Bad Berleburg. Untersuchungsergebnis zeigt, wo und warum es in der Bad Berleburger Kernstadt zu laut ist und wei viele Haushalte betroffen sind.
Die Ergebnisse einer Untersuchung, die der Experte am Dienstagabend im Bad Berleburger Bauausschuss vorstellte, sind eindeutig: In Bad Berleburg gibt es einen Bereich, in dem rund 500 Menschen durch dauerhaften Lärm in einem langfristig gesundheitsgefährdenden Maß betroffen sind.
Die Kernstadt ist entlang der Bundesstraße 480 in der Ederstraße - von der Einmündung des Stöppelsweges an, der Poststraße und der Astenbergstraße bis hoch zur Heiderbrücke vor Wemlighausen - ein roter Strich auf den Lärmkarten.
Hintergrund des Plans
„Hohe Lautstärke hat ein Potenzial zu stören und zu dauerhaften gesundheitlichen Schäden zu führen“, erläutert Dennis Jaquet den Hintergrund des sogenannten Lärmaktionsplanes. Diese Gutachten sind durch EU-Recht klar und streng einheitlich geregelt. In Deutschland beispielsweise durch das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG). Untersucht werden vor allem Hauptverkehrsstraßen und Haupteisenbahnstrecken. Länder und Kommunen müssen sie aufstellen und bekommen am Ende Handlungsempfehlungen, wie man die Bürger vor dem gesundheitsgefährdenden Lärm schützen kann.
In Bad Berleburg war schnell klar, dass die Bundesstraße in der Ortsdurchfahrt Bad Berleburg das Problem ist. Die Planersocietät aus Dortmund griff bei ihren Untersuchungen auf Daten des Landesamtes für Umwelt- und Verbraucherschutz NRW zurück. Einheitliche Berechnungsmodelle führten dann zu den gefährdeten Bereichen. Außerdem wurde den Bürgern im Januar Gelegenheit gegeben, sich am Lärmaktionsplan mit ihren Beobachtungen und Vorschlägen zu beteiligen. Die Beteiligung fand vom 19. Januar bis zum 2. Februar 2024 statt und die Anregungen flossen in die Bewertung mit ein.
Ab wann ist Lärm gefährlich
Kritisch und lange Zeit unterschätzt worden sind insbesondere die dauerhaft wirkenden Lärmbelastungen, z. B. durch den Straßenverkehr. Vorbeifahrende Pkw erreichen Werte zwischen 55 und 75 dB(A), was u. a. abhängig von der Fahrgeschwindigkeit, dem Motor und der Straßenoberfläche ist. Die Lärmpegel durch Lkw und Motorräder liegen meist darüber.
Zum Vergleich: Starker Straßenverkehr erzeugt etwa 80 dB. Ein schwerer Lastwagen sogar 90 dB. Das ist in etwa auch der Wert, der in einer Fabrikhalle gemessen wird. In einem Büro herrschen 60 dB und ein normales Gespräch hat 50 dB. Leise Geräusche sind ein Uhrenticken (20 dB) oder ein Flüstern (30dB). Entscheidend sind aber dauerhafte Werte, also ein Geräuschpegel, der in dB(A) angezeigt wird. Im Übrigen: eine Zunahme um 10 dB(A) entspricht in der menschlichen Wahrnehmung einer Verdopplung.
Ab ca. 40 dB(A) kann es bereits zu Konzentrationsstörungen kommen, Hörschäden können bei dauerhafter Beschallung ab 60 dB(A) entstehen. Bei längerer Aussetzung von Lärmpegeln ab 65 dB(A) wurde ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen nachgewiesen. Bei nur kurzer Einwirkung von 120 dB(A) können bleibende Hörschäden entstehen – reflexartig halten wir uns die Ohren zu.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) benennt daher Auslösewerte, also Lautstärken, ab denen man schützende Vorkehrungen treffen sollte, von dauerhaft 53 dB(A) tagsüber (24h-Mittelungspegel) und 45 dB(A) nachts.
Das Umweltbundesamt schlägt zur Vermeidung von Gesundheitsgefährdungen als Auslösekriterien einer Lärmaktionsplanung 65 dB(A) tagsüber und 55 dB(A) nachts vor. Mittelfristig wird zur Minderung der erheblichen Belästigung ein Tageswert von 60 dB(A) bzw. Nachtwert von 50 dB(A), langfristig 55 dB(A) tagsüber bzw. 45 dB(A) nachts angestrebt.
Die Einwendungen waren eindeutig: Es gab die Forderung nach Tempo 30 auf der Poststraße, ein Nachtfahrverbot für Lastwagen oder konkrete Hinweise, einzelne defekte Schachtdeckel auszutauschen, bilanzierte Jaquet.
