Benfetal. Im 18. Jahrhundert kam es im Benfetal zu einem zerstörerischen Hochwasser. Ein Blick auf die Risikokarte zeigt die heutige Gefahrenlage.
„Durch die anhaltenden Regengüsse der letzten Tag, besonders aber durch den starken Regen in der Nacht auf Sonntag führten gestern alle Bäche und Flüsse Hochwasser. Namentlich die Lahn glich gestern einem reißenden Strom und war stellenweise einige hundert Meter breit; sie führte derart viel Wasser mit sich, wie es auch bei den schlimmsten Hochwassern zur Zeit der Schneeschmelze kaum ärger war.“
Dies ist kein Bericht der letzten Tage, sondern beschreibt ein Hochwasser in Wittgenstein im November 1924. Betroffen war damals auch das Benfetal, wie eine Markierung am Fundament einer Brücke zeigt. Dies war aber nicht das einzige Mal, dass an dieser Stelle das Wasser gefährlich hoch über die Ufer trat.
Wie Heimathistoriker Joachim Völkel in der neuen Ausgabe von „Wittgenstein – Blätter des Wittgensteiner Heimatvereins“ beschreibt, kam es im 18. Jahrhundert im Benfetal in Ludwigseck zu einem Dammbruch mit einer Durchbruchtiefe von 1,75 Metern. In dem Artikel „Erndtebrück unter Wasser? Hochwasser und Dammbruch in Ludwigseck“ berichtet Völkel von den Vorkommnissen Ende 1747.
Hochwasser 1747
Demnach machte Förster Mattheus Schnell aus Erndtebrück mit einem Schreiben vom 18. Dezember 1747 seinen Vorgesetzten, den Jägermeister von Haake in Laasphe, darauf aufmerksam, dass „sich beide Ludwigsecker Weiherdämme – der Benfe-Damm und der Seebach-Damm – seit dem Hochwasser vom 13. Dezember in gefährlichem Zustand befänden und zu brechen drohten.“ Beim letzten Hochwasser in der Nacht vom 16. auf den 17. Dezember sei der Benfe-Damm schließlich „gäntzlich durchgebrochen, und ist solcher Bruch sehr stark, daß also dieser Wäyer dann hierdurch viel ruiniret ist.“
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Bereits einen Tag, nachdem er diese Meldung erhält, ist Jägermeister von Haake in Ludwigseck vor Ort und berichtet umgehend an den Grafen in Laasphe: Der Durchbruch sei „an dem Ludwigs Ecker Hammer Weyer bey etliche und dreißig Fuß breit“ – also auf eine Länge von 9,30 Meter, wie Heimatforscher Völkel umrechnet – gebrochen.
Er wundert sich in seinem Bericht darüber, „daß der Erndtebrücker Weyerdamm nicht auch fort gegangen“ ist. In Erndtebrück könne sich niemand an ein solch großes Hochwasser erinnern und das „Waßer ist unten im Dorff bey 4 Schu tieff gewesen“ sei.
Dies entspricht, so Völkel, einer Wassertiefe von ca 1,15 Metern. „Ich habe gestern bey meiner Ankunft zu Ludwigs-Eck auch des alten Teichgräbers ältesten Sohn da gefunden, welcher gantz betrübt war über den außerordentlich großen Durchbruch denn das Wasser hatt über 6 Schu tieff unter sich gegraben“, heißt es weiter in dem Bericht des Jägermeisters. Laut Joachim Völkel entsprechen diese „6 Schu“ in etwa 1,75 Meter.
Ludwigseck in 1747
Entscheidend für das Hochwasser war vor 274 Jahren vor allem aber auch die Bebauung mit den zwei Dämmen an der Benfe und am Seebach (siehe Grafik). Joachim Völkel schreibt, dass um 1690 im Benfetal in Ludwigseck zwei Eisenhammer entstanden. Diese beiden Handwerksbetriebe zur Verarbeitung von Roheisen in Schmiedeeisen benötigten für den Betrieb der großen Schmiedehammer Wasserkraft.
„Der aufgestaute Benfebach und das nahe gelegene Seebachtal lieferten dazu reichlich Wasser“, so Völkel. Eine Karte im Forstatlas von 1739 zeigt den Seebach-Weiher und den Benfe-Weiher mit den zugehörigen Handwerksbetrieben, einer Schneidemühle und einem größeren Eisenhammer.
Im Benfe-Damm sind, so Völkel, zwei bewegliche Wehre zu erkennen: „Ein großes Wehr für den Benfe-Bach, ein kleines Wehr für den Eisenhammer. Beide Wehre erlaubten eine bedarfsgerechte Wasserregulierung bzw Wasserzuführung.“ Diese Dämme schließlich waren es, die 1747 durch Hochwasser bereits beschädigt waren und zu brechen drohten und in der Nacht auf den 17. Dezember schließlich komplett nachgaben. Dies ebnete den Weg für die Wassermassen ins Dorf.
Hochwasser 1924
Das obere Benfetal bei Ludwigseck scheint in einer gefährdeten Zone zu liegen, mutmaßt Völkel. Denn 177 Jahre später kam es in der Region erneut zu einem Hochwasser, dass – die Brücke im Benfetal ist mit der Markierung ein Zeugnis dessen – eben auch im Benfetal wieder die Gegend unter Wasser setzte.
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Das Hochwasser vom 2. November war, wie im Artikel in der Wittgensteiner Zeitung beschrieben, deutlich stärker als andere bis dahin bekannte Hochwasser: „Die Lahn glich einem reißenden Strom und war stellenweise einige hundert Meter breit; sie führte derart viel Wasser mit sich, wie es auch bei den schlimmsten Hochwassern zur Zeit der Schneeschmelze kaum ärger war. Die Holzbrücke, die zum Turnplatz führt, und die vor Winter jedesmal entfernt wird, wurde von den Fluten mitgenommen. Aus anderen Gegenden wird ebenfalls starkes Hochwasser gemeldet.“
Hochwassergefahr heute
Mit zwei bekannten Hochwasser-Vorfällen in der Gegend – wie ist die Situation und Hochwasser-Gefahr heute? Das Landesministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat für ein besseres Verständnis der Gefahrenlage Hochwasserrisikokarten für alle Flussgebiete anfertigen lassen. Dies blickt für das Einzugsgebiet der Weser, das die betreffende Eder und Benfe mit einschließt, nur auf den Erndtebrücker Kernort, eine Einschätzung für Ludwigseck selbst gibt es nicht.
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Aber: Erst ein extremes Hochwasser – also eines, das im Mittel deutlich seltener als alle 100 Jahre auftritt – sorgt im Kernort an der Eder für Überschwemmungen, die auch bebautes Gebiet betreffen. Die Benfe selbst würde im Kernort in diesem Fall vor allem entlang der Weiherstraße auf den dort gelegenen Wiesen über die Ufer treten. Das daran angrenzende Gelände des Sägewerks, Platz des Ko-Dorfes, wird jedoch auch im Extremfall im erstellten Szenario vom Wasser verfehlt.
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Das Wasser der Benfe könnte jedoch dann auch den bebauten Bereich im Kernort zwischen dem ersten Kreisel an der Marburger Straße und dem Soldatenheim überschwemmen. Das Szenario sagt hier größtenteils 0,5 Meter, maximal einen Meter Höhe voraus. Die Eder würde sich im HQ-Extrem-Fall vor allem im Ederauenpark und im Bereich des Lidl-Marktes ausbreiten – hier werden bis zu zwei Meter voraus gesagt.