Wittgenstein. Frauen entdecken die Jagd für sich. Dabei geht es weniger um das Schießen als um die Natur. Johanna Brinkschulte erklärt ihre Faszination.
Johanna Brinkschulte ist Jägerin und Försterin aus Leidenschaft. Bereits mit 15 Jahren hat sie sich für den Jägerkurs angemeldet, ein Jahr später machte sie den Jugendjagdschein. Zum Wald und seinen Bewohnern hat die heute 26-Jährige aus Aue-Wingeshausen schon von klein auf eine besondere Bindung. „Ich wusste schon früh, dass ich sowohl Jägerin als auch Försterin werden möchte. Ich bin im Forsthaus Paulsgrund aufgewachsen und quasi mit der Jagd groß geworden“, sagt sie. Heute verbringt sie ihre Zeit in der Natur sowohl beruflich als auch privat – und engagiert sich zudem in der Ausbildung junger Nachwuchsjäger und -jägerinnen. Immer mehr Frauen entscheiden sich dazu, einen Jagdschein zu machen – auch in Wittgenstein ist die Tendenz steigend, wie Brinkschulte und weitere Experten beobachten.
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Bereits im Zeitraum 2011 bis 2017 war der Anteil der Frauen, die einen Jagdschein machten, bundesweit von 20 auf 28 Prozent gestiegen. Das berichtet der Deutsche Jagdverband (DJV), der die Umfrage durchführte und zudem verschiedene Motive für die Jägerausbildung ausmacht – dazu später mehr.
In Siegen-Wittgenstein geht Henning Setzer, Vorsitzender der Kreisjägerschaft Siegen-Wittgenstein, davon aus, das von den rund 3000 Jagdscheininhabern im Kreis 20 bis 25 Prozent Frauen sind. „Wir führen keine Statistik, aber wir merken schon, dass das Interesse am Jagdschein bei den Frauen steigt.“ Auch bei der letzten Jägerprüfung – am 24. und 25. Mai – waren in Wittgenstein von 13 Prüflingen drei Frauen. „Es tut dem Jagdwesen gut, wenn der Anteil der Frauen steigt“, sagt Setzer und betont: „Die Jagd ist weitaus mehr, als nur Schießen. Hier geht es vor allem darum, sich um die Landschaft und dem Lebensraum der Tiere zu kümmern – der Hegegedanke spielt gerade bei Frauen eine große Rolle.“
Mögliche Gründe
Das weiß auch Dirk Landsmann, Vorsitzender des Hegerings Bad Berleburg. „Das Interesse an der Natur und der Jagd ist in der Bevölkerung gestiegen – auch bei vielen Frauen.“ Mögliche Gründe für das gesteigerte Interesse am Jagdschein seien laut Landsmann zum einen die Pflege der Landschaft und zum anderen die Lebensmittelbeschaffung. „Viele Menschen haben heute ein ganz anderes Bewusstsein, wenn es um das Thema Fleisch geht. Die Qualität und Regionalität ist vielen wichtig.“
Das bestätigt auch die Auswertung der DJV-Umfrage bezüglich der Motivation für die Jägerausbildung. Das Wildbret liegt dabei auf Platz 3. Nach wie vor auf Platz 2 steht angewandter Naturschutz. Die Nachwuchsgeneration der Jäger will selbst anpacken und Lebensräume verbessern – etwa durch Blühflächen oder Gehölze in der Kulturlandschaft. An erster Stelle steht laut Umfrage das intensive Naturerlebnis. „Wer Erfolg bei der Jagd haben will, muss die Tiere und Pflanzen in seinem Revier genau kennen, Spuren lesen können und bei jeder Witterung draußen sein. Es geht um Verantwortung“, so Landsmann. Und genau diese Verantwortung ist das, was das Jägerinnensein für Johanna Brinkschulte aus Aue-Wingeshausen so besonders macht.
„Gerade jetzt, wo es viele Kalamitätsflächen gibt, muss der Wildbestand angepasst sein, damit ein neuer Wald entstehen kann. Wir haben eine Verantwortun, der Natur, aber auch dem Wild gegenüber.“ Nichtsdestotrotz kennt auch sie die Vorurteile. „Manche sagen: Ihr schießt ja nur. Doch das stimmt nicht – wir kümmern uns auch um die Verbesserung der Lebensräume für die Tierwelt.“ Aktuell sei es vor allem die Kitzrettung, um die sie sich unter anderem kümmere.
Jagdhundausbildung
Und noch etwas liegt der 26-Jährigen am Herzen – die Jagdhundeausbildung. Laut DJV übrigens Platz 4 bei den Motiven für Frauen, Jägerin zu werden. Ein Motiv, das auch sowohl Henning Setzer als auch Dirk Landsmann im Kreis Siegen-Wittgenstein beobachten. Brinkschulte selbst bildet die Jagdhunde aus und betreibt gemeinsam mit ihrem Vater Hubertus Brinkschulte eine anerkannte Schweißhundestation. Diese steht der Jägerschaft zur Verfügung, um krankes oder auch angefahrenes Wild nachzusuchen und es von seinen Leiden zu erlösen.