Wittgenstein. Im Interview zum Spielplatz-Check erläutert der Spielplatz-Prüfer, worauf es in Sachen Sicherheit ankommt – und worauf Eltern achten sollten.
Etwa 15 Jahre ist es her, dass Mario Ladu als Sachverständiger der Spielplatzmobil GmbH aus Ingelheim am Rhein gemeinsam mit unserer Zeitung die Spielplätze in Wittgenstein bereist hat, im Rahmen eines Spielplatz-Checks. Dieses Format lässt die Redaktion gerade in abgewandelter Form wieder aufleben – und möchte dabei gerne auch auf Ladus Expertise zurückgreifen, diesmal in Form eines Interviews.
Was macht einen attraktiven Spielplatz heute aus? Worauf muss man bei der Planung eines Spielplatzes achten – und später bei dessen Pflege?
Mario Ladu: Ich würde sagen, ein Spielangebot für jedermann, also für jede Altersklasse von unter drei bis hin zu den 14-Jährigen. Und als Sahnehäubchen ist natürlich immer noch ein Aufenthaltsplatz für die Altersgruppe, die gerne vergessen wird – ich sag jetzt mal so zwischen 14 und 18.
Gibt es Unterschiede zwischen Stadt und Land?
Größter Unterschied zwischen Stadt und Land ist wohl, dass man in der Stadt eher darauf achtet, dass er vandalismussicher ist.
Lesen Sie auch: Spielplatz-Check: Bad Laaspher Schüler haben eigene Ideen
Für welche Altersgruppe sind öffentliche Spielplätze heute gedacht? Wo sollte es in einer Kleinstadt oder einer Gemeinde einen geben? Braucht so etwas auch wirklich jedes kleine Dorf? Gibt es Verpflichtungen für eine Stadt oder Gemeinde, Spielplätze einzurichten?
Wünschenswert wäre natürlich ein Spielplatz in Ruf- und Sichtnähe von zum Beispiel Mehrfamilienhäusern. Und auch im kleinen Dorf gibt es immer wieder Neubaugebiete und es ist sowieso gemäß Landesbauordnung jeder verpflichtet, einen Spielplatz vorzuhalten, weil hier eine besonders sensible Altersgruppe vorhanden ist. Da wird einfach überall drauf geachtet – allein schon, damit auch Menschen dorthin ziehen und dort bleiben. Sonst werden Städte unattraktiv. Bei Wohnungsbau-Gesellschaften kann man sogar sagen: Ein schöner Spielplatz ist die Visitenkarte der Anlage.
Worauf sollten Eltern achten, wenn sie mit ihren Kindern einen geeigneten Spielplatz suchen?
Ich würde sagen, sie müssen natürlich einen Spielplatz aufsuchen, der dem Alter und der Geschicklichkeit ihres Kindes Genüge tut. Es macht jetzt keinen Sinn, einen Dreijährigen auf den Bolzplatz mitzunehmen. Aber hat der Dreijährige einen Spielplatz mit meinetwegen einer Wassermatsch-Anlage, vielleicht einer Sand-Baustelle, dann ist das für den Kleinen bestimmt das Richtige. Da würde sich der 14-Jährige eher langweilen.
Lesen Sie auch: Spielplatz-Check: Vom Spielplatz zum Mehrgenerationenort
Wie finden die Kinder zu ihrem Spielplatz? Wollen Kinder heute im Internet-Zeitalter überhaupt noch dorthin?
Natürlich werden die Kinder immer ungeschickter. Ich spreche in meine Seminaren gerne von Handy-Kindern, die kaum noch rückwärts, geschweige denn mit gehobenen Kopf durch die Gegend laufen. Aber in der Regel kennen die ihr Quartier, die wissen die Standorte ihrer Spielplätze ganz genau. Sie sind früher mit der Mama hin, gehen später mit den Freunden hin – und deshalb denke ich, muss nicht jedes kleine Dorf eine digitale Spielplatz-Karte auf seiner Homepage haben. Die Urlaubskinder wissen es nicht, aber in den kleinen Dörfern ist es ja auch kein Problem, sich mal durchzufragen, so wie man das früher gemacht hat. Das gehört dazu, dass man soziale Kontakte pflegt. Man muss nicht alles bei Google suchen.
