Erndtebrück. Das weltweit agierende Unternehmen ist ein Spiegelbild für die Auswirkungen der Energiewende. Und das hat Folgen – auch für den Stammsitz.

Gerade entsteht für rund 250 Millionen US-Dollar ein neues Werk in den USA. Die Produktionsstätten in Rostock und Korea verzeichnen volle Auftragsbücher und auch der Stammsitz Erndtebrück wird mit einem neuen Großauftrag ausgelastet: Das Erndtebrücker Eisenwerk steht vor großen Herausforderungen.

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Das weltweit agierenden Unternehmen aus Wittgenstein ist ein Spiegelbild für die Auswirkungen der Energiewende. EEW ist mit seiner Expertise für Spezialrohre sowohl auf dem Markt der fossilen Brennstoffe aktiv, wie auch im Windkraftsektor. Während die Offshore-Windkraft boomt, befinden sich Öl- und Gasindustrie nach wie vor auf einer Talfahrt, beschreibt es das Unternehmen. Dieser Spagat hat Folgen für die gesamte Gruppe. Gerade der von der Petrochemie und Gasindustrie abhängige Stammsitz Erndtebrück verzeichnete zuletzt starke Schwankungen in der Auslastung. Ein neuer Auftrag mit einem Volumen von 200 Millionen Euro kommt nach zuletzt schwierigen Monaten mit der Schließung von Werken im Siegerland, wie gerufen. Mit der Produktion von etwa 5000 Rohren in einem speziellen und technisch anspruchsvollen Schweißverfahren, wird die so genannte „Clad-Produktionslinie“ in Erndtebrück von August 2021 bis in den kommenden Sommer gut ausgelastet sein, berichtet Melissa Kuhn-Henk im Pressegespräch.

Joe Biden investiert

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Gleichzeitig boomt die Offshore-Windkraft. In den USA hat Präsident Joe Biden den Kurs seines Vorgängers Donald Trump korrigiert. Bis 2030 sollen verschiedenen Medienberichten zufolge 10,2 Milliarden Euro in Windparks vor der Ostküste investiert werden, um bis 2030 zehn Millionen Haushalte mit regenerativen Energien versorgen zu können.

Zusammen mit seinem dänischen Partner, dem Energiekonzern Ørsted, stößt EEW nun in diesen Markt vor und will sich mit seiner Expertise im Bau von Monopiles – Fundamenten für Windkraftanlagen auf See – den Wettbewerbsvorteil des „First Movers“ sichern.

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„Der Baubeginn des neuen Monopile-Werks namens EEW American Offshore Structures (EEW AOS) erfolgte bereits im März. Der Standort befindet sich im Paulsboro Marine Terminal im Bundesstaat New Jersey. Die Lage am Delaware River mit direkter Anbindung an den Atlantischen Ozean stellt sicher, dass Monopiles der neuesten Generation mit Durchmessern von über zehn Metern direkt vom Werk zu den Bauprojekten auf See transportiert werden können. Der Aufbau des Werks erfolgt stufenweise. Eine Rundnahtfertigung soll bereits 2022 an den Start gehen, die Längsnahtfertigung folgt zu einem späteren Zeitpunkt“, berichtet EEW.

Gouverneur lobt Investition

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„Als die bisher größte industrielle Offshore-Wind-Investition in den Vereinigten Staaten wird das Paulsboro Marine Terminal ein bedeutender Motor für die Wirtschaft des Bundesstaates sein und Hunderte von gut bezahlten, gewerkschaftlich organisierten Arbeitsplätzen in South Jersey schaffen. Offshore-Wind ist eine einmalige Gelegenheit, und der heutige Spatenstich ist ein monumentaler Schritt nach vorne, um New Jerseys saubere Energiewirtschaft für kommende Generationen voranzutreiben“, lobt auch New Jerseys Gouverneur Phil Murphy beim Auftakt zum Werksbau.

Das Eisenwerk profitiert in Amerika von seiner großen Erfahrung aus Rostock und auch dem Werk in Korea. Dort werden ähnliche Produkte für den europäischen und asiatischen Markt hergestellt.

