Wittgenstein. Zwei Wittgensteiner Hebammen berichten aus ihrem Alltag. Die Beruf verändert sich - das bietet neue Chancen aber auch Herausforderungen

Viele Frauen wünschen sich im Zuge ihrer Schwangerschaft die Unterstützung einer Hebamme, die ihnen bei allen Fragen rund ums Kind und den eigenen Körper fachkundig zur Seite steht. Aber wie früh sollten sich werdende Mütter um eine Hebamme kümmern? Und wie gut ist Wittgenstein in der Gesundheitsversorgung für Schwangere aufgestellt?

Petra Walczok (52) aus Bad Laasphe ist Hebamme und arbeitet seit über 20 Jahren in der Vamed-Klinik Bad Berleburg. Auf der Entbindungsstation aktiv ist sie in einem Team mit neuen weiteren Hebammen. Bei ihren Zwölf-Stunden-Diensten betreuen die Hebammen schwangere Frauen, die entbinden wollen oder bereits entbunden haben. „Wir begleiten die Mütter vor und während der Geburt“, sagt Walczok. „Und auch danach sind wir zur Stelle.“ Die Hebammen helfen beim Nachwuchs und kümmern sich um die Belange der Mütter, denn „all das gehört zu unserem Job“. Die Kreißsaal-Leiterin arbeitet Vollzeit in der Klinik.

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Im Hebammen-Team gibt es aber auch Teilzeitkräfte – wie beispielsweise die freiberufliche Hebamme Carola Friedrich (45). Sie kommt aus Bad Berleburg und ist seit 20 Jahren in der Geburtshilfe tätig. Auf der Entbindungsstation hat Friedrich eine halbe Stelle mit festen Diensten. Sie arbeitet darüber hinaus auf freiberuflich selbstständiger Basis in der angeschlossenen Elternschule, wo sie verschiede Kurse zur Geburtsvorbereitung oder Rückbildung wie auch Babymassagen betreut. Außerdem besucht sie im Rahmen ihrer Freiberuflichkeit die Familien zur Vor- und Nachsorge zu Hause. „Ich berate die Mütter im Vorfeld und helfe den Frauen unter anderem bei Schwangerschaftsbeschwerden oder im Wochenbett.“

Die Versorgung

Bekommt denn jede Schwangere in Wittgenstein, die das gerne möchte, eine Hebamme? Selbstständige Hebammen könne immer nur ein gewisses Kontingent an Patientinnen annehmen, um für jede Frau ausreichend betreuen zu können. „Sonst leidet die Qualität meiner Arbeit“, erklärt Friedrich. Aber den werdenden Müttern im Altkreis stehe eine gute Versorgung zur Verfügung. „Wir haben hier keinen Mangel an Hebammen“, sagt Walczok. „Wenn wir hier im Krankenhaus mitbekommen, dass eine Frau noch keine Hebamme hat, versuchen wir sie zu vermitteln.“ Die Hebammen in Wittgenstein seien eng miteinander vernetzt und verträten sich gegenseitig, damit die Frauen gut versorgt seien und immer einen Ansprechpartner hätten. Friedrich nimmt beispielsweise auch kurzfristig noch Patientinnen an.

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Und wie lange vor der Geburt müssen sich Schwangere um eine Hebamme kümmern? Die freiberufliche Hebamme rät: „Die Frauen sollten sich am besten schon am Anfang der Schwangerschaft bei uns melden und nicht zu lange warten.“ Petra Walczok teilt diese Ansicht: „Ich würde schon sagen, man sollte sich spätestens in der 20. Woche um eine Hebamme kümmern, damit sie ihr Kursangebot und ihre Patientinnen miteinander abstimmen kann.“ Friedrich hingegen empfiehlt werdenden Müttern, bereits bis zur 10. Schwangerschaftswoche bei ihrer Wunsch-Hebamme anzufragen. Das gebe den Hebammen mehr Planungssicherheit.

Je später sich die Schwangere um eine Hebamme kümmere, desto größer könne der Aufwand werden, eine zu bekommen. Gerade wenn in den Ferienzeiten Bedarf sei, könne es vorkommen, dass freiberufliche Hebammen vermehrt mit ihrer eigenen Familie im Urlaub seien. „Da kann es dann schon mal eng werden“, warnt Friedrich. Frauen, die sich erst sehr spät gekümmert hätten, seien dann im Nachteil. Außerdem rät die Friedrich den Frauen, sich vorher zu erkundigen und zu überlegen, welche Hilfe sie brauchen. Die Versorgung könne individuell abgesprochen und je nach Bedarf angepasst werden.

Die Betreuung

Das Einzugsgebiet der Hebammen aus Wittgenstein erstreckt sich hauptsächlich über Bad Berleburg, Bad Laasphe und Erndtebrück. Aber auch Frauen aus dem Sauerland und Hessen kämen für ihre Geburt auf die Entbindungsstation nach Bad Berleburg. Das Problem: Die häusliche Versorgung reiche nicht bis dorthin. „Es ist uns unmöglich, die Frauen von weiter weg zu Hause zu versorgen“, so Walczok. Caroline Friedrich fährt von Beddelhausen, Girkhausen und Sassenhausen quer durch Wittgenstein zu den Müttern nach Hause. Sie macht überwiegend zwischen Erndtebrück und Bad Berleburg Hausbesuche. „Das ist von der Erreichbarkeit, Ressourcennutzung und Wirtschaftlichkeit her einfach sinnvoller, gerade im Hinblick auf die aktuellen Spritpreise.“

