Bad Berleburg. Wir erläutern, wer ihn erfunden hat, warum sich die SPD in Bad Berleburg ärgert und wer diese Marke jetzt geklaut hat.

So ein bisschen klingt es nach der Frage aus der Werbung: „Wer hat’s erfunden?“ Doch in diesem Fall dreht es sich nicht um Schweizer Kräuterbonbons, sondern um einen griffigen Slogan, der sich verselbständigt hat – oder sollten wir sagen, Karriere im allgemeinen Sprachgebrauch gemacht hat: „Bad Berleburg – Stadt der Dörfer“. Über die Entstehungsgeschichte, einen lange schwelenden politischen Streit und eine gut gemachte Bad Laaspher Kopie.

Mit diesem Logo warb der CDU-Stadtverband Bad Berleburg im Wahlkampf 2014 um Stimmen.
Mit diesem Logo warb der CDU-Stadtverband Bad Berleburg im Wahlkampf 2014 um Stimmen. © CDU Bad Berleburg | CDU Bad Berleburg

Die Bad Berleburger SPD stört sich zunehmend an dem Schlagwort. Das geht aus einer Anfrage der Fraktionsvorsitzenden Iris Gerstmann an die Stadtverwaltung hervor. Die formuliert dort: „Sehr geehrter Herr Bürgermeister Fuhrmann, seit geraumer Zeit taucht in Verlautbarungen der Stadt Bad Berleburg sehr oft der Slogan ‚Bad Berleburg - Stadt der Dörfer‘ oder ‚Unserer Stadt der Dörfer‘ auf. Besonders in den sogenannten Sozialen Medien wird dieser Leitsatz von Seiten der Verwaltung nach unserem Eindruck inzwischen inflationär benutzt und offenbar, wo immer möglich, in alle offiziellen Mitteilungen irgendwie eingebaut.“ Gerstmann will nun wissen, wer der Urheber dieses Slogans sei und „wann und durch welches Gremium wurde beschlossen, diesen Leitsatz für offizielle bzw. öffentliche Mitteilungen und Verlautbarungen der Stadt Bad Berleburg zu nutzen?“

Die Stadt Bad Berleburg verwies gegenüber der Redaktion darauf, dass man die Anfrage in der Plenarwoche beantworten werde und einer Diskussion in den politischen Gremien nicht vorgreifen werde.

Wir leben hier in einer Stadt, die in großem Maß von Ihren Ortschaften geprägt wird. Darauf können wir stolz sein. Bad Berleburg ist die Stadt der Dörfer. Ich werde für alle Bürgerinnen und Bürger zwischen Beddelhausen, Girkhausen und Wingeshausen ein offenes Ohr haben.
Bernd Fuhrmann, 2004 als parteiloser Bürgermeisterkandidat

Recherchen im Zeitungsarchiv geben Antworten

Also versucht diese Zeitung schon einmal ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen: Die erste Frage der SPD ist mehr rhetorisch. Denn die „Stadt der Dörfer“ ist mit einer Person besonders verknüpft: In unseren Textarchiven taucht dieser Claim tatsächlich am 5. April 2004 im Bürgermeister-Wahlkampf zum ersten Mal auf. In der Schützenhalle Müsse stellte sich der damals 38-jährige Diplom-Sozialpädagoge und Stadt-Jugendpfleger Bernd Fuhrmann als parteiloser Bürgermeisterkandidat für die CDU mit diesen Worten vor: „Ich kann nur mit Ihnen gemeinsam Bad Berleburg verändern. Wir leben hier in einer Stadt, die in großem Maß von Ihren Ortschaften geprägt wird. Darauf können wir stolz sein. Bad Berleburg ist die Stadt der Dörfer. Ich werde für alle Bürgerinnen und Bürger zwischen Beddelhausen, Girkhausen und Wingeshausen ein offenes Ohr haben. Deshalb lautet mein Motto: Wir in Bad Berleburg - Zukunft gemeinsam gestalten!“ Das ursprüngliche Motto wird dann später durch die Stadt der Dörfer verdrängt werden. Die CDU setzt im Wahlkampf damals ebenfalls auf diesen Spruch und druckt ihn zusammen mit dem Stadtwappen auf Aufkleber, die noch immer auf vielen Autos durch Bad Berleburg fahren.