LDer Stammsitz des Erndtebrücker Eisenwerks im April. Hans Blossey hat dieses Foto aus der Luft aufgenommen.
LDer Stammsitz des Erndtebrücker Eisenwerks im April. Hans Blossey hat dieses Foto aus der Luft aufgenommen. © www.blossey.eu | Hans Blossey

In 2008 nahm Rostock mit seiner Monopile-Herstellung eine Vorreiterrolle im Europäischen Markt ein. Auch hier läuft das Geschäft weiter sehr gut: „Erst kürzlich konnten zwei große Aufträge mit einem Gesamtauftragsvolumen von über 300 Millionen Euro und 130 Monopiles für die Rostocker Fertigung gebucht werden“, meldet EEW.

Diese positive Entwicklung in der Windkraft-Branche täuscht aber nicht über den Strukturwandel in der Röhrenindustrie hinweg: Der rückläufige Trend in der Öl- und Gasindustrie lasse sich nicht aufhalten. Bereits vor Corona befand sich die Stahlrohrindustrie aufgrund der schlechten Auftragslage, einhergehender Unterauslastung und extremem Preisdruck in einem Strukturwandel. Dies belegten beispielsweise auch die Entwicklungen bei den Siegerländer Rohrherstellern.

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Infolge von Corona habe sich diese Situation noch mal erheblich verschärft. Aufträge seien verschoben oder komplett storniert worden, sodass EEW die bereits pessimistisch formulierten Geschäftsziele nicht habe erreichen können, berichtet das Unternehmen. Gleichzeitig sei aufgrund einer nachhaltig veränderten Projektlandschaft davon auszugehen, dass eine konstante Auslastung wie in der Vergangenheit nicht mehr zu erzielen sei. Es werden vermehrt Spitzen mit Volllast auftreten, aber auch Täler mit Unterauslastung, macht der geschäftsführende Gesellschafter Christoph Schorge deutlich.

Zukunftskonzept fortsetzen

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Vor diesem Hintergrund habe sich EEW dazu entschlossen, das im Jahr 2019 entwickelte Zukunftskonzept um neue Maßnahmen zu erweitern. Christoph Schorge erklärt die neuerlichen Schritte wie folgt: „Im Zuge der Initiierung unseres Zukunftskonzepts vor zwei Jahren haben wir bereits umfangreiche Maßnahmen eingeleitet, um die Wettbewerbsfähigkeit unseres Erndtebrücker Standorts zu verbessern. Die Pandemie hat unsere wirtschaftliche Lage jedoch nochmals erheblich verschärft, weshalb wir insbesondere unsere Kostenstruktur weiter optimieren und Lösungen für die volatile Beschäftigungssituation finden müssen. Weitere Personalmaßnahmen sind allerdings derzeit nicht geplant.“

Die konkrete Ausgestaltung des Maßnahmenpakets habe erst kürzlich begonnen, weshalb genaue Inhalte erst zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgegeben werden können.

EEW-Geschäftsführer Christoph Schorge
EEW-Geschäftsführer Christoph Schorge © EEW | EEW

„Diese aktuell sehr gegenläufigen Entwicklungen – der Aufbau eines neuen Werks in den USA auf der einen Seite und weitere Einschnitte in Erndtebrück auf der anderen Seite – sind nicht so einfach nachzuvollziehen. Wir müssen jedoch die sich ergebenden Chancen in den profitablen Wachstumsmärkten nutzen, um rückläufige Marktentwicklungen in anderen Unternehmensbereichen zu kompensieren. In Summe dient all dies dem langfristigen Fortbestand unserer gesamten Unternehmensgruppe und insbesondere dem Erhalt unseres Stammsitzes in Erndtebrück.“

Zum neuen Werk in den USA

Das Werk entsteht auf einem etwa 70 Hektar großen Gelände. Verstärkt wurde die Kaikante, um die Tragfähigkeit für die 2500 Tonnen schweren Monopiles zu erhöhen und den Bau von zwei großen Gebäuden, in denen Umfangsschweißen, Sandstrahlen und Lackieren stattfinden werden, zu richten.

EEW hat mit mehr als 30 Unternehmen aus New Jersey Verträge abgeschlossen, um die Planung, die Genehmigungsverfahren, die Bauarbeiten und den Beton zu unterstützen.

Nach der Fertigstellung wird die Anlage Monopiles für den 1100 MW Ocean Wind Park vor der Küste des südlichen New Jersey herstellen. Die Anlage von EEW wird bis zu 260 Arbeitsplätze schaffen.