Wer fragt eigentlich die Kinder, was sie sich für ihren Spielplatz wünschen?
In der Regel gibt es schon eine Partizipation, also die Kinder werden oft mit eingebunden. Wenn das Gelände jetzt von einem Landschaftsarchitekten geplant wurde, dann werden natürlich viele Aufenthaltsbereiche geschaffen. Ein Architekt ist ja nicht so ganz unbefangen, wenn er einen Spielplatz prüft – das hat etwas mit der Höhe des Architekten-Honorars zur Bausumme zu tun.
Welche Freiheiten lässt ein Spielplatz der kindlichen Fantasie?
Man kann im Prinzip alles bauen – wichtig ist, dass es den technischen Regelwerken entspricht. Also, unterm Strich gesagt: Es darf natürlich nicht Leib und Leben, kein Körperteil verlorengehen, kein Sinnesorgan. Und es darf keine schwersten Verletzungen geben, durch das Überbiegen der Wirbelsäule zum Beispiel. Aber ansonsten – ich sag‘s mal ein bisschen salopp – ist alles erlaubt an Unfällen, was bis zur Hochzeit wieder weg ist.
Lesen Sie auch: Aue-Wingeshausen: Kinder malen ihren Traum-Spielplatz
Wo lauern die Gefahren auf dem Spielplatz ganz besonders?
Die größten Gefahren meines Erachtens auf dem Spielplatz – da haben auch die letzten Gerichtsgutachten, die ich machen musste, so gezeigt – lauern doch zum einen Teil auf den Eltern oder den Geschwisterkindern selbst. Also, Eltern heben Kinder hoch auf Geräte, die eigentlich gar nicht für die Altersklasse gemacht sind. Und mittlerweile kommt es immer wieder vor, dass Hersteller, die sich abheben wollen, auch mal vielleicht in der Eile der Zeit etwas Falsches konstruieren. So kommt es dann zum Beispiel gerade in den letzten paar Jahren bei Rutschen immer wieder mal zu Unfällen.
Welche Spielplatz-Standards gibt es – und vor allem: Werden diese von den Herstellern eingehalten?
Die Spielgeräte-Hersteller sind mittlerweile so professionell geworden, dass man also beruhigt so ein Spielplatz-Gerät hinstellen kann – und das hält mal locker zehn bis 20 Jahre, ohne dass großartig was dran gemacht werden muss. Und die Hersteller achten da sehr drauf – die Konkurrenz ist groß, auch wenn‘s im Moment rund läuft. Die Hersteller können sich nicht vor Aufträgen retten, dort sind also auch die Schatullen mittlerweile gefüllt. Und das erlaubt es den Herstellern auch mal, hochwertige Spielgeräte zu bauen wie vielleicht früher.
Wie sollten die Spielgeräte aus Experten-Sicht am besten konstruiert sein? Aus welchem Material am besten?
Natürlich sind im Moment sehr in Mode solche Krummholz-Anlagen, so nenne ich die jetzt einmal – also naturgewachsene Stämme, keine Industrie-Ware. Das sieht natürlich für unser Erwachsenen-Auge sehr schön aus, ist auch super Material, ist Holz der Dauerhaftigkeitsklasse 1. Meistens wird da Robinie verwendet, Eiche zum Beispiel wäre die Dauerhaftigkeitsklasse 2.
Welche Konkurrenz stellen Spielgeräte auf privaten Grundstücken für die öffentlichen Spielplätze dar?
Oft im Einsatz für Städte und Kitas
Mario Ladu, Geschäftsführer der Spielplatzmobil GmbH, ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger durch die IHK Rheinhessen für Spielplatzgeräte.Sein Unternehmen ist seit über zehn Jahren in der SpielplatzKontrolle tätig. Jährlich überprüft das Unternehmen mit seinen acht Mitarbeitern knapp 8000 Spielplätze.Kunden sind vor allem Städte und Gemeinden, Wohnungsbaugesellschaften, Kirchenverwaltungen und Kindergärten. Die GmbH ist Mitglied folgender Institute, Gesellschaften und Vereine: Normungsausschuss Sport- und Freizeitgeräte im DIN, TÜV Rheinland Group, Bundesarbeitsgemeinschaft Mehr Sicherheit für Kinder, Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau (FLL), Bundesverband der Spielplatzgeräte und Freizeitanlagen-Hersteller.
