Bad Berleburg. Zum Tag des Schlaganfalls spricht die Redaktion mit Dr. Dietmar Schäfer, Vamed-Klinik Bad Berleburg. Im Notfall komme es auf jede Minute an.

Der Schlaganfall – er gehört nach Krebs und Herzinfarkt zu den drei häufigsten Todesursachen. In Deutschland erleiden rund 270.000 Menschen jährlich einen solchen Schlaganfall. Ob und wie stark ein Mensch von einer plötzlichen Durchblutungsstörung im Gehirn beeinträchtigt wird, hängt von einem entscheidenden Faktor ab: dem Faktor Zeit! Wie schnell ein Schlaganfall erkannt wird und eine Behandlung einsetzt, ist nicht nur entscheidend dafür, ob das Leben eines Menschen gerettet werden kann, sondern auch, ob und wie stark langfristige Schäden zurückbleiben.

Wir haben zum Tag des Schlaganfalls mit Dr. Dietmar Schäfer gesprochen. Schäfer ist Facharzt für Neurologie und ärztlicher Direktor der Vamed-Rehaklinik in Bad Berleburg, die 40 Jahre Expertise in der Behandlung von Schlaganfallpatienten mitbringt.

Wie erkenne ich einen Schlaganfall?

Je nachdem, welche Region des Hirns betroffen ist, können ganz unterschiedliche Symptome auftauchen – auch mehrere gleichzeitig. Ganz charakteristisch ist die Halbseitenlähmung. Das heißt: ein Arm und ein Bein auf der gleichen Seite sind geschwächt, man fällt vielleicht immer zur Seite oder es fällt einem etwas aus der Hand. Es kann aber auch sein, dass sich die eine Seite des Körpers nur anders anfühlt, dass es ständig kribbelt, dass es taub ist. Ein weiteres Zeichen ist auch, dass man plötzlich nichts sehen kann. Entweder auf einem Auge, was ein Vorbote eines Schlaganfall sein kann, oder dass man mit beiden Augen eine Gesichtsfeldhälfte nicht wahrnimmt. Es könnte auch sein, dass man alles doppelt sieht. Ein weiteres Symptom wäre eine Sprachstörung: Entweder kann man Gesprochenes nicht verstehen oder ist selbst nicht mehr in der Lage zu sprechen – weil die Zunge nicht das tut, was man will oder weil einem die richtigen Worte nicht mehr einfallen.

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Stichwort: Schlaganfall

„Ein Schlaganfall ist eine plötzliche Durchblutungsstörung des Gehirns“, erklärt Dr. Dietmar Schäfer von der Vamed-Rehaklinik in Bad Berleburg.

„Das heißt: Innerhalb von kürzester Zeit ist die Energieversorgung des Gehirns durch das Blut unterbrochen. Und Nervenzellen im Gehirn können das nur sehr kurzzeitig ertragen.“

Was kann ich dann am besten tun?

Das Wichtigste ist, dann so schnell wie möglich ins Krankenhaus zu kommen. Nicht den Hausarzt rufen, nicht die nette Krankenschwester von nebenan, sondern den Notruf 112!

Man sollte immer über den Notruf gehen und nicht selbst in die Ambulanz fahren, um die Rettungskette auszulösen?

Genau. Das ist entscheidend. Man umgeht die Warteschlange der Notaufnahme und kommt häufig unmittelbar in die Computertomographie, ein Röntgenverfahren, mit dem man die Durchblutungsstörung im Gehirn sichtbar machen kann.

Was passiert, wenn ich einen Schlaganfall womöglich nicht rechtzeitig bemerke?

So eine plötzliche Durchblutungsstörung führt zu einem Absterben von Hirnzellen. Dieser Prozess nimmt etwa sechs bis zwölf Stunden in Anspruch. Innerhalb der ersten drei bis viereinhalb Stunden kann man das Hirngewebe zum Teil retten. Das heißt, wenn man in dieser Zeit eine Behandlung – in der Regel die Auflösung des Blutgerinnsels – vornimmt, kann die Durchblutung wieder hergestellt und ein Teil des Gewebes gerettet werden. Wartet man ab, schläft eine Nacht drüber, ist all das nicht mehr möglich, weil die Lysetherapie innerhalb von viereinhalb Stunden abgeschlossen sein muss.

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Drüber schlafen ist ein Punkt. Wartet man zu lange oder bemerkt es nicht, kann man am Schlaganfall also auch sterben?

