Bad Berleburg. Neues Zeitalter der medizinischen Versorgung: In Berleburg eröffnet eine telemedizinische Augenarztpraxis. Das erwartet die Patienten vor Ort.
Juckende oder kratzende Augen, ein Zittern oder das Gefühl, weniger sehen zu können – es gibt viele Gründe, warum Menschen einen Augenarzt aufsuchen. Nachdem Dr. Christine Roberts die einzige Augenarztpraxis in Wittgenstein geschlossen hatte, bedeutete dies für die Patienten lange Fahrwege zum nächsten Augenarzt. Damit soll jetzt Schluss sein: Im November eröffnet die telemedizinische Augenarztpraxis der Artemis Gruppe in der Bad Berleburger Talstraße 2 – am Marktplatz neben dem Bistro Kaffeemühle. Es ist die erste telemedizinische Augenarztpraxis (TAP) dieser Art in Deutschland – auch für Dr. med. Kaweh Schayan-Araghi, Gründer und ärztlicher Leiter der Artemis Augenklinik in Dillenburg, ein besonderer Moment. Doch wie läuft eine Behandlung dort eigentlich ab?
Bislang wurden die Räumlichkeiten in der Talstraße 2 von Dr. med. Holger Finkernagel für die Schulung seiner Diabetespatienten genutzt – und das bleibt auch weiterhin so. „Wir nutzen die Räumlichkeiten parallel und teilen uns das Wartezimmer“, so Dr. Schayan-Araghi. „Der Raum, in dem wir nun tätig sind, stand ohnehin leer.“ Schon jetzt können sich Patienten für den November dort einen Termin via Mail (bad-berleburg@artemiskliniken.de) oder Telefon (02751/4487649) machen. „Wir haben noch keine geregelten Öffnungszeiten, sondern behandeln nach Vereinbarung.“
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Und die Behandlung sieht wie folgt aus: Der Patient bekommt zu Beginn der Behandlung ein Erklärvideo gezeigt, in dem er darüber aufgeklärt wird, wie der Vorgang abläuft. Des Weiteren muss er einen Fragebogen ausfüllen – die klassische Anamnese findet also auch hier statt. „Es ist immer eine medizinische Fachangestellte vor Ort“, erklärt Dr. Schayan-Araghi. Dann geht es auch schon los: Es werden verschiedene Messungen und Fotoaufnahmen vom Auge gemacht. Dazu wurde eine Reihe spezialisierter augenärztlicher Untersuchungsgeräte zur Befunderhebung, Messung und fotografischen Dokumentation verschiedener Augenabschnitte eingerichtet.
Untersuchungen von medizinischen Fachangestellten
Die daraus resultierenden Untersuchungen werden anschließend von einer geschulten medizinischen Fachangestellten durchgeführt. „Die dort erhobenen Befunde werden über eine spezielle, von der Industrie bereitgestellte Software datenschutzkonform zu augenärztlichen Mitarbeitern der Artemis-Augenklinik-Gruppe übertragen“, so der Medizinier. Dieser Prozess ermögliche eine standortunabhängige Diagnose durch einen Facharzt, „der mit Hilfe der übermittelten Daten Kontrolluntersuchungen und Routinetermine mit gleichem Qualitätsniveau wie vor Ort durchführen kann.“
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Via Mail – oder sollte kein Mailpostfach vorhanden sein, via Post – erhält der Patient zeitnah sein Ergebnis. „In dringenden Fällen rufen wir auch an.“ Sollten weitere Untersuchungen notwendig sein, können Patienten zielgerichtet in die nächste Augenklinik oder -praxis überwiesen werden. Und das Rezept? „Viele lindernde Mittel sind rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. Hier sprechen wir dann eine Empfehlung aus. Ansonsten kann das Rezept via Mail geschickt werden, oder im Notfall auch von einem Bad Berleburger Art unterschrieben werden.“ Kostenlos ist die Behandlung nicht. 70 Euro kostet der Besuch in der telemedizinischen Augenarztpraxis . „Wir haben leider bislang keine Kassenzulassung erhalten. Aktuell müssen die Patienten also noch selber zahlen. Aber sie sparen sich so den weiten Weg in die nächstgelegene Augenarztpraxis. Wir wollten nicht noch länger mit unserem Angebot warten.“
