Wittgenstein. 2020 gab es im Altkreis Wittgenstein allein 178 Vermögens- und Fälschungsdelikte. Wir zeigen die Betrugsmaschen und wie man sie erkennt.

„Hallo! Rate mal wer hier spricht. Ich bin die Tochter deiner Nichte. Meine Mama hatte einen ganz schlimmen Unfall. Ich brauche deine Hilfe, damit wir die OP bezahlen können.“ Der Enkeltrick gehört zu den wohl bekanntesten Maschen der Betrüger – auch in Wittgenstein versuchen es die Kriminellen immer wieder, Opfer für ihre Maschen zu finden. Und davon gibt es zahlreiche. Die meisten von ihnen passieren heutzutage übers Internet. „Betrug in der analogen Welt (Zechbetrug, Tankbetrug, herkömmlicher Waren-, Warenkredit-, Leistungs- oder Leistungskreditbetrug) ist fast schon die Ausnahme“, teilt die Polizei auf Nachfrage der Lokalzeitung mit. Doch was sind die häufigsten Betrugsmaschen? Wie kann ich mich davor schützen und wie sind die Zahlen? Ist die Zahl der Betrugsfälle im Altkreis Wittgenstein gestiegen? Wir haben bei der Polizei einmal nachgefragt.

Lesen Sie auch:

Die Zahlen im Vergleich

Zunächst sollte gesagt sein, dass nur die Daten bei vollendeten Betrugsfällen, bei denen der Tatort Wittgenstein ist, das heißt der Täter in Wittgenstein handelt, erfasst werden. „Wohnt das Opfer in Wittgenstein, der Täter aber woanders, zählt diese Tat nicht für Wittgenstein“, so die Polizei. Was das Jahr 2020 betrifft, so gab es in Wittgenstein 178 Vermögens- und Fälschungsdelikte (hierbei handelt es sich um die gesamten Straftaten in dem sogenannten Hauptgruppenbereich) – im Jahr 2015 waren es noch 247. Was den Waren- und Warenkreditbetrug betrifft so waren es 2020 insgesamt 48 Betrugsfälle – zum Vergleich: Im Vorjahr (2019) waren es 36 und im Jahr 2015 waren es 47 Fälle in diesem Bereich. Ein jahreszeitlich bedingter Betrugsschwerpunkt lässt sich dabei nicht feststellen.

Lesen Sie auch:

Die Betrugsmaschen

„Betrug als Straftat findet mittlerweile hauptsächlich im Internet statt. Das Smartphone als Tatmittel aber auch als angegriffenes Objekt spielt dabei naturgemäß eine große Rolle“, teilt die Polizei auf Nachfrage mit. Zu den häufigsten Betrugsmaschen zählen unter anderem:

Gewinn- oder Geldversprechen: „Die Opfer werden per Mail informiert, angeblich einen größeren Geldbetrag oder eine hochwertige Sache gewonnen zu haben. Dann folgt der Hinweis, dass dafür noch eine Gebühr zu zahlen sei, zum Beispiel für die Abwicklung oder den Notar. Zahlen sollen die Opfer per Überweisung im Voraus.“

Love- oder Romance-Scamming: „Auf Online-Partnerbörsen arbeiten Betrüger mit falschen Identitäten und Fotos. Gezielt bauen sie durch Chat-Dialoge, manchmal auch per Telefon, über längere Zeit eine virtuelle Beziehung zu ihren Opfern auf. Und zwar solange, bis sich die digitale „Partnerschaft“ anfühlt, als sei sie echt. Dann beginnen die Geldforderungen. Für eine Fahrkarte beispielsweise oder um aus einer finanziellen Notlage herauszuhelfen.“

Weitere Maschen / Varianten:

falsche Wohnungs- oder Stellenangebote mit dem Ziel, Vorauszahlungen zu erhalten oder Geldwäschehandlungen zu erzielen

Phishingmails, die dazu dienen, über Weiterleitungen auf gefälschte Webseiten Zugangsdaten und Passwörter zu erhalten

Betrug mit gefälschten Schecks, die beispielsweise beim Kauf eines Autos auf einen höheren Betrag als den vereinbarten Kaufpreis ausgestellt sind

Ausspähen von Daten wie PIN- oder Kontonummern

gefälschte Online-Shops, sogenannte Fake-Shops: „Grundsätzlich gilt, wachsam zu sein bei jedem vermeintlichem Schnäppchen im Internet. Vor allem beim Wort „gratis“ sollten alle Alarmglocken klingeln. Falls man bei einem Angebot nicht sicher ist, immer das Kleingedruckte und den Kontakt im Impressum aufmerksam studieren, im Web nach Kundenbewertungen Ausschau halten und Erfahrungswerte abfragen“, rät die Polizei.

