Wittgenstein. Bad Berleburg setzt auf die Erfahrung der Bewohner. Bad Laasphe feilt an Plänen zum Thema. Und Erndtebrück hat vielerorts schon optimiert.

Stichwort „Hochwasserschutz“: Was tun hier die Wittgensteiner Verwaltungen in Zeiten des Klimawandels? Wo sind noch Lücken im System? Und was können die Bürger, die Unternehmen beitragen? Die Rathäuser verweisen im Gespräch mit unserer Redaktion auf Fortschritte beim Thema, räumen aber auch Defizite ein.

Nachhaltig aufgestellt

Bad Berleburg: Das Odeborn-Hochwasser im Januar 2011 lässt den Fluss mitten durch die Kernstadt deutlich über die Ufer treten.
Bad Berleburg: Das Odeborn-Hochwasser im Januar 2011 lässt den Fluss mitten durch die Kernstadt deutlich über die Ufer treten. © Peter Kehrle

Für die Stadt Bad Berleburg fokussieren sich Maßnahmen gegen Hochwasser im Stadtgebiet „auf die beiden großen Flüsse Eder und Odeborn“, sagt Wolfgang Grund, im Rathaus Leiter der Abteilung In­frastruktur und Erholung. Karten, in denen verschiedene Hochwasser-Szenarien dargestellt seien, seien eine Basis, „um bei angesagtem Hochwasser umgehend tätig werden zu können – dies passiert automatisiert, beispielsweise, wenn Überschwemmungsbereiche im Straßenverkehr oder ähnliches zu sperren sind“.

Generell sieht Grund die Stadt Bad Berleburg „für den Ernstfall nachhaltig aufgestellt“ – etwa mit dem „Stab für außergewöhnliche Ereignisse“, bekannt aus der Corona-Krise. Im Ernstfall werde die Bevölkerung „über sämtliche zur Verfügung stehenden Medien – Radio, Fernsehen, Telefon, Internet und soziale Medien, Warn-Apps – benachrichtigt“.

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Darüber hinaus verfüge die Bad Berleburger Feuerwehr „über sieben mobile Sirenen beziehungsweise Warnanlagen“. Zudem laufe derzeit „der Wiederaufbau eines Netzes der ortsfesten Sirenen im Stadtgebiet“. Und vorsorglich „wurden alle Bürgerinnen und Bürger mit einer Notfallbroschüre des Bundes sowie mit einem kommunalen Flyer zu diesen Themen ausgestattet“, betont Grund – „Neubürgerinnen und -bürger erhalten diese ebenfalls“.

Bürgerinnen und Bürger ruft die Stadtverwaltung unter anderem auf, „eigene Erfahrungen mit Hochwasser und möglicherweise festgestellte Schwachpunkte der Stadt zu melden“. Dies gelte „insbesondere auch für kleinere Nebenflüsse, für die Angaben oder Kartenwerke noch fehlen“, so Wolfgang Grund.

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Speziell den Unternehmen bieten die Stadtverwaltung und der Kreis Siegen-Wittgenstein konkrete Hilfe bei der Überprüfung von Gefahren durch Hochwasser an. In gefährdenden Gebieten seien außerdem Lagerflächen mit Gefahrstoffen besonders zu sichern und hochwertige Maschinenteile gesondert zu schützen, sofern möglich.

Konzeptionell noch offen

Starkregen sorgt 2014 dafür, dass der Ilsebach über die Ufer tritt – und die Straße zwischen Banfe und Feudingen gesperrt werden muss.
Starkregen sorgt 2014 dafür, dass der Ilsebach über die Ufer tritt – und die Straße zwischen Banfe und Feudingen gesperrt werden muss. © WP

„Die dramatischen Ereignisse in den von der aktuellen Hochwasserkatastrophe betroffenen Gebieten zeigen, dass man sich intensiv und mehr als bisher mit diesem Thema auseinandersetzen muss“, so Rainer Schmalz, Dezernent im Rathaus Bad Laasphe.

