Wittgenstein. An Eder, Lahn und Odeborn: Menschen aus Wittgenstein erzählen von ihren Erfahrungen, die sie mit den Flüssen vor ihrer Haustür machen.

Die Flut-Katastrophe im Rheinland – sie zeigt derzeit, mit welcher Wucht Starkregen und Hochwasser ganze Regionen treffen können. Wie ist Wittgenstein für solche Ernstfälle aufgestellt? Der drohenden Gefahr ist man sich bei der Feuerwehr, in den Rathäusern, in der Bürgerschaft und bei den Unternehmen jedenfalls durchaus bewusst, zeigt unsere kleine Umfrage. Und es gebe Handlungsbedarf.

Bad Laasphe

Die Risikogewässer

Als sogenannte Risikogewässer macht die Bezirksregierung in Arnsberg im Rahmen der Hochwasserrisikomanagementplanung NRW für Wittgenstein folgende Flüsse und Bäche aus:

Bad Berleburg: die Eder, Bortlingbach und Kappel im Bereich Aue-Wingeshausen sowie das Odeborn-System mit Odeborn und Schwarzenau (aus Richtung Kraftsholz)

Bad Laasphe: Lahn und Banfe

Erndtebrück: Eder und Benfe

Internet:https://www.flussgebiete.nrw.de/hochwassergefahrenkarten-und-hochwasserrisikokarten-8406

Dirk Höbener, Leiter der Feuerwehr Bad Laasphe, sieht seine Einsatzkräfte für Hochwasser-Lagen im Prinzip gerüstet. „Wir haben Schmutzwasser-Pumpen, Tauchpumpen und Paletten voller Sandsäcke“, die für den Ernstfall verfügbar seien. Rund 1000 Sandsäcke lägen gefüllt immer bereit, so Höbener weiter, außerdem 4000 leere, bei Bedarf zu befüllen.

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Grundsätzlich müsse die Feuerwehr in den Strukturen vor Ort operieren, mit Krisenstäben, Einsatzleitungen – und eben jenem Material, „was zur Verfügung steht, um im Fall eines Falles schnell eingreifen zu können“. Man könne „ja nicht einfach vorbeugend Gebiete evakuieren“, so Höbener.

Auch Bäche wie Laasphe und Banfe im Auge behalten

Dirk Höbener, Leiter der Feuerwehr Bad Laasphe, über extreme Hochwasser-Lagen: „Ereignisse in diesen Dimensionen lassen sich am Tag X auch nicht mehr beherrschen.“
Dirk Höbener, Leiter der Feuerwehr Bad Laasphe, über extreme Hochwasser-Lagen: „Ereignisse in diesen Dimensionen lassen sich am Tag X auch nicht mehr beherrschen.“ © Privat

Und wenn wie bei der Flutkatas­trophe in einem Ort wie Erftstadt-Blessem rund 150 bis 200 Liter Starkregen pro Quadratmeter fallen, sei es „schwierig zu sagen: Wo fangen wir an? Ereignisse in diesen Dimensionen lassen sich am Tag X auch nicht mehr beherrschen“, fürchtet Höbener. Im Übrigen habe man vor einer Flut wie dort nicht warnen können: „Das hat doch keiner geahnt, dass dieser Ort derart geschädigt wird.“

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Üblicherweise hat Feuerwehr-Chef Dirk Höbener bei Unwetter-Lagen den Pegel an der Lahn ums Bad Laaspher Rathaus herum im Blick. Könnte es dort kritisch werden? Und auch die Bäche Laasphe und Banfe müsse man im Auge behalten. Leider seien die Flüsse ja „nirgendwo überwacht“.

Stockwiese geschützt für Ereignis „HQ 100“

An der Stockwiese sei in der letzten Zeit aber auch Hochwasserschutz betrieben worden für ein Jahrhundert-Hochwasser HQ 100, weiß Höbener. Und bei einem Ex­trem-Hochwasser „HQ extrem“? „Ganz ehrlich: Das schaffen Sie dann auch nicht mehr mit Sandsack-Deichen“, sagt er.