falsche Microsoft-Mitarbeiter, die Zugang zum Computer der Opfer haben wollen (Tech-Support-Scam): „Keine unbekannten Programme (z.B. MS Team-Viewer) nach Aufforderung Fremder auf dem eigenen Rechner installieren!“

völlig überteuerte Angebote von Faksimile-Bibeln und anderen vermeintlich hochwertigen Büchern

betrügerische Handwerker-Notdienste (oberflächliche Schadensbehebung bei gleichzeitig überhöhter Rechnung)

verschiedene Betrugsformen in Bezug auf Corona

Die Erkennungsmerkmale

Doch wie erkennt man einen Betrüger? Auch hier gibt die Polizei im Kreis Siegen-Wittgenstein wichtige Hinweise, worauf man achten sollte. Dazu gehören unter anderem:

Auf die Kontaktaufnahme achten: „Über Netzwerke oder Dating-Seiten kommen Scammer an Mailadressen. Eine knappe Mail in englischer Sprache mit einer Einladung zum Chat dient als Lockmittel. Da die Betrüger oft mit deutschen Mailadressen arbeiten, ist selten ersichtlich, dass sich hinter den netten Zeilen ein Scammer verbirgt. Finger weg von Chatnamen mit ungewöhnlichen Zeichen (z.B. Prozentzeichen) – diese schicken mit ihren Nachrichten Software mit, die dem Computer schaden kann“, warnt die Polizei.

Auf die Sprache achten: „Die Betrüger kommunizieren meistens in gutem Englisch. Insider gehen davon aus, dass rund 95 Prozent der englischsprechenden Kontakte auf deutschen Dating-Seiten Romance- oder Love-Scammer sind. Allerdings gibt es auch viele, die perfekt Deutsch sprechen.“

Der Inhalt der Mails: „Scammer überhäufen ihre Opfer schon nach dem ersten Kontakt mit ellenlangen Briefen voller schwülstiger Liebesschwüre. An den überbordenden Liebeserklärungen und Liebesbekundungen sind sie leicht zu erkennen. Aber es geht auch anders: Seriös wirkende Mails sollen das Interesse wecken. Oft wollen die Scammer alles über ihr Opfer wissen: Hobbys, ehemalige Partner, Kinder, Freunde, auch der Glaube an Gott spielt immer eine Rolle. Wichtig: Die Scammer bezeichnen ihre neuen Partner schon bald als „Ehemann“ oder „Ehefrau“ und schmieden Heiratspläne.“

An Verbindungen nach Westafrika/Russland/Südostasien: „Ob Geschäftsreise oder familiäre Probleme, es gibt vielfältige Gründe für eine Verbindung nach Nigeria, Ghana usw. Frauen hingegen leben oft in osteuropäischen / südostasiatischen / südamerikanischen Ländern.“

An Bitten um Geld/Visum/Päckchen- oder Briefversand / gemeinsames Konto: „Es gibt viele Gründe, das Opfer um Geld zu bitten. Weigert es sich, Geld zu schicken, finden Betrüger andere Wege. Gefälschte Schecks, die in Deutschland eingezahlt werden sollen, gehören dazu. Momentan sehr stark ausgeprägt ist der Wunsch nach einer Einladung nach Deutschland. Hier wollen die Betrüger nicht nur auf Kosten ihrer Opfer leben, sondern auch weiterhin im Auftrag der Nigeria Connection tätig sein. Die Betrüger schaffen es auch, geschickt die Opfer für ihre Zwecke zu missbrauchen, beispielsweise sollen diese Briefe oder Päckchen an dritte Personen verschicken. Scam-Frauen erbetteln sich häufig Einladungen nach Deutschland“, warnt die Polizei.

Erkennen und Handeln

Allgemein gilt: Sollte eines der Fälle zutreffen, gilt es misstrauisch zu sein – vor allem, wenn sich Personen am Telefon als Verwandte oder Bekannte ausgeben, die der Betroffene als solche nicht erkennt. In diesen Fällen rät die Polizei, sofort aufzulegen und sich die Rufnummer zu notieren. „Wenn Sie aber zu einem Rückruf aufgefordert werden, rufen Sie nicht zurück“, so die Polizei. Des Weiteren rät sie:

„Gehen Sie nicht auf die Forderungen ein.

Geben Sie keine Mobilfunknummer an!

Fragen Sie sich, ob die Forderungen und die diesen zu Grunde liegende „Geschichte“ realistisch sind. Lassen Sie sich nicht unter zeitlichen Handlungsdruck setzen!

Geben Sie kein Geld und keine Wertsache in fremde Hände! Die Polizei holt niemals Geld oder Wertsachen ab!

Wenden Sie sich unverzüglich an Ihre nächste Polizeidienststelle.“

Sollte es zu einer Geldübergabe gekommen sein, ist sofort die Polizei zu verständigen. Die zuständigen Ermittler sowie das Kriminalkommissariat Prävention/Opferschutz stehen zur Verfügung. Mehr Infos unter siegen-wittgenstein.polizei.nrw.