Bad Berleburg. „Ich habe die Radfahrer nicht gefährdet.“ Im Prozess äußert sich der Bad Berleburger zum ersten Mal zu dem Vorfall. Zeugen widersprechen ihm.
Vor dem Schöffengericht in Bad Berleburg hat am Morgen der mit Spannung erwartete Prozess gegen einen SUV-Fahrer aus Bad Berleburg begonnen. Der Mann hatte im vergangenen Jahr zwei Rennradfahrer auf einer Landstraße in Netphen bedrängt und bedroht. Vor Gericht erhielt er nun sein Urteil.
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Das Video hatte im November 2021 bundesweit für Aufruhr gesorgt: Zu sehen ist ein SUV-Fahrer aus Bad Berleburg, welcher zwei Rennradfahrer mit seinem Auto wiederholt mit zu geringem Sicherheitsabstand überholt, ausbremst, sie zum Straßengraben und sogar in den Gegenverkehr drängt. Aufgezeichnet wurde das Ganze von einer Dashcam, die in eines der Fahrräder integriert ist.
Die Radfahrer waren die Triathleten Pascale Pauke (41) und Markus Mockenhaupt (41) aus dem Siegerland. Nun verurteilte das Bad Berleburger Schöffengericht den verantwortlichen 56-Jährigen wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Nötigung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung. Die Behörden dürfen dem Beschuldigten außerdem vor Ablauf von zwei Jahren keinen Führerschein ausstellen.
Verfahren auf die schwerwiegenderen Straftatbestände beschränkt
Weiterhin muss der 56-Jährige künftig mit einem Bewährungshelfer zusammenarbeiten und 150 Sozialstunden ableisten. Der Vorwurf der versuchten gefährlichen Körperverletzung und ein weiteres Verfahren wegen Beleidigung und Bedrohung stellte das Schöffengericht letztlich ein. Der Grund: Das Verfahren sollte auf die schwerwiegenderen Straftatbestände beschränkt werden.
Dem Fall wurde ein besonderes öffentliches Interesse zugeschrieben. Das wird nicht zuletzt daran deutlich, dass zahlreiche Journalisten und Fernsehteams — darunter RTL, ZDF und WDR — das Amtsgericht am Freitagmorgen stürmten.
„Ich hab sie nicht bedrängt“
„Ich habe sie (die Radfahrer) meiner Meinung nach nicht bedrängt oder gefährdet“, äußert sich der ehemalige Berufskraftfahrer zu den Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft Siegen. „Es war nicht meine Absicht, jemanden zu verletzen oder zu gefährden. Das bin nicht ich“, wiederholt er immer wieder. Er habe die Radfahrer lediglich zur Rede stellen wollen, weil einer von ihnen ihm nach dem ersten Überholmanöver den Mittelfinger gezeigt haben soll. Dieses Handzeichen sei es gewesen, das den Angeklagten so wütend habe werden lassen.
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Dass Pascale Pauke dem beschuldigten SUV-Fahrer den Mittelfinger gezeigt hatte, gesteht dieser. Auslöser dafür sei gewesen, dass der 56-Jährige den Sicherheitsabstand enorm unterschritten habe. „Ich hatte Todesangst. Ich habe ums Überleben gekämpft“, beschreibt Pauke die Jagdszene auf der L719 im Raum Netphen. Zwischen einem Auto im Gegenverkehr, dem Auto des Angeklagten, der Leitplanke, dem Straßengraben und der Böschung hatten die Radfahrer gerade so noch Auswege gefunden, um der Gefahrenzone zu entkommen.
56-Jähriger habe Fahrradfahrer schlagen wollen
Pascale Pauke berichtet außerdem davon, dass der 56-Jährige ihn habe schlagen wollen: Der Angeklagte habe sein Auto zum Stehen gebracht, dieses verlassen und den 41-Jährigen auf seinem Fahrrad abgepasst. Dieser war mit rund 25 bis 30 km/h unterwegs gewesen und habe dem Beschuldigten nur knapp ausweichen können. Der ehemalige Berufskraftfahrer gibt diesbezüglich an, dass er den Radfahrer habe festhalten wollen. Ob Schlag oder Festhalten konnte in der Verhandlung nicht geklärt werden. Fest steht aber: Hätte der 56-Jährige Pauke erwischt, wäre dieser wohl aufgrund seiner Geschwindigkeit zu Fall gekommen.
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Verteidiger Klemens Bruch sieht eine drastische Gefährdung der Radfahrer als nicht vollends bewiesen an. Außerdem habe sein Mandant in der Situation nicht nachgedacht: „In dem Moment gehen Emotionen hoch. Da kommt es zu Überreaktionen“, so Bruch. Ganz anders sieht das Staatsanwalt Waldemar Gomer — und findet deutliche Worte für den Mann auf der Anklagebank: „Es handelt sich nicht um eine Affekt-Tat. Sie wussten genau, was Sie machen. Sie haben Ihre Interessen über alle anderen gestellt.“
Das Verhalten des 56-Jährigen sei laut Gomer „absolut rücksichtslos“ gewesen. Es könne von Glück gesprochen werden, dass niemand verletzt wurde — denn es habe nicht viel gefehlt, dass einer der beiden Radfahrer gestürzt oder auf den SUV drauf gefahren wären.
Erst in seinem letzten Wort zeigt der Beschuldigte einen Hauch von Einsicht: „Ich habe mich selbst nicht wiedererkannt in dem Video. Ich weiß nicht, was mich da geritten hat.“