So müssten „Konzepte entwickelt oder angepasst werden, um die Bevölkerung vor den Ausmaßen einer solchen Hochwasser-Katas­trophe besser zu schützen“. Hier seien aber auch „von den Grundstückseigentümern selbst zu treffende Schutzmaßnahmen nötig, wie zum Beispiel der Einbau von Rückstau-Sicherungen“.

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Zunächst aber bedürfe es „strategischer Überlegungen und Planungen, die Politik und Verwaltung gemeinsam unternehmen werden, um entsprechende Schutzmaßnahmen zu entwickeln, vorzuschlagen und Konzepte anzupassen“, sagt Schmalz. Dieser Aufgabe werde sich die Stadt Bad Laasphe stellen.

Dank einer Anpassung des Klimaschutzgesetzes NRW erst kürzlich sowie dem Klimaanpassungsgesetz ergäben sich für die Städte und Gemeinden nun womöglich auch finanzielle Fördermöglichkeiten für die Erstellung von Risikoanalysen oder Handlungskonzepten, hofft der Dezernent. „Inwieweit hier auch investive Maßnahmen gefördert werden können, ist jedoch noch unklar“, sagt Schmalz – und findet: „Auch hier müssen die Kommunen finanzielle Unterstützung von Bund und Land bekommen.“

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Konkrete Maßnahmen seien zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu benennen. „Man muss jedoch so ehrlich sein und festhalten, dass man sich auf Katastrophen wie in der vergangenen Woche mit solch einer verheerenden Zerstörungskraft kaum vorbereiten kann“, bedauert der Dezernent.

Abflussverhältnisse optimiert

Die technische Infrastruktur im Abwasserbereich sehe bereits verschiedene Einrichtungen für Starkregen-Ereignisse vor, so die Gemeinde Erndtebrück – etwa Regenrückhaltebecken oder sogenannte Stauraumkanäle. „Und an den hochwasser-gefährdeten Gewässern, insbesondere der Eder, befinden sich überwiegend Wiesenflächen, welche ohne größere Schäden überschwemmt werden können.“ Hier sei nicht zuletzt im Zuge der Flurbereinigung Womelsdorf die Sicherung der Uferstreifen zunehmend in den Vordergrund gerückt.

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Aber auch durch Renaturierungen und neue Retentionsräume hätten „die Abflussverhältnisse bei Hochwasser optimiert werden“ können – was zum Beispiel zwischen Benfe-Mündung und Industriestraße sowie an der Siegener Straße im Bereich Lidl bereits zu einer Verbesserung geführt habe.

Unternehmen verweist die Gemeinde Erndtebrück auf die Internet-Plattform www.klimasicher.de, an der auch das Klimaanpassungsmanagement des Kreises Siegen-Wittgenstein beteiligt sei.

Was schließlich Privatpersonen für den Hochwasserschutz tun könnten, müsse im Einzelfall beurteilt werden. Neben klimafreundlichem Verhalten könnten etwa Bäume „eine wichtige Rolle bei der Klimafolgen-Anpassung spielen, da sie gegen Überhitzung schützen, Wasser binden können und insbesondere Hanglandschaften Stabilität verleihen“.

Hilfe zur Selbsthilfe für die Bürgerinnen und Bürger

Risikogewässer in Wittgenstein
Risikogewässer in Wittgenstein © Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW

Steckbriefe des NRW-Umweltministeriums für jede Stadt und Gemeinde in Nordrhein-Westfalen zur Management-Planung für das Hochwasser-Risiko – sie zeigen nicht zuletzt auf, welche Maßnahmen sinnvoll sind, um die Gefahren zu vermindern.

Bad Berleburg

So sieht die Arnsberger Bezirksregierung die Stadt Bad Berleburg unter anderem bei der „Erstellung von integrierten Konzepten zum Hochwasserschutz“ für die Eder als „Maßnahmenträger“ in der Pflicht – Umsetzung bis 2021.

