Bad Laasphe. Dr. Frank Müller hat eine These zur Borkenkäferkalamität: Nicht allein der Klimawandel ist schuld sagt der promovierte Landwirt aus Bad Laasphe.

Schon von frühester Jugend an hat sich der Bad Laaspher Dr. Frank Müller mit dem Wald auseinandergesetzt. Der promovierte Landwirt hat Bäume gepflanzt, Wälder in Wittgenstein durchforstet und später als Entwicklungshelfer in vielen Ländern Aufforstungsprojekte begleitet. Seit seiner Rückkehr nach Deutschland vor etwas mehr als 20 Jahren kümmert er sich auch um den heimischen Wald, als Waldbesitzer, Vorsitzender der Jagdgenossenschaft und Kommunalpolitiker. Und weil er als Rentner täglich den Blick auf Bäume und Borkenkäfer hat, haben Neugier und Wissenschaftler die Oberhand gewonnen. Müller berichtet uns, was er im Zusammenhang mit dem Schädlingsbefall festgestellt hat und wie man die Folgen dieser Katastrophe bearbeiten könnte.

Dr. Müller, Sie haben eine Varianz-Analyse zu den Ursachen der Borkenkäfer-Kalamität gemacht. Warum haben Sie das gemacht?

http://Wittgenstein-_Grüne_wollen_Waldumbau_gegen_Dürre{esc#229256066}[news]Dr. Frank Müller Ich kenne mich im Wald - vor allem hier im Südkreis - sehr gut aus. Und mir ist aufgefallen, dass mit zunehmendem Käferbefall bestimmte Flächen stärker betroffen waren als andere. Ich wollte dann einfach feststellen, woher der Unterschied kommt. Meine Beobachtungen zeigen, dass der Eigentümer den größten Unterschied ausmacht.

Es sind also nicht vorrangig das Klima oder die Wasserversorgungen, die den Unterschied ausmachen?

Sicher ist es grundsätzlich so, dass sich der Käfer an Südhängen und bei trockenem Boden schneller vermehrt. Aber dann stellen Sie auf einmal fest, dass es Südhänge gibt, die einen sehr guten Bestand haben und dagegen Nordhänge, die vollkommen befallen sind. Und sie stellen fest, dass der Eigentümer in dem einen Fall dafür gesorgt hat, dass etwas gemacht wurden und in anderen Fällen eben nicht.

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Überspitzt formuliert: Es liegt daran, wie stark der Mensch, der Waldbesitzer, eingreift und pflegt?

Ganz genau. Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, dass viele der jetzigen Eigentümer gar nicht in der Lage sind, das selbstständig zu tun.

Können Sie das genauer erläutern?

Früher hatten die Kleinbauern erst eine Schrotsäge und dann eine Motorsäge. Und sie gingen regelmäßig im Winter in den Wald und sorgten für Ordnung, oder hauten was raus, um ein bisschen Geld zu verdienen. Die Anzahl der Leute, die das heute noch tun, ist sehr zurückgegangen.

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Das bedeutet im Umkehrschluss, dass man Waldbesitzern, die nicht mehr diese Fähigkeiten oder das Wissen haben, helfen müsste, den Wald anständig zu bewirtschaften?

Diese Organisationen gibt es ja. Nur muss man sagen, dass die Aufmerksamkeit, die Forstbetriebsgemeinschaften dem Wald über das staatliche Forstamt entgegen gebracht haben, nicht ausgereicht hat. Wahrscheinlich liegt das daran, dass für die großen und weit auseinanderliegenden Flächen zu wenig Fachkräfte zur Verfügung standen.

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Auch da frage ich noch einmal nach: Das Regionalforstamt bräuchte nach Ihrer Meinung mehr Personal, um die Waldbesitzer bei der Bewältigung der Borkenkäferkalamität unterstützen zu können?

Ja, genau. Oder wir müssten eine andere Organisationsform wählen. Zum Beispiel die Genossenschaften, die dann eigene Förster einstellen.

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Das bedeutet große Waldbesitzer - wie die örtlichen Rentkammern - die mit eigenem Personal wirtschaften können, wäre demnach erfolgreicher?

