Bad Berleburg/Münster. Der Opa ist stolz. Der Landrat lobt den Supertyp und das JAG-Jubiläum hat einen Festredner. Reaktionen auf die Wahl von Konstantin Achinger.
Familie und Weggefährten in Bad Berleburg sind stolz auf „ihren Jungen“. Konstantin Achinger (25) ist in der 19. Landeskonferenz der NRW-Jusos in Bielefeld mit 82 Prozent zum neuen Landesvorsitzenden gewählt worden.
Aus heutiger Sicht war es der richtige Weg
Friedhelm Aderhold aus Wemlighausen (Jahrgang 1933) hatte von 1969 bis 1974 ein Direktmandat der SPD im letzten Wittgensteiner Kreistag inne und erlebte so die Debatten aus erster Hand. Später saß der Kommunalpolitiker und letzte ehrenamtliche Bürgermeister Bad Berleburgs (1994 bis 1999) dann von 1984 an 25 Jahre im Kreistag Siegen-Wittgenstein.
1 ie Kommunale Neugliederung 1975 - war sie Fluch oder Segen?Die Kommunale Neugliederung 1975 - war sie Fluch oder Segen?
Friedhelm Aderhold: Letztlich kann ich aus heutiger Sicht nur sagen, dass es der richtige Weg war. Für uns als kleine Ortschaften und als Kreis Wittgenstein wären doch so große Investitionen in Straßen und Kanalisation gar nicht mehr bezahlbar gewesen.
Für mich war es damals die erste Wahlperiode im Kreistag. Wir wussten ja, was kommen würde, weil die Neugliederung in anderen Regionen schon gelaufen war. Es sollte keine Kreise unter 150 000 Einwohner mehr geben. Und neben Wittgenstein sollte damals ja auch Olpe zum Kreis Siegen kommen. Damit wären aber die SPD-Mehrheiten im Kreis Siegen und bei Landrat Herrmann Schmidt weg gewesen. Es ging also politisch ums Eingemachte. Wir als Wittgensteiner Sozialdemokraten haben damals die Vorwärtsstrategie vertreten und uns Hoffnungen auf Zugeständnisse gemacht, beispielsweise bei der Verkehrsanbindung. Leider ist nicht alles so gekommen. Aber den Hickhack, den es zwischen SPD und CDU gegeben hat, der wäre hier vor Ort nicht nötig gewesen. Im Landtag hatten diese beiden Parteien doch alles schon zusammen beschlossen.
2 Alle reden von interkommunaler Zusammenarbeit. Könnte die Großgemeinde Wittgenstein dann nicht die logische Fortführung der kommunalen Neugliederung von 1975 sein?
Ich hätte nichts gegen eine Großgemeinde. Die war ja damals auch schon im Gespräch. Doch wir als reine Freizeitpolitiker hielten das damals für nicht leistbar.
Für Achingers Großvater Friedhelm Aderhold (88) ist das ein schöner Tag gewesen: „Er hat mit uns vorher darüber gesprochen, dass er sich auf den Vorsitz in NRW bewerben möchte und freie Fahrt von mir bekommen. Ich habe gesagt: Junge, wenn du das neben dem Studium machen willst, dann mach es. Und ich bin stolz, dass er es geschafft hat. 82 Prozent sind ein ordentliches Ergebnis. Darauf kann man stolz sein.“ Aderhold ist ein SPD-Urgestein. Er war Jahrzehnte lang kommunalpolitisch als Fraktionsvorsitzender und letzter ehrenamtlicher Bürgermeister von Bad Berleburg aktiv, trotzdem schmunzelt der 88-Jährige über den politischen Werdegang: „Er ist nicht durch mich zur SPD gekommen, sondern durch Per Steinbrück.“
„Du wirst mal Kanzler“
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Oma Lisa Aderhold (83) setzt auch Hoffungen in ihren Enkel: „Es ist gut, dass sich junge Leute für Politik interessieren“, sagt sie und plaudert ein bisschen aus dem Nähkästchen: „E konnte immer gut reden und auf dem Gymnasium haben sie schon zu ihm gesagt: Du wirst bestimmt mal Kanzler.“
Der frisch gewählte NRW-Vorsitzende der Jungsozialisten muss über diese alte Geschichte lachen: „Das Kanzleramt ist nicht mein mittelfristiges Ziel“. Anders ist das schon bei der Nachfolge von Jessica Rosenthal, die Achinger nun antritt. Die 27-Jährige Rosenthal stellte sich nicht mehr zur Wahl, weil sie für den Bundesvorsitz kandidiert und damit Nachfolgerin von Kevin Kühnert werden möchte.
