Bad Berleburg. Weltweit wird am 15. September demonstriert. Aber in Wittgenstein bleibt die Zahl überschaubar. Dafür aber ist das dort Gesagte aber gewichtig.

Oliver Junker-Matthes setzt wie immer auf klare Kante: „Wer, wenn nicht wir, bekommt die Folgen des Klimawandels mit?“ Die Frage ist rhetorisch. In Köln merke man es vielleicht nicht, aber im Elsofftal, wo keine Fichte mehr steht, sehe man was Klimawandel, Dürre und der Borkenkäfer aus der vermeintlich intakten Natur des Wittgensteiner Landes gemacht hätten. Der Holzrücker und Klimaschutzaktivist Junker-Matthes nimmt zum weltweiten Aktionstag kein Blatt vor den Mund und fordert ein massives Umdenken. Und damit ist er nicht allein. Gemeinsam mit dem Ethnologen Dr. Felix Riedel und der Ärztin Dr. Nikola Fenner hat er eine Demonstration organisiert.

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Aber „Fridays for Future“ laufen in Siegen-Wittgenstein fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Der globale Klimastreik am 15. September lockt in Siegen gerade einmal 50 Menschen zur Kundgebung. Auf dem Platz vor dem DRK-Mehrgenerationentreff am Bad Berleburger Rathaus sind es 22. Deswegen gibt es an diesem Tag auch keinen Demonstrationszug.

Warnung vor Dürre, Überschwemmung und Flüchtlingsströmen

Dass die 22 Klimaaktivisten, die aus Bad Berleburg, Bad Laasphe und Erndtebrück hier zusammengekommen sind – mit Fahrrad oder der Bahn angereist – aber nichts zu sagen hätten, wäre falsch. So klein die Gruppe ist, so entschlossen ist der Applaus für die Forderungen, die Nikola Fenner und Junker-Matthes aufstellen. Fenner berichtet davon, dass das globale Ziel, die Erderwärmung zu dämpfen, wohl nicht erreicht werde. Ein Erwärmung um drei Grad sagten Experten voraus. Das habe Einfluss auf den Jetstream, der das Weltklima beeinflusse. Die Wetterlagen würden konstanter, lange Regenphasen mit viel Niederschlag und lange Dürreperioden seien die Folge - auch für das lange verschonte Mitteleuropa. Der steigende Meeresspiegel werde Millionenstädte im Meer versenken und Landstriche unbewohnbar machen. Die Folge seien Migrationsbewegungen.

Vor dem DRK-Mehrgenerationentreff in Bad Berleburg versammeln sich 22 Demonstranten zu einer Kundgebung. Auf einen Demo-Zug verzichtet die Gruppe.
Vor dem DRK-Mehrgenerationentreff in Bad Berleburg versammeln sich 22 Demonstranten zu einer Kundgebung. Auf einen Demo-Zug verzichtet die Gruppe. © WP | Lars-Peter Dickel

Fenner sieht eine Mitverantwortung bei Deutschland, das kumuliert Platz fünf beim CO2-Ausstoß belege. Wenn man das verändern wolle, „brauchen wir eine rasche Reaktion“. Persönlich könne jeder etwas tun, indem man weniger Auto fahre oder Fleisch esse. Im Zentrum stehe aber: „Weniger fliegen!“, was Fenner mantrahaft wiederholt. Sie regt auch eine klare Verkehrswende mit Tempolimits von 30 innerorts, 80 auf Landstraße und 100 auf Autobahnen an. Außerdem sei es wichtig, auf Konsum zu verzichten - vor allem bei Kleidung. Neben dem Persönlichen gebe es auch die Möglichkeit,k in Gruppen etwas zu tun oder eben im oder abseits des politischen Systems.

Kapitalismuskritik und Tempolimits

Oliver Junker-Matthes sieht vor allem auch das politische und wirtschaftliche System als Ursache: „Der Kapitalismus ist das Übel“, sagt er und begründet dies mit dem Streben nach Wachstum. Selbst grünes Wachstum gebe es nicht, unterstreicht er. „In der Natur gibt es nur einen Kreislauf aus Werden und Vergehen“, sagt der Waldarbeiter und fordert ein Umdenken im Konsum und eine gezielte Deindustrialisierung. „Ich bin Mensch und kein Verbraucher“, sagt er. Jeder solle sich bei Dingen fragen: „Brauche ich das wirklich?“. Und Junker-Matthes geht auch davon aus, dass es allen Menschen besser gehe, wenn sie nicht wegen des Gelds arbeiteten, sondern weil ihrer Arbeit wichtig und sinnvoll sei – beispielsweise für die Gruppe.

In Punkto Verkehrswende entwarf Junker-Matthes die Vision, dass „die angeblich nachhaltigste Kleinstadt Deutschlands“, wie alle anderen auf dem Land, nicht auf Individualverkehr verzichten könne. Für den Aktivisten heißt das aber: Raus aus dem Auto, rauf aufs Rad. Auch aufs E-Bike. Er schlägt Tempo 30 innerorts und Tempo 50 überall außerorts vor, damit die Menschen, die „in einem rollenden Wohnzimmer“ herumfahren, nicht schneller ankommen oder weniger Radfahrer totfahren könnten. Das nun viele auf das Elektroauto setzten, hält er für falsch: „1,5 Tonnen Gewicht elektrisch fortzubewegen, um 0,1 Tonnen Mensch zu transportieren halte ich für irre“, begründet Matthes seine Haltung.