Genau das heißt das.

Es gibt auch die Diskussion über Baumarten, darüber wie ein Wald aussehen könnte, der besser mit Schädlingen oder Sturm fertig wird. Wie sehen Sie den Waldumbau?

Grundsätzlich ist das eine ganz langfristige Sache, bis man feststellt, ob eine neue Baumart geeignet ist, oder ob sie im Mischbestand mit anderen funktioniert. Das kann man nicht in zwei Jahren feststellen. Das ist eine Sache von Jahrzehnten. Entsprechend schwer ist es, zu sagen, was hier angebracht ist und was nicht. Fakt ist, dass der Klimawandel stattfindet.

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Woran machen Sie das fest?

Ich möchte Ihnen eine Zahl sagen, die mir 2004 mein ehemaliger Lehrer von der Landwirtschaftsschule, der Herr Peter aus Schameder, gesagt hat: Wir hatten damals schon eine Vorverschiebung von 14 Tagen.

Vorverschiebung heißt?

Die Vegetationsperiode setzt früher ein, als das im phänologischen Kalender statistisch abgesichert zu sehen ist.

Worin liegt das Problem? Viele Menschen empfinden einen früheren Frühlingsanfang doch als gut?

Ich erwähne das Beispiel Buche. Das ist ganz typisch. Früher ist man am 1. Mai spazieren gegangen und da gab es hier noch kein Buchenlaub. Wenn dann einer mit dem Schlepper angefahren kam, der Buchenlaub drauf hatte, dann kam der aus dem Hessen, weil die etwas früher sind als wir. Mittlerweile ist es so, dass zum 1. Mai auch hier alles grün ist. Und dann kommen die Eisheiligen und die frischen Triebe frieren zurück. Es dauert dann bis Ende Juli, bis die Buchen neu austreiben. Das passiert inzwischen fast in jedem Jahr und bedeutet einen erheblichen Verlust bei den Zuwächsen.

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Ein weiterer Effekt des Klimawandels ist die Trockenheit. Trifft die jahrelange Dürre die Baumarten gleich?

Nein. Da gibt es sehr große Unterschiede: Die Fichte ist ein Flachwurzler, die Douglasie wurzelt tief. Da muss man für die Zukunft auf den vielen kleinen Flächen Mischbestände erstellen. Das ist eine komplizierte Sache und das erfordert eine Zusammenarbeit zwischen allen kleinen Waldbesitzern. Ein gutes Beispiel wie so etwas funktionieren kann, sind die Hauberge im Siegerland.

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Es kommt beider Wiederbewaldung auf größere Strukturen an?

Da kommt noch etwas Wichtiges hinzu. Wenn man an die Zukunft denkt, wird immer wieder über die CO2-Bindung gesprochen. Da kann der Wald einen erheblichen Beitrag leisten. Wenn man aber sagt, der kleine Waldbesitzer bindet für die Gesellschaft CO2, dann muss das aber irgendwie vergütet werden. Dafür muss es eine Richtlinie der Politik geben. Wenn es aber nur um die CO2-Bindung geht, kommen ganz andere Baumarten in Frage. Zum Beispiel Pappel oder Erle in den Tallagen.

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Schnell wachsendes Holz bindet mehr CO2, heißt es...

Ja, ich beobachte zum Beispiel die Traubenkirsche. Die eignet sich für einen Anbau an ganz vielen Orten.

Wenn wir schon bei den Bauarten sind. Vielfach wird jetzt vergangenen Generationen vorgeworfen, mit der Fichte den falschen Baum gepflanzt zu haben. Wie sehen Sie das?

Das Recht für diesen Vorwurf haben wir nicht. Durch das Anpflanzen der Fichte ist ja so viel Gutes gemacht worden. Wenn man das Mal in Zahlen darlegen könnte, was dabei an Werten, an Arbeitsplätzen geschaffen worden ist. Das ist wahnsinnig, wenn man vergleicht, was vorher hier war.

Mit Dr. Frank Müller sprach Lars-Peter Dickel