welcher Art und Weise Entscheidungen über die Fortführung oder die Beendigung des Freisetzungsprojektes durch die Koordinierungsgruppe oder im Einvernehmen aller Vertragsparteien herbeigeführt werden können. Daneben sieht Paragraph 11 aber ausdrücklich für jede Vertragspartei das Recht vor, den Vertrag unter bestimmten Rahmenbedingungen zu kündigen“. Es sei zwischen den verbliebenen Vertragsparteien unstrittig, „dass diese Rahmenbedingungen vorliegen“. „Die Koordinierungsgruppe oder andere Dritte, die nicht Vertragspartei sind, können dieser Kündigung auch nicht widersprechen.“

Es sei eine komplexe Situation, die „aber nichts an den Beschlüssen des Kreistages und den damit dem Landrat erteilten Auftrag ändert“, so Manges. Dazu gehöre die Errichtung des Managementgatters und die Entwicklung von Möglichkeiten zur Verkleinerung der Herde, an der derzeit gearbeitet werde - wie auch am Aufbau einer neuen Projektträgerkonstruktion. Die Rahmenbedingungen zur Gewinnung neuer Partner habe sich jedoch weiter verschlechtert und es könne derzeit noch nicht in Aussicht gestellt werden, einen neuen Projektträger zu finden oder die benötigte Finanzausstattung einwerben zu können.

FDP fordert das Land NRW zum Handeln auf

Dass sich die Situation rund um die frei laufende Wisentherde zuspitzt, weiß auch Guido Müller, Fraktionsvorsitzender der FDP Siegen-Wittgenstein. „Und das ist sogar eine gute Entwicklung. Denn es wird Zeit, den Umweltminister zum Handeln zu zwingen“, so Müller. Die Kreisverwaltung weise zurecht darauf hin, dass der Kreistag die politische Forderung zu einem Herdenmanagement verabschiedet hat. „Die Insolvenz des Trägervereins wird in absehbarer Zeit abgeschlossen sein, spätestens dann ist die Wisentherde im Besitz des Landes NRW.“ Es werde folglich Aufgabe der Landesregierung sein, die Freisetzungsphase zum Abschluss zu bringen. Dass das Herdenmanagement eine schwierige Aufgabe sei, sei nicht von der Hand zu weisen. „Es wird aber dann das Problem des Landes sein“, so Müller.

Die Zeit spiele nach seiner Auffassung für die Wisente, deren besonderer Schutzstatus ein elementarer Trumpf sei. „Die Herde darf nicht geschossen und auch nicht dauerhaft in ein Gatter gesperrt werden und die Aufnahme in anderen Reservaten ist ein langwieriger Prozess und wird nur für einige wenige Tiere möglich sein. Was wird daher anderes übrigbleiben, als die Herrenlosigkeit endlich festzustellen? Hoffen wir, dass der aktuelle Umweltminister endlich zum Handeln gezwungen wird.“

Die Herde darf nicht geschossen und auch nicht dauerhaft in ein Gatter gesperrt werden und die Aufnahme in anderen Reservaten ist ein langwieriger Prozess und wird nur für einige wenige Tiere möglich sein. Was wird daher anderes übrigbleiben, als die Herrenlosigkeit endlich festzustellen? Hoffen wir, dass der aktuelle Umweltminister endlich zum Handeln gezwungen wird.
Guido Müller - Fraktionsvorsitzender der FDP Siegen-Wittgenstein

Und was sagt das Land NRW zum Sachverhalt? „Bei dem Wisent-Projekt im Rothaargebirge handelt es sich um ein von einem privaten Verein initiiertes und getragenes Projekt. Derzeit werden von den beteiligten Akteurinnen und Akteuren vor Ort die offenen rechtlichen, finanziellen und artenschutzfachlichen Fragen geklärt“, so Frank Seidlitz, Pressesprecher des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr in wenigen Worten.

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