Bad Berleburg. Karolin Bracic ist Tierpsychologin in Berleburg und weiß aus eigener Erfahrung, wie steinig der Weg zur guten Hunde-Mensch-Beziehung sein kann.
Lautes Bellen, übermäßig aggressives Verhalten, eine geduckte Körperhaltung oder häufiges Zittern – es gibt einige Warnsignale, mit denen ein Hund seinem Halter zeigt, wenn es ihm nicht gut geht. Egal ob es ein aggressives oder ein ängstliches Verhalten ist – es hat eine Ursache. Und die gilt es herauszufinden. „Verhaltensweisen, denen ein Trauma, Stress oder andere tiefgreifende Ursachen zugrunde liegen, suchen sich ihr Ventil“, weiß Karolin Bracic.
Die 33-Jährige ist Tierpsychologin und weiß, was es heißt, an der anfänglich schwierigen Beziehung zu seinem Tier zu arbeiten. Immerhin war es ihr Rüde Boy – eine amerikanische Bulldogge – die sie erst zum Studium brachte. Der Anfang einer guten Beziehung und ihres beruflichen Werdegangs.
Die Verhaltenstherapie
Heute ist die Beziehung zwischen Karolin Bracic und ihrem Boy eine harmonische. Doch das war nicht immer so. „Die Anfänge mit ihm waren nicht leicht. Ich war verzweifelt, am Ende meiner Kräfte und wusste nicht mehr weiter.“ Boy ist das, was man einen mental starken Hund nennt. „Er hat seinen eigenen Willen – von Leckerlis und den klassischen Techniken ließ er sich nicht beeindrucken“, so die 33-Jährige. Sie war bei verschiedenen Hundetrainern – ohne Erfolg. „Ich war an dem Punkt, wo ich überlegt habe, ob das überhaupt noch einen Sinn macht.“ Dann stieß sie im Internet auf die Tierpsychologie. „Ich habe recherchiert und wusste sofort: Das ist das Richtige für uns.“
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2017 schrieb sich Karolin Bracic am DIFT – dem Deutschen Institut für Tierpsychologie und Tierheilkunde in Lünen, einer Stadt im Kreis Unna – ein. Ein Studium, dass sie bis heute nicht bereut hat – eher im Gegenteil. „Zum einen, weil ich meinen Job liebe – zum anderen, weil ich gemerkt habe, wie gut es meiner Beziehung zu Boy geholfen hat.“ Insgesamt drei Jahre dauert das Studium zum Tierpsychologen. Ziel der Ausbildung ist der Erwerb der „allgemeinen und speziellen verhaltensbiologischen Grundlagen sowie das Erlangen verhaltenstherapeutischen Grundwissens, das die Studenten befähigt, eine tierpsychologische / verhaltenstherapeutische Praxis zu führen“, so das DIFT.
Heute hilft Bracic Hundehaltern an gleich zwei Standorten – in Hamm und in Wittgenstein. Die meisten suchen ihre Hilfe im Umgang mit einem mental starken Hund – aber auch Angsthunde befinden sich des Öfteren bei ihr in der Therapie – oder wie Bracic sagt – „im Training.“ Und da ist eine Sache besonders wichtig. „Wir müssen hier auf der Beziehungsebene arbeiten, unser Mindset ändern“, sagt sie. „Die schwierigste Aufgabe ist es, gemeinsam einen Weg zu finden, den Alltag zu meistern. Hunde sind mehr als nur Leckerlis und Techniken.“ Sie selbst fand eine andere Beziehungsebene zu ihrem Hund, als sie ihn „entthronte“. „Das klingt erstmal gemein – ist es aber nicht.“
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Es gehe vielmehr darum, den Druck aus der Sache zu nehmen. „Der Hund nimmt heutzutage einen sehr hohen Stellenwert ein. Viele wollten ihr Leben lang einen Hund haben, dann ist es plötzlich so weit. Für andere ist er ein Familienmitglied – gleichzusetzen mit der Stellung eines Kindes. Dadurch haben sie eine gewisse Erwartungshaltung an sich und vor allem an ihren Hund. Hier ist es wichtig, den Druck etwas herauszunehmen.“
Es gehe in einer Beziehung vielmehr um Empathie – für den Hund, die Situation und für sich selbst. „Nicht jeder Mensch und nicht jeder Hund kann und möchte alles umsetzen. Und nicht jeder kann in Vollzeit für seinen Vierbeiner da sein.“ Auch das werde im Training berücksichtig.
Denn: „Es gibt kein Schema F, dass man bei jedem Hund anwenden kann. Eine Verhaltenstherapie ist – wie auch beim Menschen – etwas Individuelles.“ Zudem bringe jede Rasse und jedes Individuum eigene Voraussetzungen mit. „Gehorsam von einem Molosser abzuverlangen, ist fehl am Platz. Und während ein Aussie das Tricksen zur Auslastung liebt, sucht ein Akita vergeblich den Sinn dahinter“, weiß Bracic.
Vorgeschichte und Charakterzüge
Aber auch sollte die Vorgeschichte berücksichtigt werden: Wie waren die Haltungsbedingungen zuvor? Gibt es eine Erkrankung? Wie sind die Rahmenbedingungen im Alltag? „Wenn er im häuslichen Umfeld zuvor keine Regeln kannte, kann ich nicht erwarten, dass er draußen plötzlich sich an Regeln hält.“ Und genau diese Informationen gilt es beim Erstgespräch herauszufinden, bevor es an die eigentliche Arbeit geht. Eine Stunde dauert eine Einheit in der Regel. „Dann arbeite ich mal mit Leckerchen, dem Lieblingsspielzeug oder einem deutlichen Nein. Mal arbeite ich an der Körpersprache, der inneren Einstellung des Halters und des Hundes, der Energie – nicht selten an allem.“ Zwischen den Terminen liegen dann meist zwei bis drei Wochen, dann sind die Hunde-Halter-Teams an der Reihe. „Wie lange eine Therapie dauert, hängt am Ende von der Mitarbeit der Hunde und der Halter ab!“
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Im besten Fall endet die Therapie dann mit einem gut funktionierenden Team – das sich auf beiden Seiten respektiert und die jeweiligen Charaktereigenschaften annimmt, so wie sie sind. „Rückwirkend betrachtet, hätte ich mir und meinem Hund jemanden gewünscht, der mich für die spezielle Rasse und den Charakter meines Rüden sensibilisiert. Jemand, der mir sagt, dass eine Bulldogge für gewöhnlich keine Übungen braucht, die sein Selbstbewusstsein stärken. Dass man nicht einfach nur in die Hundeschule geht und dann wird das schon. Ich hätte gewollt, dass mir jemand sagt, dass man die Unterschiede der Genetik, den Charakter und die individuelle Geschichte des Hundes berücksichtigen muss, anstatt ihn in ein Schema zu pressen. Jemand, der uns als Team von Anfang an individuell begleitet“, so Bracic.
Heute möchte sie dieser Jemand für andere Hundehalter, die ihre Hilfe suchen, sein.
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