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Und für alle drei Risikogewässer – Bortlingbach/Kappel Odeborn und Eder müsse die Stadt „fortlaufend“ für die „Unterhaltung der Deiche“ sorgen, ebenso für das „Freihalten der Abflussquerschnitte an Brücken und Durchlässen“ – wobei an der Eder teilweise auch Anlieger gefragt sind.

Außerdem ist vorgesehen, dass die Stadt Bad Berleburg „Informationsmaterial für Bevölkerung und Wirtschaft mit Anleitungen zur Eigenvorsorge“ bereithält.

An der Eder ist die Stadt angehalten, bestehende, aber auch neue Gebäude im Rahmen von Sanierungen/Umbauten baulich anzupassen, ebenso deren Nutzung.

Für alle drei Fließgewässer soll die Stadt fortlaufend Alarm- und Einsatzpläne für den Hochwasserfall (Gefahrenabwehrplan) aufstellen oder aktualisieren und auch aktualisieren.

Bad Laasphe

Der Stadt Bad Laasphe hatte die Bezirksregierung zum einen eine „Gewässeraufweitung“ der Lahn und zum anderen das „Anlegen einer Verwallung“ ins Stammbuch geschrieben. Beides sei inzwischen umgesetzt. Ersteres basiert auf Konzepten und Planungen zur Sicherung und Reaktivierung von Retentionsräumen/retentionsrelevanten Geländestrukturen, das Zweite stellt eine Umsetzung bereits geplanter Einzelmaßnahmen zum Ausbau, zur Ertüchtigung oder zum Neubau von stationären und mobilen Schutzeinrichtungen dar.

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Ferner von der Stadt gefordert:

die Freihaltung der Abflussquerschnitte im Rahmen der Unterhaltungspflicht einschließlich der Aufstellung und Umsetzung von Gewässerunterhaltungsplänen

Bereitstellung von Informationsmaterial für Bevölkerung und Wirtschaft mit Anleitungen zur Eigenvorsorge

Für beide Fließgewässer Banfe und Lahn soll die Stadt fortlaufend Alarm- und Einsatzpläne für den Hochwasserfall (Gefahrenabwehrplan) aufstellen oder aktualisieren und auch aktualisieren.

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Erndtebrück

Von der Gemeinde gefordert:

die fortlaufende Freihaltung der Abfluss-Querschnitte von Eder und Benfe im Rahmen der Unterhaltungspflicht einschließlich der Aufstellung und Umsetzung von Gewässerunterhaltungsplänen

die Bereitstellung von Informationsmaterial für Bevölkerung und Wirtschaft mit Anleitungen zur Eigenvorsorge

Für beide Fließgewässer Eder und Benfe soll die Gemeinde fortlaufend Alarm- und Einsatzpläne für den Hochwasserfall (Gefahrenabwehrplan) aufstellen oder aktualisieren und auch aktualisieren.

Kommentar: Alles auf den Prüfstand

Eberhard Demtröder, Redakteur
Eberhard Demtröder, Redakteur © Ralf Rottmann

Die schrecklichen Bilder aus den Gebieten der Flut-Katas­trophe – sie haben sich in den Köpfe vieler Wittgensteiner tief eingegraben. Und viele von ihnen haben sich in den letzten Tagen ganz spontan als Helferinnen und Helfer angeboten, um den dramatischen Folgen des unterschätzten Unwetters Herr zu werden – dankenswerterweise.

Und bei uns in Wittgenstein? Auch hier kann es jederzeit zu Wetterlagen mit reichlich Gefahrenpotenzial kommen. Umso wichtiger ist es gerade jetzt, das bisher Geleistete in Sachen Hochwasserschutz auf den Prüfstand zu stellen. Und solide Pläne zu entwickeln, die drohende kritische Hochwasser-Ereignisse zumindest entschärfen. Einen „Notfallplan“ für Bad Laasphe haben die Grünen dort bereits angeregt.

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Dabei sind natürlich die Rathäuser, aber auch Bürger und Unternehmen gefragt. Sie kennen die Problemstellen in ihrer Umgebung – und sollten sie auch benennen. Nur so lässt sich eine wirkungsvolle Gesamtstrategie entwickeln.

Eberhard Demtröder