Siegen/Bad Berleburg. Wenn das Wisentprojekt eine Chance haben soll, muss sich vieles verändern. Wir haben erste Stimmen zum Kompromissvorschlag.

Es gibt noch Hoffnung für die freilebenden Wisente in Wittgenstein, die Bad Berleburg über die Grenzen Nordrhein-Westfalens bekannt gemacht haben. Aber dafür muss sich sehr viel verändern. Das zeigen die Ergebnisse des Runden Tisches, die am Freitagvormittag im Siegener Kreishaus präsentiert worden sind.

Die wohl größten Veränderungen betreffen die beiden unversöhnlichen Konfliktparteien: die klagenden Waldbauern und den Trägerverein des Wisentprojektes. Während man in Gesprächen mit den Anwälten der Oberkirchener Waldbauern lange verlorenes Vertrauen aufbauen muss, um Zeit für eine Lösung zu finden, muss der Trägerverein einer neuen Struktur weichen: „Vorzugsweise in Form einer Stiftung“, so Ursula Heinen-Esser.

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Bis diese gegründet sei, müsse schnellstmöglich eine Übergangsstruktur gefunden werden, so Heinen-Esser, „mit einer klaren Verantwortung für die Wisente“. In einer Stiftung sollten neben dem Kreis Siegen-Wittgenstein, der Stadt Bad Berleburg, der Bezirksregierung in Arnsberg, dem Landesbetrieb Wald- und Holz, der Wittgenstein-Berleburg’schen Rentkammer auch der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband und der Waldbauernverband NRW vertreten sein.

Weitere Expertise lieferten fachliche Partner aus der bisherigen Wisentallianz, wie der Zoo Köln oder der World Wildlife Fund (WWF). Wichtig, so Heinen-Esser ist auch die finanzielle Ausstattung. Die hat der Runde Tisch mit 450.000 Euro jährlich beziffert, 90.000 mehr als die bisherige Grundfinanzierung. Der Grund für die Kostensteigerung liege in der Wisentlogistik, dem Einfangen von Tieren zur Verkleinerung der Herde.

Neben einer professionelleren Struktur, die auch schon die Stiftung der Tierärztlichen Hochschule Hannover in einer 2020 veröffentlichen Studie angemahnt hatte, ist auch das Insolvenzverfahren des Trägervereins eine hohe Hürde, mit der weder Ursula Heinen-Esser noch Johannes Remmel gerechnet hatten und die die Lage völlig verändert.

Insolvenz des Trägervereins

Im Herbst 2022 hatte der Wisent-Trägerverein den öffentlich-rechtlichen Vertrag zum Projekt gekündigt und sich nicht mehr für die Tiere zuständig gefühlt. Im vergangenen Monat hatte der Wisentverein dann einen für alle überraschenden Insolvenzantrag beim Amtsgericht Siegen gestellt. Hintergrund waren die angekündigten Zwangsgelder von bis zu 250.000 Euro für jeden Fall, in dem Wisente weiterhin Schäden in den Wäldern der klagenden Waldbauern anrichten.

Der Vorsitzende des Trägervereins, Bernd Fuhrmann, macht in seinem Statement deutlich, dass man das Projekt trotzdem weiter begleiten wolle. Auf Nachfrage schreibt der Bad Berleburger Bürgermeister, der durch sein Amt auch einer noch zu gründenden neuen Trägerstruktur ebenfalls angehören wird, im Namen des Vereins: „Als Wisent-Trägerverein danken wir allen Beteiligten für die Zusammenarbeit. Wir haben immer betont, dass es darum geht, das Projekt im Sinne des Artenschutzes und damit der Tiere weiterzuentwickeln und gemeinsam Lösungen zu finden. Genau darum geht es nun auch perspektivisch: gemeinsam mit allen Beteiligten die definierten Lösungsansätze in die Tat umzusetzen - im Sinne des Arten-, Natur- und Umweltschutzes. Wir sind weiterhin fest davon überzeugt, die Ansätze zu einem konsensfähigen Gesamtkonzept mit nachhaltiger Zukunft für das Projekt zu realisieren. Mehr noch: Wir betrachten dies als unsere Verpflichtung.“

Finanzierung wird zum Politikum

Ein Problem der neuen Struktur wird die Finanzierung sein. Noch ist unklar, welchen Anteil das Land oder die Stadt Bad Berleburg an dem vorgeschlagenen Etat von 450.000 Euro pro Jahr hätten.

Für den Kreis Siegen-Wittgenstein gibt es immerhin einen Vorschlag. In einem gemeinsamen Dringlichkeitsantrag formulierten Hermann-Josef Droege für die CDU- Fraktion, Meike Menn für die Fraktion Bündnis 90/die Grünen, Andreas Klein für die Fraktion WIR Bürger und Guido Müller für die FDP-Fraktion im Kreistag, dass sich der Kreistag für die Fortführung des Wisentprojektes entscheiden solle und hängten auch einen Finanzierungsvorschlag an: „Um die besprochenen Maßnahmen kurzfristig beginnen zu können, wird eine gesicherte und auskömmliche Finanzierung in Höhe von 80.000 Euro im Haushalt 2024 und bis auf Weiteres auch in den Folgejahren eingestellt. Damit verbunden ist die Erwartung, dass auch das Land NRW und die Stadt Bad Berleburg ihren Beitrag zu einer auskömmlichen Basisfinanzierung des Projektes leisten.“

Weiterhin sollen durch Remmel und Heinen-Esser Verhandlungen über zusätzliche Geldquellen geführt werden: „Die Moderatoren des Runden Tisches werden gebeten, zusammen mit der Kreisverwaltung Gespräche mit dem Land NRW, dem Kölner Zoo, der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, der Stadt Bad Berleburg sowie weiteren Stiftungen, Institutionen und Verbänden über Beiträge zur dauerhaften Projektfinanzierung und Beteiligung an einer Stiftung/Trägerstruktur zu führen und darüber zeitnah zu berichten.“

Für die FDP-Fraktion machte der Fraktionsvorsitzende Guido Müller gegenüber dieser Zeitung deutlich, dass er das NRW-Umweltministerium mit in der Pflicht sieht. Müller erwähnt dabei auch, dass das Land die freien Wisente als Artenschutzprojekt über den Bund nach Brüssel gemeldet habe. „Durch die Meldung der Wisentherde entsprechend der strengen FFH-Schutzregelungen der EU, die durch das Land NRW erfolgte, steht es außer Frage, dass sich der NRW-Umweltminister und sein Ministerium hier nicht wegducken dürfen. Denn dadurch wurden klare Fakten geschaffen. Ich gehe davon aus, dass sehr schnell seitens der EU festgestellt wird, dass es sich wirklich um herrenlose Tiere handelt. [...] Der Ball liegt beim Umweltministerium. Herr Krischer, es ist dringend Zeit, jetzt zu handeln.“

„Ich bin sehr zufrieden mit der Arbeit des Runden Tisches“, kommentiert auch der SPD-Fraktionsvorsitzende im Kreistag, Julian Maletz die Ergebnisse. Aber Maletz betont, dass dies nur ein erster Schritt sei: „Wir müssen noch die Fragen der Finanzierung klären und welchen Beitrag das Land leisten wird.“ Wichtig ist Julian Maletz auch, die Frage nach dem rechtlichen Status der Tiere, die auch Guido Müller bereits aufgeworfen hat.