Ja, Eltern sind heutzutage geneigt, ihr Kind in einer sogenannten superheilen Welt großwerden zu lassen – eigene Schaukel im Garten und so weiter und sofort. Soziale Kontakte werden dadurch natürlich vernachlässigt, die Kinder treffen sich nicht mehr, so wie das früher war, zur Schnitzeljagd durchs ganze Dorf, sondern bleiben eher zuhause in ihren eigenen vier Wänden. Wenn sie dann vom Handy mal oder von irgendwelcher Internet-Software die Nase voll haben, dann gehen sie natürlich auf den eigenen, privaten, häuslichen Spielplatz – meistens eine Schaukel, kleine Kombi-Anlage mit Rutsche. Ich glaube nicht, dass das schöner ist und ich glaube auch nicht, dass das zum Allgemeinwohl beiträgt, wenn jeder seinen eigenen Spielplatz mittlerweile hat. Es ist zwar gang und gäbe und es wird auch immer mehr, aber so bleibt natürlich dieses Große, Ganze – man kennt sich, man sieht sich, diese ganzen sozialen Kontakte, die auch Kinder schon lernen – das bleibt dann auf der Strecke.
Lesen Sie auch: Aktuell ist viel Bewegung bei Spielplätzen in Erndtebrück
Wie ideal sind Spielplatz und Bolzplatz in Kombination?
Wenn Kleinstkinder erst einmal durch das Revier der größeren Kinder, die da bolzen, durchmüssen, um an ihre Kleinkinder-Spielgeräte zu kommen – das ist schlecht geplant. Es muss immer andersherum sein: Die Kleinen zuerst und dann nach hinten raus die Größeren.
Und was halten Sie von generationenübergreifenden Plätzen?
Generationsübergreifende Plätze – diesen Versuch haben zwei, drei Firmen mal gestartet. Aber – ich nenn‘ es mal so – der deutsche Rentner wird sich nicht vor Kindern auf einem Spielplatz an einem Gerät für Senioren ausprobieren. Das hat auch die Branche mittlerweile gemerkt – und man ist eher dazu übergegangen, sogenannte Fitness-Geräte für alle möglichen Ansprüche zu konstruieren. Und das ist auch ein Markt, der läuft im Moment wie geschnitten Brot.
Was sind die häufigsten „Fangstellen“, wie Sie das nennen – und wie machen Sie die ausfindig? Welche Rolle spielen dabei Werkzeuge oder Passformen?
Häufigste Fangstellen gibt es kaum noch, die haben die Hersteller mittlerweile ganz gut im Griff. Und dann sind es meistens Montagefehler, weil irgendeine Elterninitiative oder wer auch immer sich daran versucht hat, ohne dass ein Fachmann dabei war. Und die Werkzeuge und die Passformen, also sprich diese Prüfkörper sind eigentlich gar nicht mehr so wichtig bei so einer Prüfung. Ein Profi kommt mittlerweile auch ganz ohne diese Dinge aus. Man muss sich dann natürlich sehr gut auskennen.
Lesen Sie auch: Spielplatz-Check Wittgenstein: So steht Bad Berleburg da
Was ist bei fließendem oder stehendem Gewässer in Spielplatznähe, aber auch auf dem Gelände zu beachten?
Fließendes Gewässer: Natürlich, wenn es mehr wie 40 Zentimeter hat und auch das stehende, dann ist darauf zu achten, dass da eine Absicherung ist, dass der Kleine nicht kopfüber da reinfällt und einfach weiteratmet.
Wie wichtig ist eine Schleuse als Eingang zum Spielplatz-Gelände?
