Bad Laasphe: Wie Herbert Präger Auschwitz überlebt hat
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Bad Laasphe. Er hat sich trotzdem für die Versöhnung mit den Deutschen eingesetzt. Am 4. Februar 2023 wäre er 100 Jahre alt geworden. Das ist seine Geschichte.
1923 In Laasphe in einem jüdischen Elternhaus geboren, wurde er 1943 im Alter von 20 Jahren nach Auschwitz deportiert. Nach seiner Befreiung ging er nach Palästina und lebte mit seiner später gegründeten Familie in Petach-Tikwa in Israel. Erst 40 Jahre nach seiner Deportation besuchte er erstmalig wieder seine Heimatstadt Laasphe. Die Rede ist von Herbert Präger, der 2010 im Alter von 87 Jahren starb und am heutigen Samstag 100 Jahre alt geworden wäre. Seinen 100. Geburtstag nimmt der Bad Laaspher Freundeskreis für christlich-jüdische Zusammenarbeit e.V. zum Anlass, an sein Schicksal zu erinnern.
Unbeschwerte Kindheit endet schnell
Herbert Präger wird am 4. Februar 1923 geboren und verlebt seine Kindheit im Elternhaus Schloßstraße 14 am Rande der Laaspher Altstadt. Wenige Tage vor seinem 10. Geburtstag haben die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht übernommen, wodurch sich das Leben der jüdischen Bevölkerung zunehmend verändert. Herbert Präger besucht die Mittelschule (Realschule). Als der Rektor durch einen uniformierten SA-Mann abgelöst worden ist, dauert es nicht lange, bis Herbert Präger die Schule verlässt, weil er die Schikanen nicht mehr erdulden kann, denen er sich zunehmend ausgesetzt sieht. Er besucht nunmehr die jüdische Schule in der Synagoge in der Mauerstraße. Nach Ende seiner Schulzeit arbeitet er in einer Wallauer Autowerkstatt.
Er ist 15, als er nach der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 bei seinen Großeltern in Fischelbach verhaftet wird und zwei Tage im Laaspher Gerichtsgefängnis verbringen muss. Danach wird er mit weiteren Laaspher Juden für drei Wochen ins Polizeigefängnis Siegen überführt. Nach seiner vorübergehenden Rückkehr nach Laasphe trägt er sich mit Auswanderungsgedanken. In den Rathaus-Akten befindet sich noch heute sein Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses, den er benötigt, um Deutschland verlassen zu können.
Doch es soll anders kommen. Herbert Präger findet einen Platz in der Lehrwerkstätte der jüdischen Gemeinde Köln. Nach Kriegsausbruch kommt er zunächst unter Gestapo-Aufsicht zum Forsteinsatz in der Nähe von Jüterbog-Luckenwalde. Ende August 1940 soll er eigentlich in Paderborn durch eine landwirtschaftliche und gärtnerische Ausbildung auf die Auswanderung vorbereitet werden. Tatsächlich muss er wie andere Juden auch bei der städtischen Müllabfuhr arbeiten. Im Juni 1941 kann er nach Laasphe zurückkehren, wo er wie die meisten männlichen Juden im Holzwerk C.C. Bang arbeiten muss.
Herberts Vater Max Präger war als „Vertrauensmann“ Bindeglied zwischen der jüdischen Gemeinde und der Stadtverwaltung geworden für die Durchführung der Deportationen nach Zamosc (April 1942) und Theresienstadt (Juli 1942). Betroffen waren 65 jüdische Frauen, Männer und Kinder, von denen niemand zurückkehrte.
Zwangsarbeit für die Rüstung
Jüdisches Leben in Wittgenstein
1/42
Am 27. Februar 1943 begleitet Max Präger seinen Sohn Herbert nach Dortmund – zur Kontrolle des Arbeitsbuches, wie es hieß. Während der Vater nach Laasphe zurückkehren darf, wird der Sohn verhaftet und mit einem Sammeltransport der Reichsbahn nach Auschwitz deportiert. Beim Abschied erhält Herbert den Segen des Vaters mit auf den Weg und muss ihm versprechen, die jüdischen Gesetze einzuhalten.
