Bad Berleburg/Siegen. Sein gefährlicher Lebensstil bringt den 35-Jährigen immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt. Jetzt wurde das Strafmaß noch einmal aufgestockt.

Ein Jahr und vier Monate plus weitere zehn Monate Gefängnis. Das ist die Entscheidung der 3. kleinen Strafkammer des Siegener Landgerichts nach einer Berufung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen ein Urteil des Berleburger Schöffengerichts vom 26. November 2021.

Da hatte der 35-jährige O. wegen sechsmaligem Internetbetrugs zwei Jahren und vier Monate Haft bekommen. Verteidiger Andreas Trode beantragte seinerzeit ein Jahr und zehn Monate und hielt diese auch danach noch für angemessen. Die Staatsanwaltschaft legte ihrerseits Berufung ein, weil eine der Taten nicht in das Gesamturteil hätte einbezogen werden dürfen. Weil im März 2017 eine andere Verhandlung mit einer Bewährungsstrafe gegen O. durchgeführt worden war, die rechtlich als Zäsur gelten müsse.

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Komplettes Geständnis abgelegt

Der Angeklagte hatte bereits im November ein komplettes Geständnis abgelegt, beide Berufungen zielen daher nur noch auf den Rechtsfolgenausspruch ab. Trotzdem wird es ein langer Morgen im Saal 165, weil die Vorsitzende Richterin Sabine Metz-Horst nicht nur das angefochtene Urteil zum Thema macht, sondern praktisch das gesamte Leben des O., der ein gutes Dutzend Vorstrafen hat. Wobei es da überwiegend um Verkehrsdelikte und andere Sachen ging. Allerdings hat er auch 2014 schon einmal ein Mobiltelefon verkauft, das er nicht besaß und das Geld eingestrichen. Ähnliche Taten folgten dann kurz vor jenen sechs aus dem Frühjahr 2017, die in diesem Verfahren zur Debatte stehen. Von Januar bis Mai hatte er iPhones und Samsung Galaxys auf verschiedenen Plattformen eingestellt und das Geld meist auf das Konto einer seiner Schwestern geleitet, über das er verfügen konnte. O. war als Betreuer eingesetzt. Die eigenen Konten waren gepfändet. Dass die Taten erst relativ spät vor Gericht kamen, hat mit einer langen Abwesenheit des O. zu tun.

Seit Oktober 2017 in Haft

Er trat im Oktober 2017 eine Haftstrafe an, verschwand aber im Dezember aus dem offenen Vollzug und wurde erst am 20. Mai 2021 im Berleburger Ortsteil Alertshausen festgenommen. Die Art und Weise, wie der Angeklagte diese Zeit verbracht hat, ist der Vorsitzenden wichtig. Er sei bei Freunden und Bekannten untergekommen, antwortet O. auf ihre Frage, habe hin und wieder eine Woche in Köln oder Düsseldorf verbracht, die meiste Zeit aber in Bad Berleburg. Das seien überwiegend auch alles Singles gewesen, mit eigenen Wohnungen und ohne Familien, bei denen er seine Zeit verbracht und denen er im Garten oder anderweitig geholfen habe, „um mich über Wasser zu halten“.

Keine weiteren Straftaten

Straftaten seien in dieser Zeit nicht geschehen, versichert der Wittgensteiner. Es gab zwei Ermittlungsverfahren, die aber beide eingestellt sind. Der Gedanke, sich bei der Polizei zu stellen, sei schon dagewesen, „dann hat alles endlich ein Ende“, umgesetzt habe er es aber nicht. Jetzt hat O. ein gutes Jahr widerrufener Strafen bereits abgesessen, eine Suchtberatung und diverse andere Angebote sozialen Inhalts absolviert. Die Beurteilung gerade des Suchtkurses fällt sehr günstig aus. Obwohl er jahrelang ein Spielproblem hatte, in einer Nacht einige 1000 Euro verzockte und alles, was ihm in die Finger kam, und es hier vornehmlich um Drogen ging, wird ihm eine engagierte Teilnahme und die Motivation anderer Gefangener bescheinigt.

Schulden sind das Motiv

O. arbeitet nach den gegebenen Möglichkeiten, hat sich auch um Beschäftigung nach der Haft bemüht. Die Staatsanwältin beantragt die zweigeteilte Entscheidung, die wegen des anderen Urteils nötig werde. Sie kommt auf zwei Jahre und einen Monat zuzüglich einem weiteren Jahr für die Tat im Mai 2017, als O. mit rund 350 Euro den höchsten Erlös für eines seiner fiktiven Kommunikationsgeräte erzielen konnte. Anwalt Trode findet, dass dort acht Monate ausreichen sowie ein Jahr und vier Monate für den ersten Komplex. Nach allem, was der Angeklagte inzwischen an Änderungen in seinem Leben und Verhalten vorgenommen habe, sollte die Kammer die neuen Strafen auch zur Bewährung aussetzen, die übrigen müsse O. ja ohnehin absitzen. Der Verteidiger gibt auch zu bedenken, dass die Taten fünf Jahre zurücklägen. Er selbst habe es nicht einmal mehr geschafft, die Kontonummer eines Geschädigten zu finden, um diesem Ersatz zu zahlen. Alle restlichen Schulden will O. mit Hilfe seiner Familie beglichen haben. Damals habe er viele Verbindlichkeiten gehabt, zum Teil die Taten auch begangen, um Geldstrafen zu bezahlen, sagt der Angeklagte.

Gefährlicher Lebensstil

Bis 2014 sei er regelmäßig in Arbeit gewesen, hätte immer Geld gehabt. Dann verlor er seinen Führerschein, wurde immer wieder entlassen, wollte aber seinen Lebensstil nicht ändern. Unter anderem dies hält ihm die Vorsitzende vor. Er habe sich davor gedrückt, etwa Ersatzfreiheitsstrafen anzutreten und lieber andere Leute um ihr Geld betrogen, um sich vor der Haft und der Verantwortung zu drücken. Aus dem gleichen Grund sei er fast drei Jahre untergetaucht, habe nicht einmal zu seiner Familie Kontakt gehabt und in einer Parallel-Welt gelebt. Jetzt solle er die Verantwortung annehmen und auch das neue Urteil nicht als Rückschlag betrachten. Mit etwas Glück könne Ende des Jahres die nächste Halbstrafenentscheidung und vielleicht die Verlegung in den offenen Vollzug anstehen. Er müsse sich bemühen und Dinge vorbereiten: „Bislang haben Sie vornehmlich das Geld anderer ausgegeben, Ihrer Freunde und Familie!“ Jetzt solle er es besser machen.