Die stärkste Belastung
Am stärksten belastet sind laut Bürgerbefragung die Bereiche Ederstraße und Poststraße von der Einmündung der Emil-Wolff-Straße bis zum Nordkreisel. Als „mittel“ wird die Belastung der Ederstraße ab der Einmündung Stöppelsweg bis zur Einmündung Emil-Wolff-Straße klassifiziert. Die Astenbergstraße stadtauswärts Richtung Wemlighausen wird vom Nordkreisel bis zur Einmündung Reifelsbach als „gering“ gesehen. Das weicht etwas von der Einschätzung des Lärmaktionsplanes ab. Die Ursache könnten in der geringen Besiedlung des Bereiches einerseits liegen. Für eine Belastung aber spricht die Beschleunigung und höhere Geschwindigkeit der Fahrzeuge außerorts.
Neben Tempolimits gibt es auch weitere Möglichkeiten, Umgebungslärm durch Straßenverkehr zu verringern. Dazu zählt vor allem die Erneuerung der Deckschicht der Straße mit lärmoptimiertem Asphalt. Oder die Verlagerung von Schwerlastverkehr. Sie alle wurden in einzelnen Planquadraten in Steckbriefen zusammengefasst.
Jaquet und die Planersocietät haben die Effekte und Kosten zusammengefasst: „Die geschätzten Kosten für alle in den Steckbriefen benannten Maßnahmen betragen gemäß einer ersten Grobabschätzung insgesamt rund 500.000 Euro. Davon entfällt der größte Teil allerdings auf den Einbau lärmoptimiertem Asphalt. Die Kosten sind zudem von übergeordneten Baulastträgern zu tragen. Nur Maßnahmen im Seitenraum müsste von der Stadt Bad Berleburg allein getragen werden. Auch eventuelle Fördermöglichkeiten sind dabei noch nicht mit eingeplant. Durch die Maßnahmen würde rd. 700 Menschen geholfen, die heute über die Beurteilungspegel hinaus belastet sind. Überschlägig könnten sie um mind. 2-3 dB (bei Umsetzung der jeweils stärksten Maßnahmen) entlastet werden. [...] Die wirksamsten Maßnahmen werden dabei neben dem Einbau von lärmoptimierten Asphalt-Geschwindigkeitsreduktionen darstellen. Dies wird zusätzlich positiven Einfluss auf die Verkehrssicherheit und den Ausstoß von luft- und klimaschädlichen Emissionen haben. Im Vergleich zum Einbau von neuen Asphaltdecken verursacht die Maßnahme der Geschwindigkeitsreduktion zudem kaum Kosten.“
Noch ist der Lärmaktionsplan nicht fertiggestellt und in der Überarbeitung. Als nächstes erfolgt eine erneute Offenlegung, bei der die Bevölkerung Gelegenheit hat, erneut Kommentierungen einfließen zu lassen. Im April oder Juni wird er erneut der Politik und Verwaltung vorgelegt. Dann muss er verabschiedet werden, um rechtzeitig an Land und EU weitergemeldet zu werden.
Nun aber kommt ein Haken: „Die Maßnahmen stehen unter einem Prüfvorbehalt“, erläutert Dennis Jaquet von der Planersocietät eines der Hauptprobleme. Übersetzt heißt das: Es gibt keine Garantie auf Umsetzung. Das liegt vor allem daran, dass die Stadt Bad Berleburg nicht Straßenbaulastträger der Bundesstraße ist, sondern der Landesbetrieb Straßen.NRW. Der müsste Planer und Geld für die Umsetzung stellen.
Das sagt die Politik
Susanne Bald (Bündnis90/Die Grünen) begrüßt den Bericht, weil Tempo 30 innerorts ein „Steckenpferd“ der Grünen ist. „Das hat gute Effekte für die Betroffenen, nicht nur wegen der Dezibel, sondern auch wegen des Sicherheitsempfindens“. Werner Wegener (CDU) betont bei der Diskussion: „Wir sollten den Schwerpunkt auf Sicherheit und Aufenthaltsqualität in der Stadt legen.“ Wegener vermied zunächst das Thema Tempo 30, unterstreicht aber: „Wir müssen Maßnahmen ergreifen“. Das Problem sieht er darin, dass Geld und Manpower in ein Projekt geflossen sei, dessen „Umsetzung mit Fragezeichen versehen“ ist. Bernd Weide (SPD) macht klar: „Wir haben keinen Handlungsspielraum“, weil letztlich der Straßenbaulastträger entscheide. Und zu Tempo 30 sagt Weide, dass man in der Hauptverkehrszeit in der Stadt ohnehin nicht schneller fahren könne. Mit Bezug auf das Thema Tempolimit erinnert Weide daran, dass man auch über die Sicherheit von Radfahrern in der Stadt sprechen müsse. Horst-Günter Linde (UWG) sagt kurz und knapp: „Tempo 30 kann ich nichts abgewinnen“ Er betont, dass durch die Windkraft noch mehr Lärm - auch in den Rückzugsräumen im Wald - dazu kommen werde.