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Die Bevölkerung müsse sich auf Katastrophen-Ereignisse einstellen wie etwa gefährliches Hochwasser oder auch großflächige Stromausfälle. „Natürlich sollte auch die Kommunalpolitik aufmerksam sein“, findet Höbener. Im Grund sei bei der Frage „Wo können wir nachsteuern?“ jeder gefordert – vor den Bürgern bis hin zu den Ratsvertretern in der Politik. Hier müsse man sensibel bleiben. Für Warnungen der Bevölkerung sieht der Feuerwehr-Chef allerdings zuallererst die Meteorologen am Zug.

Bad Berleburg

Im Grunde nur ein Zaun trennen das Anwesen von Günther Hirschhäuser an der Ludwigsburgstraße von der Odeborn. Er kann mit dem Fluss als natürlichem Nachbarn leben.
Im Grunde nur ein Zaun trennen das Anwesen von Günther Hirschhäuser an der Ludwigsburgstraße von der Odeborn. Er kann mit dem Fluss als natürlichem Nachbarn leben. © Eberhard Demtröder

Günther Hirschhäuser (87) wohnt im Haus Ludwigsburgstraße 1, also direkt an der Odeborn. Schon mit elf Jahren, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, hat er den Fluss in der Kernstadt mit Hochwasser erlebt. Bloß: Damals seien dessen Uferzonen noch nicht so gut ausgebaut gewesen wie heute, erinnert er sich im Gespräch mit unserer Redaktion. Davor sei es vorgekommen, dass die Odeborn einen Meter hoch im Erdgeschoss seines Hauses gestanden habe, so der gelernte Elektriker. Erst dank der Planungen des damaligen Stadtbaumeisters Wilhelm Belz für ein neues Flussbett innerhalb von Mauern sei es Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre deutlich besser geworden. „Die Hochwassergefahr war gebannt.“

Entweder die Sirenen heulten – oder „jemand von der Stadt“ kam

Früher hätten bei Hochwasser entweder die Sirenen geheult – oder „jemand von der Stadt“ habe an die Haustüren geklopft, erzählt Hirschhäuser. Dann habe innerhalb kurzer Zeit die ganze Familie rausgemusst – samt der gehaltenen Schweinen und Ziegen. „Vier-, fünfmal“ habe er das damals erlebt. Und bei Hochwasser im Winter, wenn die Odeborn zugefroren gewesen sei, habe man das Eis gesprengt, um den Pegel wieder abzusenken.

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Die geplante Öffnung des Marktplatzes zur Odeborn hin durch Stufen sieht Hirschhäuser übrigens „nicht als Problem, sondern als Bereicherung“. Was ihm und seinen Nachbarn noch am Herzen liegt: Das möglichst bald die Ludwigsburg-Brücke, früher Schäferbrücke, wieder für Passanten begehbar gemacht wird. Seit November 2018 sei sie wegen Baufälligkeit gesperrt – „und es tut sich nichts“, bedauert Hirschhäusers Ehefrau Herta. Dabei könnte gerade diese Brücke bei Extremhochwasser der Odeborn ein Rettungsweg für Menschen sein.

Erndtebrück

Blick auf das Gelände der TG Kunststoffverarbeitung GmbH, Industriestraße im Erndtebrücker Kernort. Die Firma liegt in direkter Nachbarschaft zur Eder.
Blick auf das Gelände der TG Kunststoffverarbeitung GmbH, Industriestraße im Erndtebrücker Kernort. Die Firma liegt in direkter Nachbarschaft zur Eder. © Hans Blossey

Auch die Eder im Kernort Erndtebrück tritt hin und wieder über die Ufer. Für Anlieger Grund genug, sich gegen drohendes Hochwasser des Flusses zu schützen. Die TG Kunststoffverarbeitung GmbH an der Industriestraße zum Beispiel hat schon vor Jahren Vorrichtungen installiert, welche die Hallen auf dem Betriebsgelände bei Bedarf von der Uferzone abschotten.

