Bad Berleburg/Arnsberg. Es klingt wie die klassische Fortsetzung: Wieder klagen Waldbauern. Und wieder gewinnen sie. Aber das Urteil hat zusätzliche Brisanz
Es ist die nächste Niederlage für den Trägerverein des umstrittenen Wisentprojektes. Und sie wischt ein wichtiges Argument des Wisentvereins weg: Der zweite Zivilsenat unter dem Vorsitzenden Jörg Maus sieht die frei im Rothaargebirge umherstreifenden Tiere nicht als „herrenlos“.
In dem Ende März verkündeten Urteil wird dem Verein aufgegeben, „geeignete Maßnahmen“ zu ergreifen, um die Tiere am Betreten der Grundstücke dieses dritten Klägers in Grafschaft zu hindern und auch zu verhindern, dass die Tiere Baumrinde fressen. Außerdem habe der Verein für eine angemessene Entschädigung des Klägers zu sorgen.
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Das klingt erst einmal danach, dass sich das Gericht bei diesem bislang ruhenden Verfahren an den vorherigen Urteilssprüchen des Oberlandesgerichts Hamm in den Fällen der Landwirte Georg Feldmann-Schütte und Hubertus Dohle aus Schmallenberg orientiert hat.
Es gibt aber eine Besonderheit, wie Rechtsanwalt Hans-Jürgen Thies als Vertreter der Waldbauern erläutert: „Das Gericht ist der Auffassung, dass der öffentlich-rechtliche Vertrag nach wie vor wirksam und gültig ist“. Das bedeutet übersetzt, dass der Verein nach wie vor für alles rund um die frei umherstreifende Wisentherde verantwortlich ist, weil er Tierhaltereigenschaft habe.
Gericht zum Streitpunkt Herrenlosigkeit
Der Trägerverein hatte seine „Tierhalter-Eigenschaft“ am 29. September 2022 überraschend in einer Pressemitteilung aufgegeben, den öffentlich-rechtlichen Vertrag über das Auswilderungsprojekt einseitig aufgekündigt und die Freisetzungsphase für beendet erklärt. Dies hätte Auswirkungen auf Schadenersatzansprüche der Kläger einerseits, aber vor allem auf die drohenden Ordnungsgelder, von denen sich der Wisentverein bedroht sieht. Bis zu 250.000 Euro hat Rechtsanwalt Thies bereits für Zuwiderhandlungen am 13. Januar diesen Jahres als Ordnungsgeld gegen den Verein beim Landgericht Arnsberg beantragt, weil der Verein die Tiere nicht davon abhalten könne, fremde Grundstücke zu betreten und Schälschäden an Bäumen zu verursachen.
Die einseitige Kündigung der Vertrages wird von den anderen Beteiligten des Vertrages – unter andrem den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Hochsauerland – nicht akzeptiert. Die pochen auf eine einstimmige Entscheidung, ob die Auswilderung erfolgreich ist.
Der zweite Zivilsenat unter dem Vizepräsidenten des Landgerichtes, Jörg Maus, sieht die Tiere nicht als „herrenlos“ und die Auswilderungsphase noch nicht als beendet an. Das spielt sowohl den Klägern als auch den anderen Beteiligten des Projektes in die Karten, die ihre Rechtsauffassung bestätigt sehen.
Runder Tisch vor schwieriger Aufgabe
Inwieweit dieses Urteil Auswirkungen auf den Runden Tisch hat, der das Wisentproblem einvernehmlich lösen soll, ist nicht bekannt. Der Kreis Siegen-Wittgenstein, dessen Landrat Andreas Müller die Steuerungsgruppe leitet, wollte sich gestern nicht äußern, weil die Urteilsbegründung noch nicht vorliege.
Anders Hans-Jürgen Thies: Der Rechtsanwalt sieht auch den Runden Tisch als schwierig an, weil die Waldbauern dort nicht mit am Tisch sitzen, sondern nur die direkten Vertragsparteien. Ärgerlich ist Thies über das Landgericht Arnsberg, das noch immer nicht über seinen Antrag auf Ordnungsgelder vom 16. Januar 2023 entschieden habe.
Kritik übt der Anwalt auch daran, dass aktuell niemand den Mut habe, das Projekt zu beenden: „Man hätte die Büchse der Pandora nicht öffnen dürfen“, sagt Thies und verweist darauf, dass der umstrittene Projektverlauf auch Auswirkungen auf andere Naturschutzprojekte haben könnte.