Schleuse, Eingangsbereich, Einfriedungen – das muss man auch nicht übertreiben. Natürlich: Gegenüber echten Gefahrenquellen keine Bedenken, Bedenken, Bedenken – wir sind ja eine Gesellschaft der Bedenkenträger geworden. Nehmen wir mal das Bedenken Sonne: Mittlerweile haben 40 Prozent der Kinder Vitamin-D-Mangel, weil sie kaum noch Sonnenlicht abkriegen – weil jeder glaubt, beim ersten Sonnenstrahl bekäme ein Kind sofort Hautkrebs. Aber gut, so hat halt jede Lobby ihre Ansichten, und so gehören die Hautärzte da mit dazu.
Wie sieht es mit Schattenspendern auf dem Spielplatz aus?
Ja, mittlerweile ist die Angst der Eltern immer größer, teilweise auch berechtigt. Wobei Kinder, wenn es ihnen zu warm wird, von ganz allein aus der Sonne rausgehen. Aber nichts destotrotz: Ein Schattenspender macht schon Sinn aufm Spielplatz – alleine schon, dass die Eltern im Schatten sitzen können. Haben Sie schon mal versucht, aufm Handy, wenn die Sonne draufknallt, da was zu erkennen? Also, das ist schon fast unmöglich.
Lesen Sie auch: Analyse: Bad Laasphe verdreifacht Investition in Spielgeräte
Wie wichtig sind Ruhebänke auf dem Spielplatz-Gelände?
Ja, die müssen auch vorhanden sein. Eltern, Großeltern wie auch immer sollten sich ja auch wohlfühlen auf so einem Spielplatz. Also gehört das mit dazu, dass die Eltern genüsslich ihren Sprösslingen beim Spielen zuschauen. Ich denke, das ist schon seit Jahren Standard.
Wer kümmert sich um die Pflege eines öffentlichen Spielplatzes – und was sollte dabei mindestens passieren? Welche Rolle spielen Spielplatz-Paten?
Also, ich glaube, in unserem Bundesland sind Spielplatz-Paten nicht versichert wie in Bayern. Außerdem wird ihnen hier eine Bürde übergestülpt, die sie gar nicht wirklich leisten können. Hier sind einfach Bauhöfe gefragt, die professionell die Spielplätze und die Spielplatz-Geräte warten müssen. Auch hier ist das Zauberwort „Wartung“ – das ist da Wichtigste, um das sicherheitstechnische Niveau auf einem Spielplatz zu erhalten. Und auch nur die Bauhöfe sind dafür ausgerüstet und auch entsprechend versichert über den Gemeindeversicherungsverband. Deshalb sollten hier keine Privatleute herangezogen werden.
Wie sollte ein Spielplatz beleuchtet sein?
Mal von der Beleuchtung ganz abgesehen sollte er – damit nicht viel Vandalismus passiert und auch die Mädchen sich trauen hinzugehen – möglichst einsehbar sein. Es macht keinen Sinn, einen Spielplatz in eine kleine, dunkle Ecke zu packen. Dann gehen vielleicht mal Jungs hin, wenn sie besonders mutig sind. Aber im Großen und Ganzen sollte er sehr transparent sein – so vermeidet man größere Vandalismus-Schäden oder Übernachtungsgäste und so weiter auf diesem Spielplatz. Da würde ich immer dazu raten, den – wenn möglich – auch noch zu beleuchten, warum nicht? Das ist halt ein weiterer Kostenfaktor.
Lesen Sie auch: Wittgenstein: Heimatzeitung startet großen Spielplatz-Check
Sie haben vor 15 Jahren in Wittgenstein einmal von „Alibi-Spielplätzen“ gesprochen, die Sie in anderen Regionen gefunden haben. Was meinen Sie damit? Werden die Kinder dort nicht genügend wertgeschätzt?
Ja, es gibt immer Grundstücke bei der Erschließung von Neubaugebieten, wo meinetwegen ein Transformator steht. Der Platz ist ungünstig, der ist nass, der ist am Hang. Und dann wird gerne der Spielplatz bestückt – Schaukel, Rutsche, Wippe – fertig, ohne Aufenthaltsqualität. Hauptsache, man hat etwas gemacht, was so ähnlich aussieht wie ein Spielplatz – und man kann sich rechtfertigen, aber ein Platz zum Spielen, zum Sich-treffen, zum Kommunizieren ist es damit noch lange nicht, nur wenn ich, ich sag mal, eine Wiese bestücke.