Siegen-Wittgenstein. Die Nachfrage an Pflegefamilien im Kreis steigt. Daher werden dringend neue Pflegeeltern gesucht. So können auch Sie Pflegeeltern werden.

In einer wohlbehüteten und familiären Umgebung aufwachsen – das ist es, was Kinder und Jugendliche im Regelfall sollten. Denn nichts ist so wertvoll und wichtig für die weitere Zukunft jedes einzelnen, als die eigene Kindheit.

Doch nicht immer ist dies von Beginn an gegeben – und es ist ein Schritt, den Jugendämter in der Regel nur dann gehen, wenn sie keine andere Möglichkeit sehen: die sogenannte Inobhutnahme, festgelegt in Paragraf 42 des achten Sozialgesetzbuches. Für diese Kinder gibt es im Prinzip zwei Möglichkeiten: Sie werden in einer pädagogischen Einrichtung untergebracht oder sie kommen in eine Pflegefamilie. Doch welche Voraussetzungen müssen Pflegeeltern erfüllen, um ein Kind aufnehmen zu können? Wie viele Pflegeeltern gibt es im Kreis? Die Redaktion hat mit den Mitarbeitern des Pflegekinderdienstes beim Kreis Siegen-Wittgenstein darüber gesprochen.

Die Situation im Kreis

Laut Caritas NRW wurden 1991 bundesweit fast 44.000 Kin­der in Pflegefamilien untergebracht, 2016 waren es schon mehr als 74.000 Kin­der. Und im Kreis? „Die Nachfrage bei Pflegefamilien ist in den vergangenen Jahren sehr gestiegen – unter anderem auch für ältere Kinder ab 6 Jahren“, so Elisa Stahl vom Pflegekinderdienst. Doch die Zahl der Interessenten als Pflegeeltern gehe aktuell zurück beziehungsweise stagniere. „Wir hoffen natürlich dennoch, für jedes Kind eine geeignete Familie zu finden“, so Stahl.

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Insgesamt 17 Bereitschaftspflegefamilien gibt es derzeit im Kreis Siegen-Wittgenstein – und die waren in den vergangenen Monaten und Jahren gut belegt, wie die Mitarbeiter des Pflegekinderdienstes bestätigen. Bereitschaftspflegeeltern sind Familien, die ad hoc Kinder und Jugendliche bei sich aufnehmen. „Es ist der letzte Schritt, die Kinder aus den Familien zu holen.“ Meist müsse es dann schnell gehen. Bei den Bereitsschaftpflegeeltern finden die Kinder vorübergehend Schutz – bis für sie eine geeignete Dauerpflege gefunden ist.

Udo Hüttmann, Axel Menn und Elisa Stahl (von links) vom Pflegekinderdienst des Kreises Siegen-Wittgenstein.
Udo Hüttmann, Axel Menn und Elisa Stahl (von links) vom Pflegekinderdienst des Kreises Siegen-Wittgenstein. © WP | Ramona Richter

Doch auch hier erklären die Bereitschaftspflegeeltern ihre Bedingungen – zum Beispiel, dass sie nur Kinder im Alter bis zwei Jahren aufnehmen. „Daher ist es wichtig, einen großen Pool an Pflegeeltern zu haben – sowohl in der vorübergehenden als auch in der Dauerpflege – damit für jedes Kind die richtige Familie gefunden werden kann.“ Dabei achten die Mitarbeiter darauf, dass die Bedürfnisse des Kindes mit denen der Familien übereinstimmen.

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Doch wie läuft eine Vermittlung eigentlich ab? „Die findet schrittweise und gemeinsam mit den Mitarbeitern des Pflegekinderdienstes, der Pflegeeltern und in der Regel der leiblichen Eltern statt. Uns ist es wichtig, dass das Kind auch weiterhin Kontakt zu den leiblichen Eltern hat, dass es nicht zwischen den Stühlen steht“, so Udo Hüttmann, Leiter des Pflegekinderdienstes. „Eltern und Pflegeeltern müssen prüfen, ob eine Grundlage für eine Zusammenarbeit gegeben ist. Wenn dies so ist, findet das erste Treffen mit dem Kind statt“, ergänzt Stahl. An diesem Punkt stehen die Familien vor der wichtigen Entscheidung, ob Sie sich vorstellen können, mit diesem Kind zusammenzuleben.

