Berghausen. Parzellen auf dem Areal an der Lehmbachstraße werden immer beliebter. Wie das Projekt vor allem von der Gemeinschaft lebt, zeigt unser Besuch.

Heute morgen arbeitet Lea Spies (32) aus Berghausen im Garten. Sie möchte den Spitzkohl ernten, den sie hier angebaut hat. Allerdings wächst er nicht vor dem eigenen Haus, sondern im Berghäuser Feldgarten an der Lehmbachstraße. Hier bewirtschaften aktuell rund 25 Feldgärtner zum Teil mit ihrer ganzen Familie in Kleingruppen sieben kleine Parzellen. Eine davon wird zum Beispiel von den Landfrauen beackert, eine andere von einem Freundeskreis. „Es ist ein Mitmachprojekt, wo Du Dich erden kannst“, betont Ideengeber Rolf Stremmel aus Berghausen. Auch Grundschule, Kita und Dorfjugend mischen mit.

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Die Parzelle als Lernort

„Ich als Mama bin selbst mit einem Garten groß geworden“, erzählt Spies, Mutter zweiter Kleinkinder (2 und 4). Allerdings habe die Familie daheim keinen eigenen Garten, nur Wiese und eine kleine Kräuter-Ecke. Da komme ihr das Feldgarten-Projekt sehr entgegen. Auch, weil sich so den Kindern schon früh vermitteln lasse, „dass Gemüse nicht einfach aus dem Supermarkt kommt“, sondern auf Feldern wächst. Dass da „aus einem kleinen Samen etwas Großes erwächst“. Und dass da „auch ein bisschen Arbeit drinsteckt“. Immer wieder kommt die gelernte Betriebswirtin deshalb vorbei, um zu gucken: Gedeiht auch alles gut? Und bei Bedarf reagiert die Hobby-Gärtnerin.

Lea Spies ist gelernte Betriebswirtin und Mutter zweier Kleinkinder. Das Gärtnern ist für sie Hobby und Ausgleich zum Job. Und ihre Ernte auf der kleinen Parzelle kann sich sehen lassen.
Lea Spies ist gelernte Betriebswirtin und Mutter zweier Kleinkinder. Das Gärtnern ist für sie Hobby und Ausgleich zum Job. Und ihre Ernte auf der kleinen Parzelle kann sich sehen lassen. © Eberhard Demtröder

Die Palette der Feldfrüchte

Die Palette dessen, was Lea Spies auf etwa 15 Quadratmetern ernten kann, ist nicht klein: Neben Spitzkohl wachsen Wirsing, Kohlrabi, Karotten, Brokkoli, Zucchini, Zwiebeln, Erbsen und Porree. Nur mit dem Knoblauch habe es nicht geklappt, bedauert Spies. Aber das sei eben ein Lernprozess. Beteiligt hat sich Familie Spies auch am gemeinsamen Kartoffel-Anbau der Berghäuser Feldgärtner – und natürlich an der späteren Ernte mit einem kleinen Fest vor Ort.

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Was Lea Spies als Vorteil des Feldgartens sieht: „Man kann sich hier immer Rat bei anderen holen, sich mit ihnen austauschen.“ Wann sie denn den Wirsing ernten könne, möchte sie von Rolf Stremmel wissen. „Eigentlich sofort“, sagt er. Und der frühere Grundschul-Lehrer (64) muss es wissen: „Ich gärtnere nun schon seit Kindertagen. Das sind 50 Jahre an Erfahrung.“ Aber auch er hat noch nicht ausgelernt, weil jedes Gartenjahr anders ist und meint: „So viel gelernt wie in diesem Jahr im Feldgarten habe ich schon lange nicht mehr.“

Ein Projekt mit Wachstum

Was das Projekt betrifft: Ursprünglicher Gedanke sei es gewesen, so Stremmel, mit Kita- und Grundschulkindern ein Garten- oder Acker-Projekt zu gestalten. Dann aber habe sich bei den Planungen für das Dorfjubiläum kommendes Jahr im Herbst 2020 die Idee mit dem Feldgarten ergeben. Und die Bereitschaft zum Mitmachen sei sogleich groß gewesen. Allen Beteiligten sei von Anfang an klar gewesen, „dass so ein Projekt längerfristig angelegt werden muss und im wahrsten Sinne des Wortes Zeit zum Wachsen benötigt“.