An der Rampe von Auschwitz
Nach Passieren des Tores zum Lager Auschwitz-Birkenau hält der Zug an der sogenannten Rampe von Auschwitz, wo sich nach dem Aussteigen das Schicksal der Ankommenden entscheidet. Herbert Präger ist jung und kräftig und wird zum Tod durch Arbeit selektiert. Ihm wird die Häftlings-Nummer 105010 in den linken Unterarm tätowiert. Zunächst arbeitet Herbert Präger im Stammlager Auschwitz I in einem Bauhof, bevor er im Nebenlager Auschwitz-Monowitz in der Produktion von künstlichen Gummireifen für die Militärfahrzeuge zum Einsatz kommt. Bei einer weiteren Selektion zur Arbeit kann er das Lager Auschwitz verlassen und kommt in das im Juli 1943 errichtete Nebenlager KZ Eintrachthütte in Schwientochlowitz, einem Ort in der Nähe von Kattowitz, wo Kanonen gebaut werden. Die nächste Station der Zwangsarbeit sind die Saurerwerke in Wien, wo Geländefahrzeuge produziert werden. Im Zuge des Vorrückens der alliierten Streitkräfte werden die Häftlinge von dort zu Fuß in Marsch gesetzt. Ziel dieses Todesmarsches ist das Lager Mauthausen, das aber beim Eintreffen schon so überfüllt ist, dass die Neuankömmlinge ins Nebenlager „Gusen 1“ transportiert werden. Dort werden in einem Stollen Teile für Messerschmidt-Flugzeuge hergestellt, so Herbert Präger bei seinem ersten Besuch in Bad Laasphe nach seiner Befreiung.
Als die Truppen der Alliierten näher kommen, trifft die SS Vorbereitungen, um die Stollen mit allen Häftlingen in die Luft zu sprengen, was aber durch Eingreifen des Roten Kreuzes verhindert wird. Herbert Präger ist gerettet.
Er entscheidet sich dafür, nicht nach Deutschland zurückzukehren. „Ich kannte sie doch alle,“ so formuliert er in 1983 seine Begründung. Er wollte in Laasphe nicht diejenigen treffen, die für sein und das Schicksal seiner Familie Mitverantwortung trugen. Seine Eltern und seine kleine Schwester Ursula waren im Mai 1943 zunächst ins Lager Theresienstadt gekommen und wurden in 1944 in Auschwitz ermordet. Die ältere Schwester Hannelore überlebte in einem Nebenlager von Auschwitz in Schlesien.
Herbert Präger fährt mit dem Zug von Bologna durch ganz Italien bis Bari. Von dort will er mit dem Schiff nach Palästina. Das Schiff wird auf dem Weg dorthin von einem britischen Zerstörer aufgebracht. Herbert Präger wird in Zypern interniert und muss dort sieben Monate warten, bis er Papiere bekommt, die eine Einreise nach Palästina ermöglichen.
Dort angekommen schließt er sich der Hagana an, der zionistischen Militärorganisation zu Zeiten der britischen Besatzung, aus der später die israelische Armee hervorgeht. Nach der Entlassung aus dem Militär in 1949 lernt er in der Molkerei einer landwirtschaftlichen Schule seine spätere Ehefrau Zehawah kennen. 1955 heiraten sie und werden vier Kinder haben.
Ehrenbrief der Stadt Bad Laasphe
Dem ersten Besuch in Bad Laasphe sollen weitere folgen. 1988 kommt er erneut mit Ehefrau Zehawah anlässlich des 50. Jahrestages der Pogromnacht vom 9./10. November 1938. Dort gibt es ein Wiedersehen mit Laaspher Juden, die den Holocaust durch Flucht ins Ausland überlebt hatten. 1992 kommt das Ehepaar nochmals zu einer Freundschaftswoche, zu der der in 1991 gegründete Freundeskreis für christlich-jüdische Zusammenarbeit eingeladen hatte. Zur Erinnerung an den letzten Laaspher Synagogenvorsteher Max Präger erhält die Straße, die am Elternhaus Herbert Prägers in die Schloßstraße einmündet, den Namen seines Vaters. An seinem 80. Geburtstag überreicht ihm der damalige deutsche Botschafter in Israel, Rudolf Dressler, den Ehrenbrief der Stadt Bad Laasphe; der Dank an einen Sohn der Stadt für seine Bereitschaft, die Hand zur Versöhnung auszustrecken.
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