Wittgenstein/Düsseldorf. Die NRW Landesregierung bereitet ein Gesetz zur Abschaffung der Anliegergebühren vor. Die Freude ist groß, doch die Euphorie wird auch gebremst.

Jetzt also doch: Der Bund der Steuerzahler jubelt über die geplante Abschaffung der Straßenausbaugebühren in NRW. Damit wäre Nordrhein-Westfalen eines der letzten Bundesländer, in dem Anliegergebühren für Straßen erhoben werden. Greifen soll das neue Gesetz ab April kommenden Jahres.

Allein diese Pläne sorgen schon für Jubel: „Ich bin begeistert über diese positive Nachricht. Fünf Jahre lang haben wir dafür gekämpft“, sagt Susanne Linde aus Feudingen, die in der Interessengemeinschaft „Siegen-Wittgenstein für beitragsfreie Straßen“ lange auf diesen Tag hingearbeitet hat. Zusammen mit Christa Guardia aus Erndtebrück und Diana Borawski aus Netphen steht Linde für die Frauenpower, die ein als ungerecht empfundenes Gesetz mit in die Knie gezwungen hat. Die zum Teil fünfstelligen Gebührensätze, die Hausbesitzer im ländlichen Raum für die Sanierung ihrer Anliegerstraßen zahlen sollten, waren Anstoß für den Protest: „Das hat ganz schön Wellen geschlagen“, sagt Linde.

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Später dann holten die Kämpfer für beitragsfreie Straßen auch den Bund der Steuerzahler ins Boot, der am Mittwochabend auf der Internetseite www.steuerzahler.de meldete: „Es ist soweit: Auf den Tag genau vier Jahre nachdem der Bund der Steuerzahler NRW Im Landtag über 437.202 Unterschriften zur Abschaffung des Straßenbaubeitrags überreicht hat, liegt das Gesetz jetzt endlich auf dem Tisch“.

Die heimische Landtagsabgeordnete Anke Fuchs-Dreisbach meldet sich aus der Plenarsitzung in Düsseldorf auf die Anfrage der Redaktion und dämpft die Euphorie ein bisschen: „Ich freue mich sehr, dass dieses Verfahren jetzt endlich startet, aber Vorsicht: Noch ist es ein Entwurf, der erst durch die Verbände und durch den Landtag muss“, sagt die Abgeordnete, die deshalb Inhalte des Gesetzentwurfes auch noch nicht kommentieren wollte.

BdSt sieht Verbesserungsbedarf

Anders der Bund der Steuerzahler, der einerseits den Gesetzesentwurf der Landesregierung. begrüßt: „Damit schafft er für Millionen Eigentümer einer Immobilie in NRW Rechtssicherheit. Endlich löst die Landesregierung ihr Versprechen ein. Für den BdSt NRW und die fast 500.000 Unterstützer seiner Volksinitiative zur Abschaffung der Straßenausbeiträge ist das ein großer Erfolg“, kommentiert Rik Steinheuer, Vorsitzender des BdSt NRW den Entwurf. Andererseits bestehe noch Verbesserungsbedarf, „denn die Landesregierung vergibt durch ein kompliziertes Erstattungsverfahren die Chance für einen wirksamen Bürokratieabbau in den Kommunen“. Im Gesetzgebungsverfahren sollte aus Sicht des BdSt NRW deshalb ein Verfahren gefunden werden, das so wenig wie möglich Verwaltungskosten nach sich zieht.

Sorgen der Kommunalpolitik

In Bad Laasphe äußert sich der SPD-Fraktionsvorsitzende im Rat und frühere Landtagskandidat Samir Schneider zum Thema, mit dem er kräftig um Stimmen für die SPD geworben hatte: „Der Gesetzesentwurf zur Abschaffung der Anliegergebühren liegt nach fünf Jahren langem Kampf von den Bürgerinitiativen endlich auf dem Tisch. Ohne den entschlossenen Einsatz der unzähligen Bürger und der Bürgerinitiativen wäre der Druck auf die jetzige Landesregierung nicht groß genug gewesen, um die existenzgefährdenden Anliegergebühren endlich abzuschaffen“.

Schneider beschreibt die Auswirkungen: Mit diesem Gesetzesentwurf sollen im April 2024 die Anliegergebühren abgeschafft werden. Anliegerversammlungen und Straßen- und Wegekonzept sind dann nicht mehr notwendig. „Das sehe ich ein bisschen kritisch. Ein Straßen- und Wegekonzept ist transparent gegenüber den Bürgern. Straßen werden dann nach einer sichtbaren Prioritätenliste saniert, die jeder Bürger nachvollziehen kann. Auch auf die Anliegerversammlungen sollte man nicht verzichten und die Bürger bei solchen Informationsveranstaltungen mitnehmen und Transparenz ausstrahlen. Das ist der richtige Weg für Transparenz und Bürgerbeteiligung zum Wohle der Städte und Gemeinden“, kommentiert Schneider als Kommunalpolitiker die Neuregelung.

Fünf, sechs Jahre Verzögerung

Mit dem Versprechen, das umstrittene Gesetz abzuschaffen und Anlieger von zum Teil fünfstelligen Kosten zu entlasten, war die damalige CDU-FDP-Landesregierung bereits 2017 angetreten. Aber erst im Mai 2022, vor der Landtagswahl, verkündete der CDU-Fraktionsvorsitzende Bodo Löttgen: „Wir wollen die vorhandenen Möglichkeiten nutzen, um die Bürger zu entlasten.“

Damit beschrieb Löttgen nicht die Abschaffung, sondern einen Fördertopf, aus dem aktuell der Kostenanteil der Anlieger unter bestimmten Voraussetzungen zu 100 Prozent erstattet wird.