Achinger weiß, was auf ihn zukommt. Er war zuvor stellvertretender Landesvorsitzender: „Ich hatte Lust auf die zwei Jahre im Amt, das eines der schönsten im Landesverband ist.“
Klare Programmatik
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Der Student übernimmt den Vorsitz in einer wichtigen Phase, zwei Jahre vor der nächsten Landtagswahl. Umso ernster wird er beim Blick auf das Umfragetief seiner SPD. Da wartet viel Arbeit. Aber, so formuliert es Achinger, „wir machen uns jetzt auf den Weg“. Im Gespräch streift der 25-Jährige einige Themen, die ihm besonders am Herzen liegen: Bildungspolitik, Verkehrspolitik und die Handlungsfähigkeit der Kommunen, die er im Landtagswahlkampf seiner Partei stark im Fokus sehen möchte. „Wir haben jetzt seit 2011 einen Schulfrieden. Es wird Zeit, im Vorfeld der Landtagswahl wieder grundsätzlich über Bildung zu diskutieren“, sagt der angehende Lehrer für Deutsch und Philosophie. Das Wichtigste ist Achinger dabei, „Chancengleichheit für Kinder und Jugendliche“ zu schaffen. Corona habe gezeigt, dass sie nicht überall gegeben sei. „Unser Schulsystem ist sehr selektiv und es wird sehr früh über beruflichen Erfolg entschieden“, sagt der in Bad Berleburg aufgewachsene Münsteraner. Als Beispiel nennt er die Versorgung mit Computern und Breitband an Schulen und in Haushalten. „Viel hängt vom Elternhaus ab. Nicht jedes Kind hat einen Laptop und in manchen Haushalten gibt es sogar nur einen PC“, erläutert Achinger. Wären diese digitalen Voraussetzungen für alle Kinder gleich, wäre ein wichtiger Schritt in Richtung Chancengleichheit in der Bildung getan.
Verkehrswende und Kommunalfinanzen
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Beim Thema Verkehrswende sieht der Genosse Versäumnisse der aktuellen schwarz-gelben Landesregierung, die im Vorfeld versprochen habe, die Staus zu beenden. „Das ist ein Thema, dass auch die Menschen in meiner alten Heimat brennend interessiert. Ich denke, in NRW beißen nach wie vor viele Autofahrer ins Lenkrad. Da helfen nur Investitionen. Mike Groschek hat mal gesagt: Gegen Stau hilft nur Bau.“
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Am Herzen liegen dem Juso aber auch die Kommunen. Ein Altschuldenfonds müsse her, um den Städten und Gemeinden wieder Handlungsspielräume zu geben, wiederholt Achinger eine Forderung der Bundes-SPD. Mit Handlungsfähigkeit verbindet Achinger aber auch einen ganz anderen Aspekt: Auf diese Weise könne man Menschen wieder für Politik begeistern. „Die Kommunalwahl hat ja gezeigt, dass es schwierig ist, Menschen zu einer Kandidatur zu bewegen. Aber Corona hat auch gezeigt, wie groß der Handlungsspielraum von Politik tatsächlich ist.“
Glückwünsche aus der „politischen Heimat“
„Ich freue mich riesig. Konstantin ist ein Supertyp mit großer politischer Weitsicht. Er hat den Blick für grundsätzliche politische Themen genauso wie für das Pragmatische, Bodenständige. Er kann beide Perspektiven einnehmen“, stellt Siegen-Wittgensteins Landrat Andreas Müller eine besondere Fähigkeit heraus, die er in den vergangenen Jahren in der gemeinsamen politischen Arbeit bei den Jusos mit Achinger festgestellt hat.
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„Ich finde das sehr gut, dass wir in der Region junge aufstrebende Leute haben. Es wird Zeit, dass man der Jugend diese Chance gibt“, sagt der Bad Laaspher SPD-Fraktionsvorsitzende Samir Schneider. Und Erndtebrücks Bürgermeister Henning Gronau wünscht dem Genossen mit Wittgensteiner Wurzeln „immer eine gute Hand. Ich gratuliere ihm zu diesem neuen Amt.“
Freude am Johannes-Althusius-Gymnasium
Groß ist die Freude auch am Johannes-Althusius-Gymnasium, wo Achinger 2013 als einer der ersten G8-Abiturienten seine Prüfungen ablegte und für seine herausragenden Leistungen mit der Johannes-Althusius-Plakette ausgezeichnet wurde. „Ich freue mich sehr, dass junge Menschen sich politisch engagieren und dass wir es als Schule und Gesellschaft schaffen, Menschen diese Verantwortung nahe zu bringen“, kommentiert Schulleiter Clemens Binder Achingers politischen Erfolg und schwelgt dann in Erinnerungen: „Konstantin hat eine der herausragendsten Abiturreden an dieser Schule gehalten und ich freue mich, dass ich ihm vor zwei Jahren das Versprechen abgenommen habe, dass er Festredner beim 100-jährigen Jubiläum unserer Schule sein wird.“