CDU wirbt für die Kommunalwahl 2014 mit Bad Berleburger Stadtwappen - hier am Goetheplatz in der Oberstadt.
CDU wirbt für die Kommunalwahl 2014 mit Bad Berleburger Stadtwappen - hier am Goetheplatz in der Oberstadt. © Christoph Vetter
CDU wirbt für die Kommunalwahl 2014 mit Bad Berleburger Stadtwappen - hier am Goetheplatz in der Oberstadt.
CDU wirbt für die Kommunalwahl 2014 mit Bad Berleburger Stadtwappen - hier am Goetheplatz in der Oberstadt. © Christoph Vetter

Es entsteht der Eindruck, die Stadt Bad Berleburg würde die Wahl Bernd Fuhrmanns direkt unterstützen.
Thorsten Fischer, 2014 Stadtverordneter der Linkspartei

Ein politischer Zankapfel wurde dann aber erst 2014 aus der Nutzung des Stadtwappens samt dem Slogan auf CDU-Wahlplakaten. Die Union fügte dann noch in einem blauen Feld den Satz „Wir sind dabei“ hinzu. Und auch Bernd Fuhrmann nutzte im Bürgermeister-Wahlkampf das Wappen mit dem Zusatz „Stadt der Dörfer“. Für Thorsten Fischer (damals Linkspartei) bewegte sich die Stadt auf rechtlich „heiklem Terrain“. Fischer argumentierte mit „einer Verletzung der parteipolitischen Neutralität, zu welcher die Stadt speziell im unmittelbaren zeitlichen Umfeld von Wahlen strikt verpflichtet ist“. Es entstehe „der Eindruck, die Stadt Bad Berleburg würde die Wahl Bernd Fuhrmanns direkt unterstützen“, fand Fischer.

Politischer Zankapfel zwischen SPD, CDU und Linkspartei

Die SPD griff nicht Fuhrmann, sondern die CDU wegen der Wappen-Verwendung auf Plakaten an. Die CDU erwecke den Eindruck, dass ihr ohnehin die Stadt gehöre, wetterte Bernd Weide damals. Unsere Redaktion hatte die Kommunalaufsicht beim Kreis Siegen angefragt und Carsten Buschhoff sagte damals: „Grundsätzlich ist die Verwendung zulässig.“ Inwiefern Partei und Stadt dadurch etwa auf Wahlplakaten in eine gewisse Nähe zueinander gerückt werden, liege allein „im Auge des Betrachters“. Auf diesem Standpunkt stand und steht auch die Bad Berleburger CDU, deren damaliger Stadtverbandsvorsitzender auf der Internetseite der CDU schrieb: „Wir haben sehr viele positive Rückmeldungen aus der Bevölkerung auf unsere Plakate mit dem Wappen erhalten. Wir als CDU identifizieren uns mit unserer Stadt Bad Berleburg und mit dem Wappen der Stadt“, sagte Andreas Lückel und fügte hinzu: „Unser Ziel ist es, der Stadt der Dörfer eine Zukunft zu geben.“

Wir haben sehr viele positive Rückmeldungen aus der Bevölkerung auf unsere Plakate mit dem Wappen erhalten. Wir als CDU identifizieren uns mit unserer Stadt Bad Berleburg und mit dem Wappen der Stadt.
Andreas Lückel, 2014 Stadtverbandsvorsitzender der CDU in Bad Berleburg

Unabhängig von der CDU: Die „Stadt der Dörfer“ ist und bleibt Fuhrmanns Schlagwort, das der Bürgermeister seit seiner ersten Amtszeit in den offiziellen Sprachgebrauch des Rathauses übernommen hat. Selbstverständlich wird dieser Slogan in Reden und Pressemitteilungen verwendet. Er findet Eingang in das politische Leitbild, auch wenn das ganz offizielle „Bad Berleburg – Meine Heimat 2020“ heißt, und verdrängt nach und nach auch andere Umschreibungen für Bad Berleburg in den Medien. Die „Odebornstadt“, die ohnehin mehr im Sportteil zu finden war, landet auf dem Friedhof der Synonyme.