Die Wertschätzung

Der Beruf der Hebamme sei besonders wichtig, da sie die Einzigen seien, die Geburtshilfe leisten könnten. „Hebammen sind der Start ins Leben. Es gibt keinen anderen, der das sonst machen kann“, so die Kreißsaal-Leiterin. Das seien Gefühle und Einschätzungen, die man erst im Umgang mit den Schwangeren und ihren Kindern erlerne. Denn jede Geburt sei anders: „Es kommt auf das innere Gespür von uns Hebammen an. Wir müssen schnell und individuell handeln können.“ Friedrich weiß, dass Frauen ihre Unterstützung am Start in ihr neues Familienleben sehr schätzen. „Ein guter Start ist total wichtig für alle Familienmitglieder, aber vor allem für die frisch gebackenen Mütter.“ Immer wenn sich ein Leben im Umbruch befinde, brauche es jemanden, der unterstützend zur Seite steht. Das Einfühlsame in Kombination mit dem großen Fachwissen sei für die werdenden Mütter außerordentlich wichtig. „Man gibt jeden Tag alles, bekommt von den Familien aber auch ganz viel zurück“, erzählt Friedrich.

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Infolge der Pandemie hatten die Mütter viel mehr Zeit für sich und ihr Kind. „Aufgrund der Schutzmaßnahmen gab es weniger Besuche von Familie und Freunden direkt nach der Geburt in der Klinik“, berichtet Friedrich. Die Frauen seien dadurch noch im Krankenhaus mehr zur Ruhe gekommen und hatten Zeit, in sich hineinzuhorchen. Auf der Entbindungsstation in Bad Berleburg haben die Hebammen bereits einige Schwangere mit Corona betreut. Ihre Geburten seien problemlos verlaufen.

Allerdings hätten vielen Schwangeren die Kurse gefehlt: Vorbereitungs-, Rückbildungs- oder Nachsorgekurse waren längere Zeit nur eingeschränkt möglich. Und auch der Austausch zwischen den Schwangeren untereinander war nicht gegeben, da das Stillcafé ebenfalls für längere Zeit geschlossen war. Aktuell laufe das Kursangebot aber langsam wieder an – und auch das Café habe wieder geöffnet.

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Die Entbindungsstation in Bad Berleburg

Die Hebammen auf der Entbindungsstation in Bad Berleburg unterstützen jedes Jahr bei der Geburt von etwa 270 Kindern. Die Klinikleitung will auch in Zukunft an der Entbindungsstation festhalten.

Die angegliederte Elternschule bietet verschiedene Kurse zur Geburtsvorbereitung, Rückbildung sowie Babymassage an. Außerdem gibt es ein Still-Café für die Mütter. Mit den Müttern und Kindern ihres nächsten Kurses möchte Carola Friedrich auch wieder in den Wald. Das Angebot umfasst Nordic Walking mit Baby und Gymnastik an der frischen Luft.

Eine gewisse Anzahl an Termin zur Vor- und Nachsorge übernehmen die Krankenkassen. Die Hebammen empfehlen Schwangeren, diese Leistung in Anspruch zu nehmen.

Auf der Entbindung gibt es auch die Chance, ein Praktikum zu machen, um in den Alltag einer Hebamme reinzuschnuppern.


Das Berufsfeld im Wandel

Seit Anfang 2020 gilt in Deutschland: Wer Hebamme werden möchte, muss zukünftig studieren. Hebammen leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur gesundheitlichen Versorgung von Frauen. Der Berufszweig verändert sich gerade. Mithilfe einer Reform des Hebammengesetzes wird die Ausbildung durch ein duales Studium ersetzt: Die neue Ausbildungsform verbindet ein wissenschaftliches Studium mit einer beruflichen Ausbildung. Die Standards werden so europaweit anglichen. Das Studium hat einen hohen Praxisanteil und zeichnet sich durch eine enge Verzahnung von Theorie und Praxis aus.

Walzcok befürwortet den hohen praktische Bezug in dem neuen Studium. Allerdings besorgt sie, dass durch die Umstellung, die viele handwerkliche Fähigkeiten verloren gehen könnten. „Dafür müssen auch Dinge, die nicht in den Büchern stehen, weitergegeben werden.“ Auch Friedrich hält es für wichtig, dass die jüngere mit den älteren Kolleginnen im Austausch bleiben. Damit neben dem Studieren die Empathie und Erfahrungswerte nicht auf der Strecke bleiben. Um das alte Handwerk richtig zu erlernen seien praktische Einsätze wichtig. Die freiberufliche Hebamme ist gespannt, was da in den nächsten Jahren in ihrem beruflichen Umfeld passiere. „In Zukunft werden wir noch breiter aufgestellt sein: Auf der einen Seite die älteren Hebammen in den Kreißsälen mit Erfahrungsschatz und auf der anderen Seite die jungen Kolleginnen, die jetzt studieren.“

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„Das Berufsfeld ist im Wandel und das ist gut so“, betont Walczok. Denn für die ganzen Neuerungen, die aktuell in der Geburtshilfe aufkommen, brauche es Hebammen, die forschen können. Friedrich teilt diese Meinung: „Ich finde es gut, dass unsere Berufsausbildung europaweit nun angeglichen wird. Ich glaube, es hebt den Beruf der Hebamme auf eine andere Stufe.“ Sie hofft, dass die kleinen Krankenhäuser im ländlichen Raum trotz Studium für die studierten Kolleginnen attraktiv bleiben. „Unsere Tätigkeit ist auf Nachwuchs angewiesen“, erklärt sie. Denn sonst könnte ein Mangel für Schwangere in kleineren Kommunen auf dem Land entstehen.