Wittgenstein. Die Untere Naturschutzbehörde beim Kreis Siegen-Wittgenstein schlägt Politikern die „Überarbeitung“ der Verordnung vor. Kritik kommt vom NABU.

Die Liste der Naturdenkmale und geschützten Landschaftsbestandteile im Kreis Siegen-Wittgenstein soll deutlich kürzer werden – allein in Wittgenstein um mehr als die Hälfte. Die Untere Naturschutzbehörde des Kreises Siegen-Wittgenstein verweist dazu auf „die notwendige Überarbeitung der Naturdenkmal-Verordnung zum Schutze von Naturdenkmalen und geschützten Landschaftsbestandteilen innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile und des Geltungsbereichs der Bebauungspläne“.

Nur noch 31 Objekte

In den elf kreisangehörigen Städten und Gemeinden sind bislang insgesamt 267 Naturdenkmale und Geschützte Landschaftsbestandteile unter Schutz gestellt. Mit der neuen Verordnung sollen es künftig nur noch 154 sein.

Allein in Wittgenstein waren es bislang 72 Naturdenkmale und Geschützte Landschaftsbestandteile – 34 in Bad Berleburg, 21 in Bad Laasphe und 17 in Erndtebrück. Dabei handelte es sich vor allem um charakteristische Bäume. Künftig soll die Liste nur noch 15 Naturdenkmale in Bad Berleburg, neun in Erndtebrück und sieben in Bad Laasphe umfassen – unterm Strich also 31.

„Mit der geplanten Verordnung sollen zukünftig insbesondere solche Objekte unter Schutz gestellt werden, denen eine regionale Besonderheit und Bedeutsamkeit für das Kreisgebiet zugewiesen werden kann“, erklärt Arno Wied, im Kreishaus Dezernent für Bauen und Umwelt. So hatte es auch der Kreistag bereits im vergangenen März beschlossen – bei einigen Enthaltungen. Etwa der Grünen, die eine fehlende Einbeziehung der Naturschutzverbände kritisierten.

Das sagt der Naturschützer

Michael Düben aus Bad Berleburg vom Naturschutzbund (NABU) Siegen-Wittgenstein zeigt sich im Gespräch mit unserer Redaktion einigermaßen entsetzt von den Plänen der Unteren Naturschutzbehörde. Das Kriterium der regionalen Bedeutsamkeit zum Beispiel kann er nicht nachvollziehen. Vielmehr stellt Düben fest, dass alte Baumbestände aus dem Schutz entlassen werden sollen, die bisher „immer ein charakteristisches Stück Heimat“ gewesen seien, als „Altbäume“ aber gerade in Zeiten des Klimawandels immer auch wichtig fürs Mikroklima und die Tierwelt vor allem in den Kernorten seien.

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Düben sieht aber auch die Verantwortung des Kreises für die zahlreichen Naturdenkmale – obliegt ihm doch für alle Objekte in der Liste die Verkehrssicherungspflicht. Damit nach Angaben der Behörde verbunden: „die fortlaufende Überwachung, Sanierung und Pflege, für die im Durchschnitt jährlich gut 30 Prozent einer Vollzeitstelle aufzuwenden sind. Sanierungskosten belaufen sich jährlich auf etwa 30.000 Euro.“

Sehr nah am Wohnhaus steht diese 21 Meter hohe Eiche auf dem Gelände Ederstraße 12 in Bad Berleburg.
Sehr nah am Wohnhaus steht diese 21 Meter hohe Eiche auf dem Gelände Ederstraße 12 in Bad Berleburg. © Eberhard Demtröder

Vor diesem Hintergrund „könnte man hier den Eindruck haben, dass eine Behörde meint, sie könne sich ihre Aufgaben einfacher machen“, so Düben, wenn sie nun die Naturdenkmal-Liste drastisch entrümpele. Hier einige Beispiele dazu aus den drei Kommunen.

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Bad Berleburg

„Aus dem Schutz entlassen“ werden soll im Bad Berleburger Stadtgebiet beispielsweise eine Eiche auf dem Privatgrundstück Kreuzstraße 7 in Arfeld – und zwar „aufgrund seiner geringen Größe als Naturdenkmal und seiner dadurch eher untergeordneten Ortsbildprägung“, findet die Naturschutzbehörde im Kreishaus. Laut Liste ist der Baum mit 2,2 Metern Stammumfang immerhin 13 Meter hoch und 14 Meter breit.

Im Bereich Astenbergstraße 6, Kernstadt, soll eine Kastanie aus der Liste gestrichen werden, die bereits „aus Verkehrssicherungsgründen gefällt“ wurde.

Herausfallen soll auch ein Baumbestand auf dem Friedhof am Sengelsberg mit neun Eschen, 81 Linden, einer Eiche, 41 Ahornen und fünf Birken – „aufgrund der Lage und der Nutzung des Friedhofes mit Grabstätten auch unter den Bäumen“, begründet die Behörde. Allerdings werde der Bestand „im Alleenkataster NRW geführt“ und sei „daher schon gesetzlich geschützt“.