Diskussionen um Alleinstellungsmerkmale und Marken in 2011

2011, als es eine Diskussion um Marken und Alleinstellungsmerkmale gibt, die auf Ortsschilder schwarz auf orange unter den Ortsnamen prangen könnten, formulierte Fuhrmann neben „Wisentstadt“, „Wunderwelt am Rothaarsteig“ auch „Stadt der Dörfer“ als Ideen, mit denen sich dann aber die Bürger und die Gremien auseinanderzusetzen hätten. Gut, diese offizielle Auseinandersetzung mit einem Slogan findet tatsächlich aber erst ab 2019 statt. Dann geht es um ein neues Corporate Design für Internet und Briefköpfe der Stadt. Dieses einheitliche Erscheinungsbild aber kommt ganz ohne „Stadt der Dörfer“ aus. Die neue Symbolik besteht aus Piktogrammen von Wisent, Schloss, Natur und Herz und wird mit den drei Schlagworten „Wildnis – Wirtschaft - Wagemut“ verknüpft. Seit Februar 2020 ist dieses Logo nun auch offiziell von der Politik freigegeben. Bei vier Enthaltungen und einer Gegenstimme.

Der Briefkopf der Stadt Bad Berleburg seit 2020: Wildnis - Wirtschaft - Wagemut.
Der Briefkopf der Stadt Bad Berleburg seit 2020: Wildnis - Wirtschaft - Wagemut. © WP | Stadt Bad Berleburg

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Unterm Strich: Die „Stadt der Dörfer“ hat in den vergangenen 19 Jahren eine beachtliche Begriffs-Karriere gemacht und wird meist im Vorfeld von Wahlen zum politischen Zankapfel der Gegner von Bernd Fuhrmann gemacht, obwohl der Begriff selbst politisch wenig aussagt. Immerhin, der Praxischeck zeigt: Bad Berleburg ist mit 23 Ortsteilen eine Stadt der Dörfer, in der mehr als die Hälfte aller knapp 19.000 Einwohner in Dörfern leben. Man könnte höchstens anfügen, dass dies für viele Landkommunen gilt, die durch eine Gebietsreform zusammengefügt wurden. Alles, was darüber hinaus in der „Stadt der Dörfer“ gesehen wird, ist Interpretationssache.

Bevor wir einen Stadtplaner für unsere Stadt mit ihren Dörfern einstellen, muss die Stadt im Bereich der Stadtentwicklung erst einmal wissen, welche langfristigen Ziele wir verfolgen.
Samir Schneider, SPD-Fraktionsvorsitzender in Bad Laasphe 2023

Gut kopiert ist besser als schlecht komponiert

Wie griffig der Slogan ist, zeigt sich auch daran, dass er kopiert wird. So hat ihn unlängst der Bad Laaspher SPD-Fraktionsvorsitzende Samir Schneider für sich entdeckt und leicht abgewandelt. Beispiel gefällig aus der Diskussion um den Stellenplan der Stadt Bad Laasphe: „Bevor wir einen Stadtplaner für unsere Stadt mit ihren Dörfern einstellen, muss die Stadt im Bereich der Stadtentwicklung erst einmal wissen, welche langfristigen Ziele wir verfolgen.“ So kommentiert SPD-Fraktionschef Samir Schneider die beiden Anträge seiner Partei rund um das Thema „Stadtentwicklung“.

Schneider ist aber nicht der einzige: In Friesoythe diskutiert man im März dieses Jahre auch darüber, welche Dachmarke die Stadt haben sollte: „Friesoythe verbindet“ oder „Stadt der Dörfer“ titelte die Nordwestzeitung dort.

Es könnte also sein, dass in Bad Laasphe vor der nächsten Kommunalwahl beispielsweise die CDU danach fragt, wer auf diesen Slogan gekommen ist. Die Schweizer waren es aber nicht. Die erfinden Kräuterbonbons.