Wittgenstein. Lieferengpässe bei Medikamenten: Wie sich die Wittgensteiner Apotheken auf den Winter vorbereiten und warum ein nächster Protesttag geplant ist.

Die Erkältungs- und Grippesaison steht vor der Tür und in den Wittgensteiner Apotheken fehlen immer noch Medikamente: „Der Medikamentenmangel ist seit langem ein Dauerthema“, sagt Annette Horchler von der Rothaar-Apotheke in Feudingen. Ein Blick in den Computer zeigt: „210 Artikel, auf die wir warten“ – und das sei nur eine Liste von zweien.

Ob die Situation ähnliche Ausmaße wie im vergangenen Winter annehmen wird, ist noch ungewiss. „Aktuell ist es schwierig, Voraussagen zur Versorgungslage von Kinderarzneimitteln im kommenden Herbst und Winter zu treffen“, sagt Horchler. Wichtig ist der Apothekerin, keine Panik zu verbreiten: „Alle, die Arzneimittel benötigt haben, konnten wir versorgen.“

Bisher haben die Apotheken immer eine Lösung für benötigte Arzneimittel gefunden

Das sagt auch Karsten Wolter von der Kur-Apotheke in Bad Berleburg: „Wir haben bisher immer eine Lösung finden können, um das passende Antibiotikum zur Anwendung zu finden.“ Denn gerade bei Antibiotika – für Erwachsene und für Kinder – kommt es immer wieder zu Lieferengpässen. „Die Medikamente, die fehlen, sind dabei immer wieder andere, aber vor allem Antibiotika“, so Wolter. Die Apotheker prüfen immer wieder, was lieferbar ist und bestellen Kleinstmengen, um die benötigten Medikamente anbieten zu können.

Annette Horchler, Inhaberin der Rothaar-Apotheke in Feudingen. 
Annette Horchler, Inhaberin der Rothaar-Apotheke in Feudingen.  © Privat

„Wir haben uns bevorratet, um Säfte und Antibiotika selbst herzustellen“, sagt Karsten Wolter. Das hat die Kur-Apotheke auch im vergangen Winter schon gemacht: Im Labor wurden Ibuprofen- oder Penicillinsaft für Kinder produziert. „Wir können das handwerklich herstellen, aber nicht in den Mengen, um eine Infektionswelle zu versorgen“, sagt Wolter. Der Apotheker rät deswegen bei älteren Kindern auf Tabletten zurückzugreifen: „Die Tablette zerbrechen und mit etwas Apfelmus geben.“ Dem stimmt auch Apothekerin Annette Horchler zu: „Vier- oder Sechsjährige können auch Tabletten nehmen. Wenn die Lage eng wird, geben wir Fiebersäfte nur noch auf Verschreibung raus“, so Horchler. Auch die Rothaar-Apotheke kann selbst produzieren.

Medikamente quer durch das gesamte Sortiment fehlen

Neben Antibiotika fehlen weitere Medikamente: „Antibiotische Augensalben, einige Krebsmedikamente, Cholesterin- oder Blutdrucksenker, es fehlen Medikamente durchs ganze Sortiment“, sagt Steffen Busch von der Brücken-Apotheke in Erndtebrück. „Wann wieder etwas kommt, weiß man nicht“, so der Apotheker. Deswegen befürchtet Busch: „Es wird wie im vergangenen Jahr, nur es fehlen andere Arzneimittel.“

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Die Apotheken sollten für 14 Tage ausreichend versorgt sein, so die Theorie: „Von manchen Medikamenten haben wir nicht genug für eine Woche oder drei Tage“, so Busch. „Im vergangenen Winter hatten wir eine besondere Lage“, sagt Karsten Wolter. Durch den Wegfall der Maskenpflicht gab es eine Infektionswelle, da die Immunsysteme den Umgang mit Viren und Bakterien nicht mehr gewöhnt waren. „Für Kinder scheint sich eine Entspannung der Lage abzuzeichnen“, so Wolter. Ein Hersteller versicherte, dass er liefern werde. „Wir sind zuversichtlich, dass die Zusagen des Herstellers halten werden.“

Auch in der Brücken-Apotheke von Steffen Busch in Erndtebrück fehlen Medikamente.
Auch in der Brücken-Apotheke von Steffen Busch in Erndtebrück fehlen Medikamente. © Eberhard Demtröder

Weiterer Apothekenprotest-Tag am 27. September geplant

Da die Situation der Apotheken immer noch angespannt ist, ist für Mittwoch, 27. September, ein weiterer Apotheken-Protesttag geplant. Am Nachmittag von 13 bis 16 Uhr werden die Apotheken geschlossen bleiben. „Ein Großteil der Apotheken wird sich beteiligen. Den Notdienst macht die Lachsbach-Apotheke in Bad Laasphe“, so Karsten Wolter. Ab 16 Uhr werden alle Apotheken wieder geöffnet sein.

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An diesem Nachmittag spricht Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf dem Apothekertag in Düsseldorf. Die Apotheken-Teams werden die Rede und vor allem seine Antworten aufmerksam verfolgen. Sechs Fragen haben die Apothekenverbände an Minister Lauterbach gestellt. „Der Minister wird nicht nur vor den Delegierten auf dem Deutschen Apothekertag sprechen, sondern rund 150.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erklären müssen, wie es in Zukunft mit ihren Berufen und der Patientenversorgung weitergeht“, sagt Annette Horchler.

Finanzierung der Apotheken ist ein weiteres Thema

Dabei stehen zwei Themen im Vordergrund: „Zum einen die Lieferengpässe: Denn bisher gibt es keine Handhabung, die den Mangel wirksam bekämpft hat“, sagt Karsten Wolter. Das zweite Thema ist „ein auskömmliches Einkommen für Apotheken. Seit 20 Jahren gibt es keine Anpassung“, so Wolter weiter.

Medikamentenmangel dauert an: Vor allem Antibiotika sind immer wieder nicht lieferbar. 
Medikamentenmangel dauert an: Vor allem Antibiotika sind immer wieder nicht lieferbar.  © Annelie Manche

„Wenn eine Inflationslage da ist, die Mitarbeiter Lohnerhöhungen bekommen, aber man als Apotheke nicht mehr Geld bekommt, wird es schwierig“, sagt auch Annette Horchler. Die Brücken-Apotheke nimmt ebenfalls am Protesttag teil: „Das ist noch viel zu wenig, es ist fünf vor zwölf für die Apotheken“, so Steffen Busch.

Aussicht auf den Winter und die Grippesaison

Wie wird es im Winter also weitergehen? „Durch umsichtiges Handeln und viel Überzeugungsarbeit bei der Abgabe von Arzneimitteln werden wir versuchen, den Mangel abzumildern, beseitigen können wir ihn aber nicht“, sagt Annette Horchler. „Die Lieferengpässe werden andauern. Das wird sich nicht von heute auf morgen ändern“, so Karsten Wolter. Die heimischen Apotheken werden weiterhin versuchen, alle mit den benötigten Medikamenten zu versorgen. „Eine Knappheit wird es weiter geben, aber das lässt sich managen“, so Horchler.