Nicht in der Liste stehenbleiben soll ferner eine 21 Meter hohe Eiche auf dem Privatgelände Ederstraße 12, denn: „Der Baum steht unmittelbar neben einem Wohngebäude“, so die Behörde – hier seien zukünftig Schäden durch den Baum an dem Wohnhaus zu erwarten.

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Erndtebrück

Zur Disposition steht zudem ein Eschenbestand an der Straße „Zur Wäsche“ in Birkefehl als geschützter Landschaftsbestandteil. Die Bäume unmittelbar neben einem Wohnhaus seien teilweise „im Stammbereich geschädigt“, so die Behörde – und sie seien aufgrund ihrer Lage „nicht in besonderem Maße ortsbildprägend“.

Eine Esche an der Straße „Große Mittel“ in Zinse soll sowohl aus der Liste als auch aus der Landschaft verschwinden: Weil sie „durch das Eschentriebsterben befallen sei“, so die Behörde, müsse sie „in Kürze entfernt werden“.

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Bad Laasphe

Nicht mehr schützenswert findet die Behörde eine Eiche am Waldweg in der Kernstadt: Sie stehe „auf einer landwirtschaftlich genutzten Wiese“ und habe „aufgrund der Randlage des Baumes […] keine besondere Wirkung auf das Stadtbild“.

Schon längst Geschichte: Die denkmalgeschützte Eiche am Wilhelmsplatz in Bad Laasphe wurde im August 2018 gefällt.
Schon längst Geschichte: Die denkmalgeschützte Eiche am Wilhelmsplatz in Bad Laasphe wurde im August 2018 gefällt. © Ramona Richter

Bereits Geschichte ist die alte Eiche am Bad Laaspher Wilhelmsplatz. Bekanntlich wurde der Baum aus Gründen der Verkehrssicherung bereits entfernt.

Sieben bis zu 18 Meter hohe Linden an der Buchwiesenstraße in der Kernstadt „heben sich aufgrund ihrer Größe nicht in besonderem Maße von anderen Bäumen in der Nachbarschaft ab“, heißt es aus dem Kreishaus. Sechs davon stehen „direkt an der Lahn bzw. an der Bahnstrecke“ – und die siebte sei bereits „bei einem Sturm umgefallen“.

Aus der Liste verbannt sehen möchte die Untere Naturschutzbehörde auch einen Ahorn im Bereich Rückershäuser Straße 17 – Begründung: „Der Baum steht in der Ortsmitte von Rückershausen an einer Straße bzw. Hofeinfahrt. Der Baum hebt sich aufgrund seiner Größe nicht im besonderen Maße von anderen Bäumen in der Gemarkung Rückershausen ab.“

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Die Überprüfung

Bei einer Überprüfung für die neue Liste berücksichtigt wurden sowohl alle Denkmal-Objekte aus der bisherigen Liste als auch fast 40 Objekte, die von Trägern öffentlicher Belange, aber auch Privatpersonen und Vereinen zur Unterschutzstellung vorgeschlagen wurden. Davon habe sich in der neuen Liste, die nun zur politischen Diskussion steht, nach seiner Einschätzung jedoch leider nur wenig niedergeschlagen, meint Düben.

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Die politische Diskussion

Nachdem am 2. September zunächst der Naturschutzbeirat des Kreises im Rahmen des Verfahrens angehört wird, soll ein Entwurf der geplanten Verordnung politisch beraten und am 24. September im Siegen-Wittgensteiner Kreistag beschlossen werden. Gegen den Entwurf können laut Landesnaturschutzgesetz NRW „Eigentümer und sonstige Berechtigte“ von Oktober bis Dezember „Anregungen und Bedenken einreichen“ – ehe die finale Neufassung der Verordnung erneut politisch beraten und im März 2022 vom Kreistag beschlossen wird. So jedenfalls ist der Verfahrensablauf derzeit geplant.

Kommentar: Einfluss jetzt noch möglich

Redakteur Eberhard Demtröder
Redakteur Eberhard Demtröder © Ralf Rottmann

Mehr als die Hälfte der Wittgensteiner Naturdenkmale sollen aus der Liste fliegen – das kann im Grunde nicht im Interesse ihrer sehr oft privaten Eigentümer liegen. Immerhin kümmert sich in solchen Fällen die Untere Naturschutzbehörde des Kreises um die gesamte Pflege der Objekte, meistens charakteristische Bäume in der Landschaft.

Jedoch ist diese Pflege durchaus aufwendig und nicht ganz billig – vor allem dann, wenn etwa für Untersuchungen der Baum-Substanz Fachfirmen hinzugezogen werden müssen. Kein Wunder also, wenn die Behörde jetzt mit Vorschlägen für eine drastisch eingekürzte Liste daherkommt. Wie lang sie am Ende wirklich wird, das können Politik und Bedenkenträger in der laufenden Diskussion noch beeinflussen.

Eberhard Demtröder