Bad Laasphe. Unter Tränen schildert Lisa Achatzi ihre Lage: Sie ist allein in Südamerika und an Covid erkrankt. Unverhofft kommt ihr ein „Engel“ zu Hilfe.
Als Lisa Achatzi im Frühjahr ihre Tour durch Südamerika nach dem erzwungenen Corona-Stopp fortsetzte, konnte sie über Dauer und Routen ihrer Radreise kaum etwas sagen. Beim Start in der kolumbianischen Metropole Medellín wusste sie nur, dass sie gen Süden durch ein paar Länder fahren und am Ende in Rio de Janeiro ankommen will, um von dort aus wieder nach Deutschland zurückzukehren. Vier Monate später ist klar: Mission erfolgreich!
Dabei war der letzte Akt ihrer Reise ein echter Husarenritt. In der Kleinstadt Itanhaém, circa einhundert Kilometer von São Paulo entfernt, traten plötzlich zwei dicke Striche auf ihrem Corona-Test hervor. Für eine Person, die alleine reist und des Portugiesischen nicht mächtig ist, der absolute Super-GAU. Das alles kurz vor der Rückreise und 550 Kilometer vom Endziel Rio de Janeiro entfernt. „Ich kenne niemanden hier und brauche Proviant und Wasser, außerdem einen Ort, an dem ich in Isolation sein kann“, schildert Achatzi damals unter Tränen.
Der Engel aus dem Dschungel
Achatzi bleibt nichts anderes übrig als der Weg zu einem Hotel. Aus sicherem Abstand erklärt sie der Rezeption, dass sie Corona habe und sich länger einquartieren müsse. Was in Deutschland unmöglich erscheint, wird hier mit einem Willkommen beantwortet. Dem nicht genug: In der Not schickt der Himmel manchmal Engel, hier mit Namen Irani, den Lisa Achatzi Wochen zuvor in einer Unterkunft im Dschungel kennengelernt hatte.
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Weil Irani und drei weitere etwa 60-jährige Biker ebenfalls auf großer Rundreise waren, hatten sie Nummern und viel Erlebtes ausgetauscht. Und da Achatzi sich sowieso bei ihnen wegen des positiven Tests melden musste, war Irani gleichzeitig ihre große Hoffnung auf externe Hilfe. Gesagt, getan. Als sich Achatzis Gesundheitszustand zunehmend verschlechtert, reicht ihr die Rezeptionistin einen Zettel durch ihr Fenster: „Darauf stand, dass Irani angerufen hat und ich mich jederzeit bei der Rezeption melden kann, wenn ich etwas brauche und dass er die Rechnung übernehmen wird“, erzählt Achatzi noch immer überwältigt.
Hilfe aus Paraquay
Die Warmherzigkeit nimmt kein Ende. Als Achatzi Oskar kontaktiert, den sie in dessen Unterkunft Wochen zuvor in Paraquay kennengelernt hatte, lässt auch er alles stehen und liegen. Etwas später meldet sich aus dem Nichts eine Frau namens Miriam bei Achatzi, die Freundin einer Freundin eines Freundes von Oskar. Miriam wohnt in Itanhaém und verspricht, täglich Obst plus Mittagessen zu bringen. „Ich bin unfassbar gerührt und fühle mich jetzt sicher. Es fasziniert mich immer wieder, durch was für Zufälle man Menschen
kennenlernt und wie verbunden man sich fühlen kann. Ich verspüre eine tiefe Dankbarkeit und fühle mich in meinem Glaubenssatz bestätigt: Es gibt mehr gute Menschen als schlechte auf dieser Welt“, schildert Achatzi damals.
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Das Virus erwischt sie hart, die Symptome sind heftig, erst am zwölften Tag gibt ein Selbsttest endlich grünes Licht. Das ganze Dilemma war nicht nur aufregend und schmerzhaft, sondern auch kostspielig: Ein einziger Schnelltest kostete 68 Reais, umgerechnet zwölf Euro.
Weiter, immer weiter
Wieder auf den Beinen, reist Achatzi mit dem Bus erst nach São Paulo, dann nach Rio de Janeiro. In beiden Städten wird sie ein letztes Mal mit dem konfrontiert, das sie auf dem gesamten Weg begleitete: „In beiden Städten war wieder diese extreme Kluft zwischen Arm und Reich. Mitten auf dem Gehweg lag ein einbeiniger Mann auf dem Bauch und schlief, Leute kamen aus einer Shopping Mall und stiegen über ihn drüber, als wäre er ein umgefallener E-Roller, der im Weg liegt. Mein Hostel ist nur fünf Minuten von der Copacabana entfernt und Rio ist wunderschön, aber solche Anblicke liegen mir wie ein Stein im Magen“, erzählt Achatzi rückblickend aus dem wohlbehüteten Elternhaus in Bad Laasphe.
Inzwischen ist Lisa Achatzi wieder mit ihrem Rad unterwegs. Von Barcelona aus geht es zurzeit nach Gibraltar, Marokko, Portugal und Sardinien. Unsere Zeitung berichtet wieder, wenn sie auf ihrer Route von der Türkei aus in Richtung Iran und Turkmenistan aufbricht.
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Das alles natürlich wieder für einen guten Zweck. Apropos: Aus den Spendenaktionen, die Achatzi mit ihrer Südamerika-Reise ins Leben rief, gingen 15.125 Euro an die SOS-Kinderdörfer, 1605 Euro an Viva von Aqua e.V. und 1175 Euro an die UNO-Flüchtlingshilfe. Auch diese Summen begründen vielleicht, warum ihr die 17.260 Rad-Kilometer durch Südamerika noch nicht genug sind.