Berghausen/Bochum. Amani Chalghoumi aus Berghausen ist eine der ersten Hebammen-Studentinnen. Sie räumt mit Vorurteilen gegenüber dem Studium auf.
Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr in der Geburtshilfe stand für Amani Chalghoumi aus Berghausen fest: „Das ist das, was ich gerne machen will.“ Der damaligen Abiturientin war bereits vorher klar gewesen, dass es beruflich in den medizinischen und sozialen Bereich gehen soll. „Die Hebamme vereint alles“, sagt die nun 22-Jährige. Im Herbst 2020 war sie eine der ersten Hebammen, die ein Studium an der Hochschule für Gesundheit in Bochum angefangen haben. Der Studiengang Hebammenkunde ist ein Modellstudiengang. Eine gesetzliche Änderung sorgte dafür, dass das Studium nach und nach die Ausbildung an Hebammenschulen ersetzen soll. Amani Chalghoumi war es damals egal, ob sie die Ausbildung an einer Schule oder an der Hochschule macht: „Ich wollte Hebamme werden, egal wie.“ Deswegen bewarb sie sich auf beides und bekam letztendlichen den Studienplatz. Aktuell macht sie ihre Abschlussprüfung – das Staatsexamen. Danach folgt noch ein Semester für die Bachelorarbeit, dann hat sie ihren Bachelorabschluss in Hebammenkunde.
Ein Vorteil des Studienganges: Es gibt mehr Plätze. „An den Schulen werden oft nur 30 Plätze vergeben, darauf kommen 300 Bewerber. Im Studiengang werden 60 bis 70 Bewerber genommen. Und es gibt mehr Standorte, um zu studieren“, sagt die Berghäuserin. Für das Studium brauchen Interessierte nun aber das Abitur oder Fachabitur. „Damit wird der Zugang für manche schwieriger.“
Praxisanteil ist im Studium und in der Ausbildung gleich
Ein häufig genannter Kritikpunkt beim Hebammenstudium ist, dass mehr Theorie, aber weniger Praxis vorkomme. Dem widerspricht die Studentin: „Es stimmt nicht, dass es nicht so praktisch ist. Wir haben den gleichen Anteil an Praxisstunden wie in der Ausbildung – es sind um die 3000 Stunden. Sie sind nur anders aufgeteilt.“ Während sich in der Ausbildung meist Blockunterricht und Praxis abwechseln, gibt es über die Studienzeit verteilt praktische Einsätze. „Es gibt Praxiseinheiten, die sind ein halbes Jahr lang, andere Einsätze nur drei oder vier Wochen.“ Die Einsatzbereiche sind aber gleich: „Wir sind im Kreißsaal und im Wochenbett tätig, haben eine gynäkologisch-operative Station und einen OP-Einsatz. Dazu wahlweise Vor- und Nachsorge, Hausgeburten oder Auslandseinsätze.“ Die 22-Jährige entschied sich in ihrem Studium für Hausgeburten und einen fünfwöchigen Auslandseinsatz in Malawi. Außerdem gehört ein Einsatz in einer Kinderklinik mit Neugeborenen-Intensiv-Station zur Ausbildung.
Für die Studentin aus Berghausen, die mittlerweile in Bochum wohnt, überwiegen die Vorteile des Studiengangs: „Das Studium gibt dem Hebammenberuf mehr Chancen. Das Berufsbild ist immer wieder im Wandel. Wir lernen wissenschaftliches Arbeiten, das ist hilfreich für den Hebammenberuf.“ Als eine der ersten Hebammenstudentin in den Praxiseinheiten, hatte Amani Chalghoumi mit einigen Vorurteilen zu kämpfen. „Ich habe schon gemerkt, dass einige ältere Hebammen einen Unterschied zwischen den Auszubildenden und den Studenten gemacht haben. Sie befürchteten, wir wissen weniger. Ich sehe aber keine Probleme mit dem Studium“. In den Praxiseinheiten werde auch oft ein Machtgefälle zwischen Ärzten und Hebammen oder Pflegern deutlich, berichtet die Studentin. „Das wird ausgehebelt dadurch, dass Hebammen auch einen Studienabschluss haben“, so Chalghoumi.
Mehr Chancen für Hebammen durch ein Studium
„Ich sehe im Studium eine Chance. Mit einem Bachelor kann man auch noch einen Master machen – im sozialen oder pädagogischen Bereich – und sich so noch breiter aufstellen“, sagt die 22-Jährige. Denn Hebammen können auch in der Lehre und Forschung arbeiten oder als Sexualpädagogin in Beratungsstellen. „Die Frage ist immer, wo man hin möchte. Möglichkeiten gibt es viele.“
Der Modellstudiengang Hebammenkunde wurde mittlerweile überarbeitetet und wird nun unter Hebammenwissenschaft als ein dualer Studiengang angeboten. „Hebammenkunde ist sowohl primär- als auch nach-qualifizierend, das heißt auch ausgebildete Hebammen können ihren Bachelor machen“, sagt die Berghäuserin. Dieses Angebot nutzen auch einige Hebammen. „Ich habe auch Ü-50 Kollegen, die noch studiert haben“, sagt Andrea Winter, Hebamme aus Bad Berleburg. Examinierte Hebammen können den Studiengang in vier, anstatt in sechs Semestern machen. „Der Anspruch an den Beruf ist gestiegen. Für das wissenschaftliche Arbeiten oder zum Datendurchforschen ist das Wissen aus dem Studiengang gut. Ich hoffe, dass die praktische Ausbildung einen hohen Stellenwert behält“, sagt Winter, die auch Kreisvorsitzende des Hebammenverbandes Siegen-Wittgenstein und Olpe ist. Mittlerweile schließen viele Hebammenschulen, die letzten Ausbildungsjahrgänge machen ihre Abschlüsse. „Die Hebammenschule in Marburg schließt, jetzt geht es nur noch an der Uni Gießen“, sagt Winter. Aber durch die höhere Anzahl an Studienplätzen gibt es auch mehr Absolventen: „Es waren sonst 150 Hebammen, die in NRW ausgebildet wurden. Jetzt sind 450 mit ihrem Bachelor fertig“, so Winter.
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Im Sommer hat auch Amani Chalghoumi ihren Bachelorabschluss in der Tasche, dann wird sie in Bochum in einem Kreißsaal arbeiten. „Hier finden auch Hebammen-geleitete Geburten statt.“ In der Zukunft möchte die Berghäuserin gerne nochmal ins Ausland gehen – „ohne Zeitbegrenzung“, wie sie sagt. „Der Hebammenberuf ist sehr wertvoll für Frauen und Familien“, deswegen möchte sie erstmal im Kreißsaal Frauen begleiten.