Bad Laasphe/Montevideo. Die Bad Laaspherin Lisa Achatzi kehrt nach langem Warten zurück nach Südamerika. Diesmal tritt sie für die Flüchtlingshilfe in die Pedalen.

Als Lisa Achatzi im März 2020 im kolumbianischen Medellín auf ihr Fahrrad stieg, konnte sie sich „kein Bild machen“, wie viel Geld ihre Spendenfahrt einbringen würde. Ob Peru, Chile oder Feuerland, von der Atacama-Wüste durch die Anden: fest stand nur eine Tour von etwa 19000 Kilometern, ehe sie aus Brasilien zurück nach Deutschland fliegen würde. Dauer? Egal. Termine? Keine.

Im März 2020 musste sie ihre Tour wegen der Corona-Pandemie beenden. Nun fährt sie erneut für einen guten Zweck: Aufgrund des Ukraine-Krieges startet sie die erste Spendenperiode für die UNO-Flüchtlingshilfe. Spenden kann man über ihren Reiseblog www.wheelsoffortune.org oder im Fotofachgeschäft Achatzi in Bad Laasphe.

Ein Ende mit viel Trubel

„Der Weg ist das Ziel“ klingt oft abgedroschen, umschrieb jedoch selten besser den Ansatz einer solchen Odyssee. Von Plan- oder Ideenlosigkeit konnte aber keine Rede sein. Für die gebürtige Laaspherin war von Beginn an elementar wichtig, dass es kein Reisen nach massentouristischen Maßstäben sein dürfe. Achatzi ging es um Tuchfühlung mit der Bevölkerung und das Bewegen nicht durch, sondern mit der Natur.

Lisa Achatzi im Februar 2020 in Richtung Patagonien am Lago O’Higgins, dem tiefsten See Amerikas (836 Meter).
Lisa Achatzi im Februar 2020 in Richtung Patagonien am Lago O’Higgins, dem tiefsten See Amerikas (836 Meter). © Heiko Rothenpieler | Lisa Achatzi

Was sie dabei immer wieder bewegte, war das Reflektieren der eigenen, nämlich westlichen Privilegien. Schnell wurde ihr klar: Die Ausschläge zwischen Arm und Reich sind extrem, der Kontrast zu dem, was in Europa als Mindeststandard gilt, ist nicht nur hart, sondern auch moralisch zu hinterfragen. Doch auch deshalb lernt sie katastrophale Straßen, platte Reifen und den inneren Schweinehund als Luxusprobleme zu betrachten. Nach nur drei Wochen sagt sie damals: „Ich bin schon jetzt ein anderer Mensch, als der, der in Düsseldorf in den Flieger stieg“.

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Nach sieben Monaten, 10.500 Kilometern und unzähligen Eindrücken endet ihre Reise 2020 jedoch abrupt in Argentinien. Die Corona-Pandemie breitet sich rasend schnell aus und weil ihre damalige Lage in Patagonien der einer Sackgasse gleicht, beginnt für Achatzi ein Wettlauf gegen die Zeit – und in Richtung Buenos Aires. Achatzi schafft damals den Absprung per Bus, doch ihr geliebtes Fahrrad mit dem Kosenamen „Little Black Panther“ muss sie, provisorisch verpackt im Karton eines Flachbildfernsehers, auf den Postweg nach Buenos Aires schicken. Nach viel Trubel kommt Achatzi wohlbehütet in Bad Laasphe an. Online mit im Gepäck: die beeindruckende Spendensumme von 15.125 Euro.

Inzidenzwert von 33

Zu diesem Zeitpunkt glaubt Achatzi noch an eine schnelle Rückkehr. Auch deshalb verweilt sie zunächst im Elternhaus in Bad Laasphe mit einer Mischung aus Prokrastination und Gelegenheitsjobs. Schließlich würde es bald zurück nach Buenos Aires gehen, berufliche Planungen konnten so keine Option sein. Rückblickend sagt Achatzi: „Wenn du so eine Reise beendest, machst du bewusst Dinge zum letzten Mal. Zu Beginn dachte ich, dass ich damit ganz gut klarkomme.

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Die Ungewissheit durch Corona hat mich aber dann doch erschlagen“. Schnell macht sich nach der Rückker aufgrund der pandemischen Entwicklung Desillusion breit und Achatzi „baute eine tägliche Routine auf“. Trotz vieler Fragezeichen ist sie froh, dass sie bei ihrer Familie und damit an einem sicheren Rückzugsort sein konnte.

Verpackt im Karton eines Flachbildfernsehers, wartete Lisa Achatzis Fahrrad seit zwei Jahren in Buenos Aires auf die Weiterfahrt.
Verpackt im Karton eines Flachbildfernsehers, wartete Lisa Achatzis Fahrrad seit zwei Jahren in Buenos Aires auf die Weiterfahrt. © Heiko Rothenpieler | Lisa Achatzi

Nach zwei Monaten entscheidet sie sich jedoch für einen Wechsel nach Berlin, wo sie an ihrer alten Wirkungsstätte, einem Architekturbüro, als Grafikern arbeitete. Danach zieht sie nach Köln und tritt für Aktion Mensch einen Posten als Social-Media-Managerin an.

Von Beginn an ist klar: Das sind nur um vorübergehende Stationen. Immer wieder schielt sie auf Flüge und Inzidenzzahlen. Im November 2020 entpuppt sich aus einem Trend die Gewissheit, dass Südamerika die weltweit höchsten Impfquoten verzeichnet. Achatzi bucht einen Flug für April und hat damit rückblickend den richtigen Riecher: Die derzeitige Inzidenz liegt in Argentinien bei 33.

Neustart in Uruguay

Am 4. April 2022 trifft Achatzi in einer Unterkunft in Buenos Aires ein. Im Stadtteil Belgrano, berühmt durch den Fußballclub River Plate, wird sie nun ein paar Tage zur Vorbereitung nutzen, ehe sie am 9. April per Fähre nach Uruguay übersetzen und westlich von Montevideo auf zwei Rädern losfahren wird.

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Die lange Pause hat also ein Ende gefunden – und das nicht nur für sie. Nachdem sie inzwischen die Spendensumme der ersten Tour an SOS-Kinderdörfer übergeben hat, setzt sie sich nun für die UNO-Flüchtlingshilfe auf den Sattel. Das alles wieder mit ihrem Fahrrad „Little Black Panther“, das fünf Monate verschwunden war, dann eines Tages im Online-Tracking auf einem 1300 Kilometer langen Umweg von Sierra Grande nach Mendoza auftauchte und plötzlich in einem Busbahnhof-Depot in Buenos Aires landete.

Die beiden werden sich viel zu erzählen haben ...