Siegen/Erndtebrück. Am zweiten Prozesstag belastet den Angeklagten ein weiteres DNA-Gutachten schwer.

Die gute Nachricht: Es geht weiter mit dem Verfahren gegen einen 22-jährigen Mann aus Erndtebrück, der am 8. März 2020 eine Frau am Hachenberg überfallen und vergewaltigt haben soll. Die weitere DNA-Untersuchung eines am Tatort gefundenen Socken und einiger Vergleichsproben wurde entgegen der düsteren Ahnungen am ersten Prozesstag bereits vom Landeskriminalamt vorgenommen und kann am zweiten Verhandlungstag verlesen werden. Außerdem werden noch zwei Zeugen vernommen, auf Anregung des Verteidigers. Uwe H. Krechel hatte am 4. Februar heftige Zweifel gegen das erste DNA-Gutachten geäußert und medizinische Zeugen zu den Hintergründen und Untersuchungsmethoden hören wollen.

Gerichtsmediziner berichtet

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Das geschieht an diesem Freitag in Person des Dortmunder Gerichtsmediziners Dr. Ralf Zweihoff sowie des Siegener Arztes, der dem Angeklagten Proben vom Glied und aus der Harnröhre entnommen hatte. Dass gerade dort Spuren des Opfers nachgewiesen wurden, am äußeren Organ hingegen nicht, erklärt Dr. Zweihoff mit einer möglichen Reinigung des Täters nach dem mutmaßlichen Tatvorgang. Näheres zur gesamten Thematik könne letztlich aber nur eine Person vom Fach aussagen betont er und nennt auch eine anerkannte Spezialistin von der Universität Essen.

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Das lässt Verteidiger Krechel aufhorchen, einen Beweisantrag stellt er allerdings noch nicht. Das sei ohnehin seine Sache nicht, erklärt der Mann aus Bonn, „den letzten habe ich gestellt, als ich noch volle Haare gehabt habe! „Von mir bekommen Sie nur Beweisanregungen. Und die haben eigentlich immer Hand und Fuß“, es mache immer Sinn, diesen auch nachzukommen. Dann überlegt er zumindest, nach Überfliegen des neuen Gutachtens, das er zu spät bekommen habe, um es richtig zu lesen oder gar Stellung zu nehmen, ob nicht ein psychiatrischer Gutachter hinzugezogen werden sollte. Bislang habe die Kammer für ein solches Gutachten keinen Anlass gesehen, entgegnet Richterin Elfriede Dreisbach. Die Erkenntnisse des Papiers ließen zumindest die Möglichkeit zu, „dass die Aussichten des Angeklagten auf einen Freispruch deutlich geschmälert sind“, überlegt Krechel vorsichtig.

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Tatsächlich wurden neben dem gefundenen Socken noch ein Slip der Geschädigten sowie Boxershorts des Angeklagten untersucht. Überall wurden DNA-Spuren beider Personen gefunden. Der junge Mann hatte hingegen behauptet, am Tatabend einen Socken mit Bier übergossen, ausgezogen und weggeworfen zu haben. Das am Tatort gefundene Kleidungsstück sei es definitiv nicht gewesen.

Anklägerin fühlt sich bestätigt

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Staatsanwältin Jahan Memarian-Gerlach sieht durch diese Erkenntnisse eine „erdrückende Beweislast“, die den Angeklagten erkennen lassen müsse, dass eine längere Haftstrafe kaum noch zu umgehen sei. Sie befürchtet Flucht- und auch eine Wiederholungsgefahr, beantragt einen Haftbefehl. Der 22-Jährige könne jederzeit wieder seinen Trieben nachgeben und eine andere Frau überfallen.

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Anwalt Krechel hatte nach dem Gutachten eine gewisse Distanz zum Mandanten erkennen lassen: „Ich kenne den Mann nicht!“ Er wisse nicht mehr über diesen, als den Inhalt „eines eineinhalbstündigen Gespräches“ und habe nun das Problem, den Täter aus den Beschreibungen „und den Mann neben mir“ in Übereinstimmung zu bringen. Nach dem Vorbringen der Staatsanwältin ändert er seinen Ton aber sofort wieder. Für den Bonner sind weder Flucht- noch Wiederholungsgefahr gegeben. Im Grunde habe sich durch das neue Gutachten nicht viel geändert. Schon das Auffinden der DNA des Opfers an ungewöhnlicher Stelle hätte eine gewisse Belastung ergeben. Trotzdem sei der Mandant nicht geflohen und habe sich dem Verfahren gestellt: „Er sieht sich als unschuldig!“

Keine Wiederholungsgefahr

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Die Kammer berät eine gute Viertelstunde und weist den Antrag ab. Die Richter sehen es ähnlich wie der Verteidiger und im Gegensatz zur Staatsanwältin keine Wiederholungsgefahr, weil vorher und nachher nichts geschehen sei. Durch die Beziehung zur Freundin gebe es auch eine soziale Anbindung des Angeklagten in der Region.