Wittgenstein. Ärzte und Therapeuten können bei nicht eingehaltenen Terminen eine Ausfallgebühr verlangen. Wann und wo die Wittgensteiner zahlen müssen.

„Wenn der Patient nicht kommt, verdiene ich nichts“, sagt Anna Dickel vom Gesundheitszentrum Dickel in Bad Berleburg. Schnell ist es passiert: Im Terminstress den Arzttermin vergessen. Was jedem mal passieren kann, ist mittlerweile vielerorts aber ein echtes Problem. Es werden Termine vereinbart und dann doch nicht eingehalten. Entweder, weil etwas dazwischen kommt oder der Termin doch nicht mehr so wichtig ist. Deswegen gibt es in einigen gesundheitlichen Praxen eine Ausfallgebühr, die fällig wird, wenn der vereinbarte Termin nicht rechtzeitig abgesagt wird. Was für die Patienten meist ärgerlich ist, ist für die Praxisbetreiber notwendig.

Anna Dickel vom Gesundheitszentrum Dickel in der Poststraße in Bad Berleburg.
Anna Dickel vom Gesundheitszentrum Dickel in der Poststraße in Bad Berleburg. © Gesundheitszentrum Dickel

„Es kann immer was dazwischen kommen, aber wir haben die Regel 24 Stunden vorher abzusagen“, sagt Dickel. Die ist Bestandteil des Behandlungsvertrages, der vorher mit allen Patienten abgeschlossen wird. Wer die nicht einhält, bekommt eine Rechnung über eine Ausfallgebühr. „Damit finanzieren wir uns aber nicht unsere Pause. Wir holen uns das zurück, was wir von der Krankenkasse bekommen hätten, weil sonst ein betriebswirtschaftlicher Ausfall entsteht“, erklärt die Praxisleiterin. Für ein Rezept mit Krankengymnastik sind das 26,12 Euro, es komme aber immer auf die verschriebene Leistung an. „Ich habe Miete, Heizkosten, Strom und vor allem Mitarbeiter, die Ende des Monats ein Gehalt bekommen wollen. Ohne Gebühr habe ich einen finanziellen Ausfall.“

Reaktionen auf Ausfallgebühr sind unterschiedlich

Die Patienten reagieren darauf unterschiedlich. „Einige haben Verständnis und sind umsichtig. Dann gibt es auch die, die anfangen zu diskutieren“, sagt Anna Dickel. „Eine Ausfallgebühr gibt es mittlerweile auch bei Ärzten, in Restaurants, bei der Kosmetik oder beim Friseur.“ Ein zusätzlicher Aspekt ist der Fachkräftemangel im Bereich der Physiotherapie. „Wir haben schon wenig Therapieplätze zu vergeben. Einige suchen händeringend einen Platz und andere kommen nicht zum Termin.“ Für die gelernte Physiotherapeutin ist die Gebühr deswegen „eine erzieherische Maßnahme für den verantwortungsbewussten Umgang mit Terminen.“ Wenn noch Zeit bis zum Termin ist, kann noch Ersatz gesucht werden. „Wir haben eine Warteliste, die ich abtelefonieren kann. Wenn aber fünf Minuten vorher abgesagt wird, dann wird es schwierig.“ Deswegen gibt es mittlerweile in vielen Therapiepraxen eine Ausfallgebühr, die vorher vertraglich festgehalten wird.

Menschen, die nicht zum vereinbarten Termin kommen, ohne vorher abzusagen, werden auch als „No-Shows“ bezeichnet, was auf Deutsch so viel wie „nicht erschienen“ bedeutet. Faustregel ist meist: Kann der Termin wieder vergeben werden, entsteht kein Ausfall und auch keine Gebühr.

Fast 20 Prozent der Termine bei Ärzten und Therapeuten werden nicht abgesagt

Laut Kassenärztlicher Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) werden bundesweit circa zehn bis 20 Prozent der Termine nicht vorher abgesagt. „Die niedergelassenen Ärzte appellieren an die Patienten, vereinbarte Termine nach Möglichkeit wahrzunehmen oder zumindest zeitig abzusagen. So kann unter Umständen noch ein anderer Patient den Termin wahrnehmen – gerade in ländlichen Gebieten, in denen eine fach- oder hausärztliche Unterversorgung droht, ist dies besonders wichtig“, sagt Stefan Kuster, Pressesprecher der KVWL. Den Praxen steht es frei, eine Ausfallgebühr zu erheben, wenn ein Verdienstausfall entstanden ist. Rechtlich wird das Thema unterschiedliche bewertet: Endet ein Fall vor Gericht, wird je nach Sachlage entschieden.

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Bei den Hausärzten seien Terminabsagen „nicht so gravierend“, sagt Bertram Roessiger, Kaufmännische Leitung des Kooperationsverbandes Ärzte der Region Hinterland/Wittgenstein, kurz ADR. „Der Termin ist meist schnell wieder vergeben. Fachärzte für Allgemeinmedizin können sich oft nicht vor Arbeit retten.“ Deswegen gibt es in den meisten Hausarztpraxen in Wittgenstein auch keine Ausfallgebühr. Ein Problem kann es aber bei Impftermine geben, denn der Impfstoff wird oft für die jeweilige Impfungen bestellt. „Ein Beispiel ist die Corona-Impfung von Biontech. Es werden immer sechs Impfdosen in einem geliefert. Wenn einer nicht kommt, muss entweder zusätzliche Arbeitszeit investiert und nach einem Ersatz herumtelefoniert werden oder die Impfdose muss entsorgt werden. Es entsteht ein wirtschaftlicher Schaden“, so Roessiger.

Bei Fachärzten häufiger Ausfallgebühr als bei Hausärzten

Bei Fachärzten sieht das anders aus: Die Termine sind langfristig geplant – meist gibt es eine lange Wartezeit, die oft mehrer Monate beträgt – und die können nicht so kurzfristig weiter vergeben werden.

Das Termine häufiger ohne Absage nicht wahrgenommen werden, ist auch im Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) der Vamed Klinik bekannt. „Das liegt möglicherweise auch daran, dass es sich um Facharzttermine handelt, die länger im Voraus gemacht wurden und vergessen werden. Eine Gebühr für verpasste Termine gibt es aber nicht“, sagt Antje Gröpl-Horchler von der Unternehmenskommunikation.

„Das ist unsere Verbrauchergesellschaft. Die Leute nehmen etwas, weil es kostenlos ist und schmeißen es dann weg. Eigentlich schneidet sich der Patient damit ins eigene Fleisch“, so Roessiger.