Bad Berleburg. Politiker bewerten die aktuelle Lage als „hochbrisant“ und wollen gegensteuern. Die Kassenzahnärztliche Vereinigung beschwichtigt unterdessen.

Die zahnärztliche Versorgung in Bad Berleburg ist ganz offensichtlich alles andere als rosig: Aktuell liege der Versorgungsgrad lediglich bei 50 Prozent. Das macht jedenfalls Tim Haverkock deutlich, bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KZVWL) in Münster stellvertretender Abteilungsleiter Vertragswesen. Die Zuhörer seines Referats im Bürgerhaus am Markt: Politiker des Ausschusses für Gesundheit und Tourismus.

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„Mir wird so ein bisschen angst und bange“, bekennt der stellvertretende Ausschussvorsitzende Elmar Knoche (CDU), selbst Klinik-Geschäftsführer in Bad Berleburg. Aber die Stadt habe im Vergleich der Kommunen im Kreis Siegen-Wittgenstein mit 54,5 Jahren auch einen der höchsten Altersschnitte bei den Zahnärzten. Und viele von ihnen kurz vor dem Ruhestand hätten „massivste Probleme, ihre Praxis zu veräußern“, weiß Knoche. Das Interesse ihrer jüngeren Kollegen an Bad Berleburg sei offenbar nicht so groß, wie man sich das wünschen würde. Vielleicht fehlten ihnen ja auch jene Privatpatienten, die sie etwa in der Großstadt Siegen leichter fänden. Jedenfalls sei die Lage „hochbrisant“, findet Knoche.

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© funkegrafik nrw | Anna Stais

Haverkock: „Nicht akut gefährdet, aber ausbaubar“

Mit 50 Prozent sei die Versorgung „nicht akut gefährdet, aber ausbaubar“, meint KZVWL-Abteilungsleiter Tim Haverkock, spricht aber auch von einer „unterdurchschnittlichen Versorgungssituation“ in Bad Berleburg.

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Zum Vergleich: in Bad Laasphe liegt der Versorgungsgrad laut KZVWL bei fast 76 Prozent, in Erndtebrück immerhin bei fast 67 Prozent – und der Altersschnitt der Zahnärzte bei 54 Jahren in Bad Laasphe sowie bei nur 39 Jahren in Erndtebrück. Mehr als gut versorgt im Kreis Siegen-Wittgenstein sind dagegen Siegen (117,29 Prozent), Kreuztal (113,76 Prozent) und Burbach (105,26 Prozent).

Vereinigung in Gesprächen mit der Stadt

In Bad Berleburg gehen 77 Prozent der Patienten auch dort zu einem der fünf Zahnärzte oder der Zahnärztin. In Bad Laasphe sind es sechs Zahnärzte und eine Zahnärztin, in Erndtebrück jeweils zwei Zahnärzte und Zahnärztinnen. Zehn Prozent der Patienten pendeln nach Erndtebrück, sechs nach Bad Laasphe und der Rest aus dem Kreis hinaus, etwa ins benachbarte Hessen. Umgekehrt pendeln etwa sieben Prozent der Erndtebrücker und fünf Prozent der Bad Laaspher nach Bad Berleburg zum Zahnarzt.

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Tim Haverkock, bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KZVWL) in Münster stellvertretender Abteilungsleiter Vertragswesen, über Gebietssperrungen für Zahnarzt-Niederlassungen: „Damit treiben Sie die Leute nicht in Gebiete, wo sie gebraucht werden.“
Tim Haverkock, bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KZVWL) in Münster stellvertretender Abteilungsleiter Vertragswesen, über Gebietssperrungen für Zahnarzt-Niederlassungen: „Damit treiben Sie die Leute nicht in Gebiete, wo sie gebraucht werden.“ © Eberhard Demtröder

„Was genau machen Sie denn, um neue Zahnärzte zu gewinnen?“ Das möchte Sandra Peiser (SPD) vom Referenten wissen. Vor allem versuche man junge Zahnmediziner zu überreden, sich in unterversorgten Regionen niederzulassen, so Haverkock. Dazu habe die KZVWL jetzt Gespräche mit der Stadt Bad Berleburg begonnen, die sich ohnehin schon intensiv darum kümmere, Fachkräfte für die „Stadt der Dörfer“ zu begeistern. Was gar nicht gehe: dass einzelne Regionen für neue Zahnarzt-Niederlassungen gesperrt würden. Denn: „Damit treiben Sie die Leute nicht in Gebiete, wo sie gebraucht werden“, weiß Haverkock aus Erfahrung. Grundsätzlich hätten übrigens Praxen mit angestellten Zahnärzten die besseren Chancen, bestehen zu bleiben, sagt der KZVWL-Abteilungsleiter. Hier gehöre der mögliche Übernahme-Willige bereits zum Team.

Praxis-Wechsel kann auch funktionieren

Auch im Rathaus sehe man akuten Handlungsbedarf und strebe eine enge Zusammenarbeit mit der KZVWL an, so Haverkock – nicht zuletzt mit Blick auf eine wachsende, zugleich älter werdende Bevölkerung mit tendenziell höherer Krankheitshäufigkeit. Den Zahnärzten würden die Patienten also nicht ausgehen.

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Dass der Wechsel in einer Praxis am Ende auch funktionieren kann, zeigt das Beispiel Peter Schlösser: Ende vorigen Jahres übergab der 80-jährige Bad Berleburger Zahnarzt seine Praxis erfolgreich an der Mühlwiese an seinen Nachfolger Sergius Lohfink (38).

Kommentar: Gute Besserung

Redakteur Eberhard Demtröder
Redakteur Eberhard Demtröder © Ralf Rottmann

Sicher: Als Patientin oder Patient braucht man ihn nicht so oft. Aber wenn es im Mund einmal wirklich mächtig schmerzt, dann umso mehr: den Zahnarzt, dem man vertraut. Doch gerade in Bad Berleburg ist die Auswahl nicht so groß, müssen sich sechs Zahnärzte statistisch gesehen um potenziell rund 20.000 Einwohnerinnen und Einwohner kümmern – also im Schnitt um rund 3300 Patienten statt der rund 1700, die es laut Kassenzahnärztlicher Vereinigung idealerweise wären. Zum Glück gibt’s noch Zahnarzt-Kollegen im Umland – obwohl sie auch dort eher dünn gesät sind.

Klar ist: Das Zahnarzt-Angebot vor allem in Bad Berleburg muss besser werden. Im Rathaus haben Verantwortliche das Problem mit dem Fachkräfte-Mangel schon in anderen Branchen erkannt und steuern aktiv gegen. Hier möchten Stadt und Vereinigung ihren Einsatz jetzt bündeln – hoffentlich mit viel Erfolg.