Wittgenstein. Der Ukraine-Krieg beschäftigt die Schüler in Wittgenstein. Die weiterführenden Schulen haben verschiedene Wege gefunden, damit umzugehen.

„Wir mussten unseren Vater zurücklassen“, sagt ein kleiner Junge, während ihm Tränen über seine Wangen fließen. Es sind Bilder wie diese, die seit Tagen im TV, den sozialen Netzwerken und Co. zu sehen sind. Bilder vom Ukraine-Krieg, die seit Tagen um die Welt gehen. Bilder, die auch Schülerinnen und Schüler über mehrere Kanäle zu Gesicht bekommen. „Schulleitungen und Lehrkräfte stehen vor der Entscheidung und Herausforderung, das Kriegsgeschehen und dessen vielfältige Auswirkungen altersangemessen im Unterricht zu thematisieren, um so Ängsten und Sorgen entgegenzuwirken“, heißt es auf der Homepage des NRW-Schulministeriums. Ist der Ukraine-Krieg auch Teil des Unterrichts an Wittgensteiner Schulen?

Realschule Bad Berleburg integriert Thema in den Unterricht

„Wir merken schon, dass das Thema die Schüler bewegt – auch in bedrückender Form“, sagt Manfred Müller, Leiter der Realschule Bad Berleburg. Schon kurz nach dem Einmarsch der Truppen kamen dort erste Fragen auf. Seitdem wird der Krieg durch die Klassenlehrer im Politikunterricht aufgegriffen. „Aktuelles Geschehen ist uns im Unterricht ohnehin sehr wichtig“, so Müller. „Wichtig ist aber auch, dass man hierbei sich an Fakten orientiert. Wir sind im Unterricht so oder so der Neutralität verpflichtet. Das ist bei so einem Thema aber ein sehr schwieriger Spagat, denn auch wir Erwachsenen sind von den Geschehnissen ergriffen.“ Und auch was Social Media betrifft, sieht der Schulleiter eine Gefahr. „Es ist kaum möglich, die Informationsflut, die ungefiltert auf einen trifft, zu sortieren.“ Umso wichtiger sei es, diese im Unterricht sachlich zu strukturieren.

Vorbereitung in der Realschule Schloss Wittgenstein

In der Realschule Schloss Wittgenstein in Bad Laasphe werden die aktuellen Geschehnisse noch nicht in den Unterricht integriert. „Dafür müssen wir uns erst alle explizit vorbereiten. Es ist in der Schule immer schwierig, wenn es um solche Dinge geht, diese ad hoc zu thematisieren. Das wäre manchmal tatsächlich wünschenswert, aber kaum umsetzbar. Die Kollegen werden sich dazu in der nächsten Woche mit ihren Klassen beschäftigen“, so Schulleiterin Melanie Dietrich.

Bad Berleburger Gymnasium berät im Krisenteam

Im Johannes-Althusius-Gymnasium in Bad Berleburg (JAG) wurde am Donnerstag des Angriffs sofort das Krisenteam zusammengerufen und über die Situation beraten. „Zwei Dinge waren uns wichtig: Das eine sind Hintergrundinformationen, damit man versteht und im Verstehensprozess auch aktiv werden kann. Das Zweite betrifft die emotionale Seite des Friedensverlustes in Europa und der Kriegsangst. Hier haben wir am Montag unsere erste Friedensandacht mit Schülerbeteiligung abgehalten“, so Schulleiter Clemens Binder. Dies wird nun regelmäßig montags in der zweiten Pause wiederholt, „so lange es nötig ist“. Fächer in denen das Thema vertieft behandelt wird, sind Geschichte, Politik, Religion und Erdkunde und durch die Klassenleitungen. Auch für das Fach Englisch stehen Handreichungen zur Verfügung, so der Schulleiter.