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Allerdings: „Für so extreme Situationen wie an der Ahr ist das natürlich nicht ausreichend“, sagt Geschäftsführerin Monika Thorwarth. Andererseits sei es in den vergangenen 30 Jahren tatsächlich noch nie passiert, dass das Wasser der Eder bis zu den Hallen gereicht habe.

Per Steckbrief gesucht: die Hochwasser-Gefahr

Das NRW-Umweltministerium hat im Internet für sämtliche 396 Städte und Gemeinden in NRW Kommunen-Steckbriefe veröffentlicht, die das Hochwasser-Risiko dokumentieren – auch in Bad Berleburg, Bad Laasphe und Erndtebrück. Gefahr droht dort demnach vor allem durch die größeren Flüsse Eder, Lahn und Odeborn. Eine Hochwasser-Gefährdung könne sich aber grundsätzlich auch durch Gewässer ergeben, die in den Steckbriefen gar aufgeführt sind.

Bad Berleburg

Für Bad Berleburg nennt der Kommunen-Steckbrief ganz konkret folgende neuralgische Punkte:

Aue, Zu den Gründen: In der Ortslage Aue werden bei einem extremen Hochwasserereignis Wohn- und Industriegebäude (SAB Sägewerksanlagen GmbH) im Bereich „Zu den Gründen“ überflutet.

Berghausen, Trufte: In der Ortslage Berghausen werden bei einem hundertjährigen Hochwasserereignis Bereiche des Firmengeländes (Gebr. Stahlschmidt GmbH & Co.) nördlich der Eder überflutet. Bereiche der Firma Gustav Beuter GmbH südlich der Eder werden durch einen Deich vor einem häufigen und hundertjährigen Hochwasserereignis geschützt. Im Falle des Deichversagens und beim extremen Hochwasser wird der Betrieb südlich der Eder überflutet.

Arfeld, Stedenhof: In der Ortslage Arfeld im Bereich Stedenhof ist eine Industriebrache bei einem häufigen Hochwasserereignis und Wohnbebauung sowie Gewerbebetriebe bei einem hundertjährigen Hochwasserereignis von Überflutungen betroffen. Bei einem extremen Hochwasser steht weitere Wohnbebauung im südlicheren Teil der Stedenhofstraße unter Wasser.

Schwarzenau: In der Ortslage Schwarzenau sind bei einem häufigen Hochwasserereignis vereinzelte Wohngebäude im Bereich „An der Eder“ vom Hochwasser betroffen. Bei einem hundertjährigen Hochwasserereignis sind weitere Wohngebäude im nördlicheren Bereich und im Bereich „Am Mühlengraben“ betroffen. Bei einem extremen Hochwasser sind weitere Gebäude in diesem Bereich und im Bereich „Zum Sportplatz“ von Überschwemmungen betroffen.

Beddelhausen: Bei einem häufigen Hochwasserereignis sind in der Ortslage Beddelhausen vereinzelte Wohngebäude im Bereich „Rosenhofstraße“ betroffen. Bei einem hundertjährigen Hochwasserereignis sind zusätzlich weitere Wohngebäude im Bereich Wörthstraße und „Auf der Zäune“ betroffen. Im Falle von einem extremen Hochwasser sind zudem weitere Wohngebäude im Bereich Beddelhäuser Straße betroffen.

Bad Laasphe

Für Bad Laasphe stellt der Kommunen-Steckbrief fest:

Kernstadt: Bei einem hundertjährigen Hochwasser-Ereignis werden mehrere Gebäude im Bereich „In der Stockwiese“ südlich des Bahnhofes überschwemmt. Bei einem extremen Hochwasserereignis werden größere Teilbereiche der Ortslage Bad Laasphe nördlich und südlich der Bahnhofstraße (Wohn- und Gewerbegebiete) überflutet.

Erndtebrück

Für Erndtebrück macht der Kommunen-Steckbrief keine Angaben.

Mehr Infos im Internet: https://www.flussgebiete.nrw.de/kommunensteckbriefe-zum-hochwasserrisikomanagementplan-5741