Wittgenstein. WP-Umfrage zeigt: In Bad Berleburg gab es sieben Chefarztwechsel binnen fünf Jahren. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Eine Spurensuche.

Er ist Manager, Führungskraft, fachlicher Leiter und trägt eine Menge Verantwortung – der Chefarzt. Aber: Auch er geht irgendwann in den Ruhestand. In den vergangenen fünf Jahren führte dies in Südwestfalen zu gleich mehreren Chefarzt-Wechseln in den Kliniken – allein sechs gab es am Siegener Diakonie Klinikum Jung-Stilling, zwei davon aus Altersgründen. Das zeigt eine Umfrage der Heimatzeitung (Stand 6. Mai 2022). Wir wollten wissen: Wie viele Wechsel gab es in den vergangenen fünf Jahren und was waren die Gründe?

Insgesamt 14 Kliniken in Südwestfalen haben sich an der Umfrage beteiligt – zusammen kommen sie auf 39 Chefarzt-Wechsel. Die Gründe hierfür sind unterschiedlich – wie die Vamed-Klinik in Bad Berleburg mitteilt. „Der Wunsch nach beruflicher und privater Veränderung“ spielte auch dort eine Rolle. Mit insgesamt sieben Chefarzt-Wechseln in den vergangenen fünf Jahren gab es dort im Vergleich zu den anderen befragten Kliniken die meisten.

Gute Zusammenarbeit mit dem Vorgänger

Dr. Lars Pietschmann ist Chefarzt der Interdisziplinären Notaufnahme und seit dem Renten-Eintritt von Dr. Frank Melz im Jahr 2020 Ärztlicher Direktor der Vamed-Klinik Bad Berleburg. Dr. Karim Bou-Nassif übernahm im gleichem Jahr die Chefarzt-Position im Fachbereich Kardiologie – ebenfalls von Dr. Frank Melz. „Er war davon überzeugt, in Dr. Lars Pietschmann und mir die geeigneten Nachfolger gefunden zu haben“, so Dr. Bou-Nassif.

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Der Übergang verlief fließend. „Dr. Melz war es bereits vor seinem Renten-Eintritt wichtig, die Klinik medizinisch in die richtigen Hände zu übergeben, da ihm sowohl das Krankenhaus als auch die Mitarbeiter wichtig sind. Natürlich wurden wir nicht vor vollendete Tatsachen gestellt: Es gab einen engen Austausch zwischen uns, den wir jetzt privat weiterhin pflegen und als ausgesprochen wertvoll erleben.“

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Die Zusammenarbeit zwischen Dr. Melz und seinen beiden Nachfolgern habe von Anfang an sehr gut funktioniert und „war von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung geprägt. Wir konnten jederzeit Vorschläge – etwa zur Ergänzungen des Leistungsspektrums – einbringen und wurden bei der Umsetzung unterstützt. Wir hätten in dieser Konstellation gerne weiter zusammengearbeitet“, so Dr. Bou-Nassif. Generell aber sei – abhängig vom Fachbereich – die Besetzung einer Chefarzt-Position in der Regel gut möglich, so Dr. Pietschmann.

Vorteil: Ländlicher Raum

Doch wie schaut dies generell im ländlichen Bereich aus? Andreas Höffken kümmert sich beim Marburger Bund um die Chefarztverträge in NRW und Rheinland-Pfalz. Auch ihn hat die Redaktion im Rahmen der Umfrage um eine Einschätzung gebeten. Demnach müssten sich Kliniken in ländlicheren Regionen bei der Nachbesetzung von vakanten Chefarzt-Stellen gute Argumente einfallen lassen – sei es ein gutes, motiviertes und gut qualifiziertes Team oder eine gute technische Ausstattung, um den Kandidaten von einer Chance zu überzeugen, eine Abteilung aufzubauen oder in einem modernen Krankenhaus weiterzuführen.

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Für Dr. Pietschmann aber ist gerade das Arbeiten und Leben im ländlichen Raum für Mediziner in zwei Lebensphasen besonders interessant: „Junge Familien zieht es auf das Land, damit ihre Kinder den Reiz der Natur- und Tierwelt kennenlernen und möglichst lange Kind sein können.“ Gerade für junge Menschen gebe es viele Sport- und Freizeit-Möglichkeiten. Doch auch die ältere Generation komme nicht zu kurz: „Radfahren, Wandern und im Winter Skilaufen sind in Wittgenstein wunderbar möglich. Auch das Leben und Wohnen ist ruhiger und stressärmer, was viele Mediziner in ihren 50ern anspricht.“

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Aber: „Für Assistenzärzte, die gerade in ihr berufliches Leben starten, ist das Leben in einer ländlichen Region nicht das primäre Entscheidungskriterium“, so Dr. Pietschmann. Und das hat einen Grund: „Sie müssten die Klinik, an der sie ihre Weiterbildung absolvieren, in der Regel für einen weiteren Teil der Ausbildung verlassen, daher hat die Suche nach einem geeigneten Ausbildungsbetrieb für sie Priorität gegenüber einer Vorliebe für das Stadt- oder Landleben.“

Qualität kontinuierlich steigern

Was die Vamed-Klinik angeht, so ist das Team stolz darauf, dass das „verhältnismäßig kleine Haus über ein ausgesprochen breites Leistungsspek­trum verfügt und die medizinische Qualität in den letzten drei Jahren kontinuierlich gesteigert werden konnte“. „Wir führen viele Interventionen, Eingriffe oder diagnostische Verfahren durch, die nicht in jedem Grundversorger zur Verfügung stehen. Auch die Pflege-, Sicherheits- und Hygiene-Standards sowie die medizintechnischen Geräte entsprechen jederzeit den gängigen Leit- und Richtlinien und manche reichen darüber hinaus.“

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Doch zurück zum Chefarztwechsel – was sind die häufigsten Gründe für einen Wechsel? „Wir führen keine Statistik zu den Gründen des Ausscheidens der Stelleninhaber“, so Höffken. Renten-Eintritt, Wechsel in eine Chefarzt-Position eines anderen Krankenhauses oder die finanzielle Situation des Hauses können eine Rolle spielen.