Tatsächlich ist der Anteil von Menschen, die am Schlaganfall sterben Gott sei Dank deutlich geringer geworden in den letzten Jahren. Weil es im Krankenhaus durch die Lysetherapie oder die mechanische Thrombektomie – also das Herausziehen eines Blutgerinnsels mit einem Katheter – gelingt, die Überlebensrate erheblich zu verbessern. Aber es stirbt immer noch ein hoher Teil an Menschen am Schlaganfall. Am Tag gab es in Deutschland im Jahr 2021 im Durchschnitt noch 145 Schlaganfalltote. Das sind zwar im Vergleich zu 215 Schlaganfalltoten am Tag 20 Jahre zuvor erfreulich weniger Fälle, aber es ist immer noch eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland.

Dr. Dietmar Schäfer, Facharzt für Neurologie und ärztlicher Direktor der Vamed-Rehaklinik in Bad Berleburg, im Gespräch mit einer Patientin.
Dr. Dietmar Schäfer, Facharzt für Neurologie und ärztlicher Direktor der Vamed-Rehaklinik in Bad Berleburg, im Gespräch mit einer Patientin. © JOERN MEISTERJAHN

Wie sind die Heilungschancen nach einer Behandlung?

Je schneller die Behandlung erfolgt ist und je kleiner der betroffene Bereich ist, desto geringer die Schäden. Grundsätzlich braucht das Gehirn etwa zwölf bis 18 Monate, um sich von so einem Ereignis zu erholen. Anders ausgedrückt: In dieser Zeit lohnt sich ein intensives Training. Das fangen wir hier in der Reha an, aber das geht meist über die Dauer der Reha hinaus.

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Die Vamed-Reha-Klinik in Bad Berleburg hat eine große Expertise. Was bieten Sie als Reha und Trainingsmöglichkeiten an?

Seit 1983 sind wir neurologische Rehaklinik. Wir haben im Moment 1200 und hatten auch schon einmal bis zu 1600 Schlaganfallpatienten im Jahr. Das heißt, in diesen 40 Jahren haben wir deutlich über 50.000 Menschen nach einem Schlaganfall behandelt.

Es geht darum, die Lebensqualität der Patienten zu verbessern, die Menschen in ein selbstbestimmtes Leben zurückzuführen und ihre die Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen?

Was wir genau machen, ist ein sehr gezieltes motorisches Training. Wir haben dazu auch Robotik-assistierte Verfahren wie den Lokomaten, der Patienten beim Gehenlernen unterstützt. Wir haben einen Armtrainer, der mit einem Biofeedback-System die Handfunktionen trainiert. Wir haben ein intensives sprachtherapeutisches Behandlungsprogramm für Menschen, die nicht sprechen können oder die Sprache nicht verstehen. Hinzu kommt eine intensive Förderung im neuropsychologischen Bereich. Da geht es um Konzentration, Gedächtnis und Aufmerksamkeit. Auch das wird immer wieder durch Computer unterstützt. In der Ergotherapie geht es um Selbsthilfefähigkeit. Wir haben jetzt auch einen Testbereich geschaffen, in dem wir berufliche Fähigkeiten der Motorik austesten können.

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Diese Trainingsprogramme verändern sich auch?

Sie werden jährlich mit der Rentenversicherung abgesprochen. Die erwartet tatsächlich einen sehr hohen Behandlungsstandard, den wir zu 90 bis 95 Prozent erfüllen. Gefordert sind 83 Prozent – um das Verhältnis deutlich zu machen. Dass man die Anforderungen nicht immer komplett erfüllen kann, hängt auch vom Einzelfall, von individuellen Problemen der Patienten ab.

Sie bekommen einen akut therapierten Patienten, der nicht in Lebensgefahr ist, aber eine Anschlussbehandlung braucht. Das ist der Idealfall, oder?

Manchmal ist der Schlaganfall erst eine Woche her. Wir sehen die Patienten inzwischen viel früher als in den 1980er Jahren, was die Ergebnisse auch deutlich verbessert. Bis in die 1990er Jahre warteten die Patienten zum Teil bis zu einem halben Jahr auf einen Rehaplatz. Das ist Gott sei Dank nicht mehr der Fall. Heute versucht man, die Schlaganfallpatienten nahtlos aus dem Krankenhaus in die Reha zu bekommen.