„Die Situation bewegt uns alle tief. Umso wichtiger ist es, sich darüber auszutauschen. Das geschieht in informellen Gruppen im Lehrerzimmer und in den Klassen.“ Sollte es Pflicht sein, dies im Unterricht zu diskutieren? „Im ersten Zugriff sollte das thematisiert werden, das haben wir getan. Im Weiteren müssen wir offene Ohren und Augen für das Notwendige und die Bedürfnisse unsere Schüler haben und dies dann in angemessener Weise aufnehmen“, so Binder – und ergänzt zum Thema Neutralität: „Ich halte den Begriff Neutralität in diesem Zusammenhang für ungeeignet. Zutreffender hielte ich den Begriff der politischen Korrektheit.“

Thema auch im Städtischen Gymnasium Bad Laasphe

Im Städtischen Gymnasium Bad Laasphe wird das Thema des Ukraine-Konflikts im Unterricht unterschiedlich thematisiert. „Eine Überforderung der Kolleginnen und Kollegen ist mir aber nicht bekannt“, so Schulleiterin Corie Hahn. In vielen Fächern wie Sozialwissenschaften, Politik, Philosophie oder Geschichte werden generell aktuelle Themen diskutiert. Aber: „Es gibt an unserer Schule Schülerinnen und Schüler, die direkt betroffen sind und Familienangehörige in der Ukraine haben. Unser Beratungsteam stehen den Schülern zusätzlich für individuelle Gespräche zur Verfügung. Laut meiner Information werden diese Gesprächsangebote von verschiedenen Schülern genutzt.“

Erzieherinnen in Kitas bereiten sich vor

In den Kitas steht der grausame Krieg, der in der Ukraine tobt, offenbar nicht auf der Tagesordnung. Noch nicht. Der evangelische Kirchenkreis Wittgenstein als Träger gibt seinen Kitas inzwischen allerdings Material und Informationen an die Hand, wie man „Mit Kindern über den Krieg reden“ kann.

Bisher sei das Erzieher-Team noch nicht mit dem Thema konfrontiert worden, etwa durch Fragen der Kinder, berichtet Ute Gatzemeier, Leiterin der evangelischen Kita „Senfkorn“ am Sengelsberg in Bad Berleburg. Doch hätten sich alle im Team natürlich schon darauf vorbereitet, ihnen auch kindgerechte Antworten zu geben.

Vom Kirchenkreis sei jetzt per E-Mail ein ganzes Paket gekommen, basierend auf den Erfahrungen von Beate Brauckhoff vom Pädagogischen Institut der Evangelischen Kirchen von Westfalen (EKvW) in Villigst. Darin enthalten laut Gatzemeier: Gebete für und mit Kindern, aber auch zwei Friedenslieder des Lippstädter Kinderlieder-Künstlers Reinhard Horn. Das gesamte Sortiment werde das Team jetzt in aller Ruhe durchgehen, so die Kita-Leiterin – mit der Frage: Was davon kann ich im Kita-Alltag und im Gespräch mit fragenden Kindern gut nutzen?

Der Wunsch nach Normalität

In der Erndtebrücker Kita „Sonnenau“ an der Ederfeldstraße ist der Ukraine-Krieg „kein Thema“, sagt Leiterin Birgit Bönsch – es sei denn, die Kinder im Alter bis sechs Jahren fragten gezielt nach. „Wir sind froh, dass wir die Corona-Sache einigermaßen überstanden haben und finden, dass jetzt Normalität einkehren sollte.“ Und schließlich wisse man als Erzieherin ja auch nicht unbedingt, so Bönsch mit Blick auf den Krieg in den Medien, „inwiefern die Kinder das daheim mitkriegen“. Es gebe ja auch Eltern, „die halten solche Nachrichten von den Kindern fern“. Und für die Vorschulkinder stehe derzeit eher das Thema „Märchen“ an. Der Krieg könne aber später noch ein Thema im Kita-Alltag werden, so Bönsch – je nachdem, wie er sich entwickle.

In den Wittgensteiner Kindertageseinrichtungen des AWO-Kreisverbandes Siegen-Wittgenstein/Olpe werde der Krieg sicher „hier und da ein Thema sein“, schätzt Lisa Lauber, Abteilungsleiterin Elementarpädagogik für Bad Berleburg, Bad Laasphe. „Man muss abwarten, wie es da weitergeht.“ Bei der AWO selbst sei die konkrete Hilfe natürlich ein Thema, so Lauber: „Eine Spendenaktion läuft – und es fahren Konvois in die Ukraine.“