Frühzeitig Veränderungen erkennen
Denn wie in vielen anderen medizinischen Bereichen gilt auch beim Auge: Je eher Veränderungen und Krankheiten festgestellt werden, desto höher die Chance auf Heilung. „Wenn der Patient es spürt, ist es häufig schon zu spät.“ Gerade Diabetiker sollten mindestens einmal im Jahr zur Kontrolle, so der Mediziner. Bad Berleburg war ihm auch vor dem Beziehen der Praxis nicht fremd. „Gemeinsam haben wir mit Dr. Roberts sieben Jahre einen Nachfolger, der sich mit seiner Praxis hier niederlassen möchte, gesucht. Doch viele der jungen Kollegen wollen lieber in die Großstadt“, so der Gründer der Artemis Augenklinik. „Selbst in Dillenburg haben wir Probleme.“
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Auch ein Headhunter habe keinen Nachfolger finden können. Umso schöner also, dass mit der telemedizinischen Augenarztpraxis zumindest eine erste Anlaufstelle geschaffen wurde. „Jetzt starten wir in ein neues Zeitalter, um die augenärztliche Grundversorgung in der Region Bad Berleburg weiterhin sicher zu stellen.“ Die Artemis Gruppe ist zuversichtlich, dass weitere Praxen dieser Art in Zukunft entstehen. „Allein in Hessen sind 14 Praxen derzeit noch unbesetzt. Auch hier müssen wir nach Lösungen für die Zukunft schauen.“
Das sagt die Stadt Bad Berleburg
Regina Linde, Fachbereichsleiterin Bürgerdienste bei der Stadt Bad Berleburg, freut sich, dass mit der telemedizinischen Augenarztpraxis nun auch in Bad Berleburg eine augenmedizinische Versorgung wieder sichergestellt wird. „Das hat für uns gleich mehrere Vorteile“, so Linde. Zum einen passe solch ein Pilotprojekt hervorragend zur Smart City. „Wenn sich künftig ein Arzt findet, der sich hier mit seiner Praxis niederlassen möchte, immer gern. Jetzt aber sind wir froh, dass wir mit dieser neuen Form der Praxis eine Möglichkeit haben, den Menschen vor Ort eine augenmedizinische Versorgung bieten zu können, ohne dass sie weit fahren müssen.“
>>> Kommentar: Ende der langen Fahrerei <<<
Endlich ist sie wieder da: die augenärztliche Versorgung in Wittgenstein – auch wenn „nur telemedizinisch“, wie manch einer vielleicht sagen wird. Gut, es sitzt kein Arzt mit vor Ort im Zimmer – aber dafür eine geschulte, medizinische Fachangestellte. Man sitzt dort also nicht allein inmitten von technischen Geräten. Einem wird geholfen – und das ohne lange Fahrwege. Denn die sind, sollte kein Angehöriger gerade vor Ort sein und Zeit haben, nicht gerade einfach zu bewältigen. Autofahren bei Augenproblemen? Das sollte man lieber lassen – allein schon, um sich und die anderen im Verkehr nicht zu gefährden.
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Und ob der Arzt die Ergebnisse der Messungen und Bilder nun vom Homeoffice oder einer Praxis in einer anderen Stadt oder vor Ort auswertet, ist eher zweitrangig. Hauptsache, einem wird geholfen. Gerade in einer Zeit, wo kaum Ärzte – egal welcher Fachrichtung – aufs Land kommen, sind telemedizinische Praxen die einzige Möglichkeit, dass auch weiterhin flächendeckend eine medizinische Versorgung möglich ist.