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Gemeinsam für Nachhaltigkeit und mehr Wertschätzung für Lebensmittel (von links): Hobby-Gärtnerin Lea Spies, Rolf Stremmel als Ideengeber des Projekts Feldgarten und Feldgärtnerin Marlene Knebel
Gemeinsam für Nachhaltigkeit und mehr Wertschätzung für Lebensmittel (von links): Hobby-Gärtnerin Lea Spies, Rolf Stremmel als Ideengeber des Projekts Feldgarten und Feldgärtnerin Marlene Knebel © Eberhard Demtröder

Es habe ein wenig gedauert, berichtet Rolf Stremmel, „bis von den verschiedenen Behörden mit entsprechenden Auflagen grünes Licht kam“. Zusammenfassend aber könne man sagen: „Wir sind überall auf offene Ohren gestoßen und materiell sehr unterstützt worden. Die Stadt Bad Berleburg hat uns im Rahmen der Förderung von Kleinprojekten Pflanzen für eine Blühsträucher-Hecke und ein Staudenbeet sowie die für den Ökolandbau zugelassene Grund-Düngung gesponsert. Und vom Kreis Siegen-Wittgenstein bekamen wir kostenfrei fünf Obstbäume und das Saatgut für den anzulegenden Grünstreifen geliefert.“

Das soziale Miteinander

Für Rolf Stremmel stärkt der Feldgarten aber auch das soziale Miteinander. „Menschen, die sich bisher nur auf der Straße grüßten, kommen in näheren Kontakt und Austausch. Gruppen verabreden sich zum Arbeiten. Geselligkeit gehört dazu. Man nimmt sich Zeit für eine kleine Pause in der Sitzecke, natürlich mit einem passenden Getränk und Fingerfood. Rezepte werden ausgetauscht, wenn gerade Mangold- oder Spitzkohl-Schwemme ist.“ In den nächsten Tagen steht ein Kartoffelbraten mit der gesamten Feldgarten-Mannschaft an. Vorher müssen die Feldgärtner für den Erntewagen der Dorfjugend aber noch das Gemüse ernten und die Blumen schneiden.

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Die Nachhaltigkeit im Beet

Rolf Stremmel zeigt die feinen Samen der Zierpflanze Fuchsschwanz und Samen der Erbse. Sie sollen im kommenden Frühjahr ausgesät werden.
Rolf Stremmel zeigt die feinen Samen der Zierpflanze Fuchsschwanz und Samen der Erbse. Sie sollen im kommenden Frühjahr ausgesät werden. © Eberhard Demtröder

„Nachhaltig etwas für die Erhaltung der Artenvielfalt tun und die Auswirkungen des Klimawandels miterleben“ – nicht zuletzt darum soll es im Feldgarten gehen. Setzen wollen die Gärtner eben nicht auf Monokulturen, sondern auf Vielfalt, auf den Anbau alter, samenfester Sorten. Pflanzen wollen sie zur Samenreife kommen lassen, eigenes Saatgut gewinnen.

„Unser Feldgarten ist kein aufgeräumter steriler, ausgeputzter Garten, sondern ein lebendiges Stück Natur“, sagt Rolf Stremmel. Die Artenvielfalt sei „notwendig, um ein natürliches Gleichgewicht herzustellen, aber das braucht seine Zeit. So haben wir zurzeit mit Wühlmäusen und massivem Kohllaus-Befall zu kämpfen. Die alte Gärtnerweisheit ,Pflanze drei! Eins fürs Wetter, eins für die Schädlinge und nur eins für Dich’ lehrt uns auch damit umzugehen.“ Und auch das ist Natur: Scharen von Distelfinken in den Samenständen von Sonnenblumen und der abgeblühten Wildblumen-Mischung.

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Das Lebensmittel als Wert

Zu den Feldgärtnern gehört die Berghäuserin Marlene Knebel. Sie unterstreicht, was Lea Spies bereits andeutet: Lebensmittel und die damit verbundene Arbeit müssten heute wieder deutlich mehr wertgeschätzt werden – nicht zuletzt mit Blick auf die Umweltprobleme und Krisen weltweit, die auch uns in Deutschland, in Wittgenstein zunehmend betreffen. Im Feldgarten lerne man, so Knebel: „Nicht alle Möhren wachsen gerade und nicht jeder Salatkopf erreicht EU-Normgröße. Da wird eine Menge vermeintlicher Ausschuss produziert, um die Märkte mit makelloser Ware zu beliefern. Eine zu kleine Gurke, eine krumme Karotte oder ein aufgeplatzter Kohlkopf, wie wir sie im Feldgarten häufiger auch ernten, schmecken aber nicht schlechter als solche mit Normmaß. Sie werden bei uns verarbeitet und landen nicht wie im Erwerbsanbau auf dem Müll.“ Und Stremmel ergänzt: „Unsere Großmütter wären entsetzt über die Verschwendung. Denn auch die krumme Möhre benötigte zum Wachsen ihrer Hände Arbeit und verursachte Kosten für Saatgut und Dünger, genau wie die gerade“, meint Stremmel.

Der Blick in die Zukunft

„Die Sache wird weiterlaufen“, ist Rolf Stremmel vom Berghäuser Feldgarten als nachhaltigem Gemeinschaftsprojekt überzeugt. Jedenfalls „sind die Leute begeistert und fragen: Wo können wir noch einsteigen?“ Und wer einmal dabei sei, der bleibe es auch, hat Stremmel festgestellt. Im Jubiläumsjahr sollen auch kleinere Workshops angeboten werden – zu den Themen Blumenbinden, Pflanzenvermehrung über Stecklinge oder Teilung oder Anlegen eines Kräuter- oder Beerenobstbeetes. „Eigentlich ist das ganze Projekt ein Workshop“, findet Stremmel.