„Sie müssen sich überlegen, ob ihre Familie den besonderen Bedürfnissen des Kindes gerecht werden kann – und ob die Situation des Pflegekindes mit ihren Erwartungen vereinbar ist.“ Auch sollten die eigenen Kinder, wenn vorhanden, mit in die Entscheidung einbezogen werden. „Passt dieses Kind vom Alter und seiner Entwicklung zu unseren eigenen Kindern, oder werden sich diese durch den ,Konkurrenten’ bedroht fühlen?“

Das Kennenlernen

Dann folgt die Kennenlern- und Anbahnungsphase – für beide Seiten eine ungewohnte, aber spannende Phase. Das weiß auch Axel Menn, ebenfalls Mitarbeiter des Pflegekinderdienstes beim Kreis Siegen-Wittgenstein. Gemeinsam mit seiner Frau hat er selbst schon fremde Kinder bei sich aufgenommen – nicht als Pflegeeltern, sondern als Erziehungsstelle. „Die ist aber nicht dem Kreis, sondern einer pädagogischen Erziehungseinrichtung angegliedert“, erklärt Menn. Voraussetzung ist hierbei, dass ein Elternteil bei einer Erziehungseinrichtung tätig ist. Kinder, die in eine Erziehungsstelle kommen, haben einen erhöhten Bedarf. Dennoch: „Es ist ein schönes Gefühl, ihnen eine familiäre Umgebung bieten zu können“, so Menn. Auch, wenn es zu Beginn ungewohnt war. „Es ist ja so: Die Familie muss sich an ein neues Kind gewöhnen – aber das Kind an eine komplett neue Familie, deren soziales Umfeld und gegebenenfalls an neue Regeln.“

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Und was ist, wenn die Kinder zurück zu den leiblichen Eltern sollen? „Eine Rückführung des Kindes in die eigenen Familien kommt in Einzelfällen vor und muss besonders gut vorbereitet werden. Immerhin hatte es gute Gründe, warum die Kinder aus den Familien geholt wurden“, so die Mitarbeiter des Pflegekinderdienstes. Zudem stehen den Pflegeeltern Fachberater zur Seite, die auch im Falle einer Beendigung des Pflegeverhältnisses für sie da sind. „Es ist eine schwierige Situation für alle Seiten“, so Stahl. „Daher ist es auch wichtig, vorab zu klären, welche Perspektive die jeweiligen Pflegeeltern sehen. Können Sie sich auch vorstellen, Kinder gegebenenfalls nur für einen ungewissen Zeitraum bei sich aufzunehmen?“ Generell seien die Motive, Pflegekinder bei sich aufzunehmen, sehr unterschiedlich: „Das kann ein unerfüllter Kinderwunsch sein, aber auch aus religiösen Gründen. Manche Familien haben bereits eigene Kinder und wollen einem weiteren Kind ein familiäres Umfeld bieten.“

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Doch welche Voraussetzungen müssen Pflegeeltern erfüllen, um ein Kind bei sich aufnehmen zu können? „Sie benötigen eine ärztliche Bescheinigung – damit wir wissen, dass sie sowohl körperlich als auch psychisch gesund sind“, erklärt Stahl. Hinzu kommt ein erweitertes Führungszeugnis und die Teilnahme an einem Bewerber-Seminiar. Zudem finden Hausbesuche und persönliche Gespräche statt.

„Uns ist es wichtig zu sehen, wie das familiäre Setting ist und ob das Kind zum Beispiel ein eigenes Zimmer und damit einen Rückzugsort hat“, so Hüttmann.

Weitere Pflegefamilien dringend gesucht

Der Pflegekinderdienst des Kreises Siegen-Wittgenstein sucht weitere Pflegefamilien, die Kinder vorübergehend oder auch zur Dauerpflege aufnehmen möchten. Grundsätzlich ist es dabei egal, ob die Interessenten ein verheiratetes oder unverheiratetes, gleich- oder gemischtgeschlechtliches Paar oder aber Einzelpersonen mit oder ohne eigene Kinder sind. Dem Kreis ist es deshalb sehr wichtig, über das Thema „Pflegekind“ umfassend zu informieren.

Die nächsten Info-Veranstaltungen finden am 28. September und am 7. Dezember jeweils um 17 Uhr im Siegener Lyz statt. Für die Kontaktaufnahmen können Interessenten eine E-Mail an pflegekinderdienst@siegen-wittgenstein.de schreiben oder unter Tel. 0271/333-1384 bzw. -1391 anrufen.