Bad Berleburg. Das was Förster Klaus Daum berichten hat stellt alle bisher dagewesenen Katastrophen in den Schatten. Politik steht hinter Notstandsplänen.
Die Stadt Bad Berleburg möchte am kommenden Montag im Stadtrat den Klimanotstand ausrufen. Einen entsprechenden Antrag der Verwaltung verabschiedete der Haupt- und Finanzausschuss am Donnerstagabend einstimmig bei einer Enthaltung. Hintergrund ist das Waldsterben, das durch den Klimawandel ausgelöst und durch den Borkenkäfer verschlimmert wird. Das was Förster Klaus Daum berichten hat stellt alle bisher dagewesenen Katastrophen in den Schatten.
Mit allen Akteuren an einen Tisch
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Bad Berleburg – als Deutschlands nachhaltigste Kleinstadt ausgezeichnet – will damit ein Zeichen nach innen und außen setzen. „Der Klimanotstand ist zwar nur eine deklaratorische Formel und keine verwaltungsrechtliche“, macht Bürgermeister Bernd Fuhrmann klar. „Aber wenn wir ihn in unsere Nachhaltigkeitsstrategie einbinden, ist das auch eine erhebliche Selbstverpflichtung.“ Der Klimanotstand sollte als ein fester Punkt in das über 200 Seiten starke Konzept mit Wirkung bis 2030 aufgenommen werden und als Handlungsempfehlung auch die Arbeit an Lösungen für das Waldsterben in Zusammenarbeit mit allen forstwirtschaftlichen Akteuren enthalten.
Bislang keine Erfahrungen mit Katastrophe diesen Ausmaßes
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Auslöser dieser Entscheidung, die erst im Laufe des Tages vor der Sitzung durch die Verwaltung vorbereitet wurde, war der Bericht von Klaus Daum vom Staatlichen Forstamt, der die aktuelle Situation im Stadtwald Bad Berleburg aber auch darüber hinaus beschrieb. Der Vortrag war so eindringlich, dass die politischen Vertreter aller Parteien die Ausnahmesituation anerkannten und auch deutlich wurde, dass es bislang keine Erfahrungen im Umgang mit einer so massiven Dürre und Borkenkäferplage gibt, die nicht nur einzelne Gebiete, sondern ganz Europa betreffe, wie Daum klar machte. Wahrscheinlich werde sie Wittgenstein so gar noch härter treffen als andere Gebiete, weil sich kälteren Bereiche stärker als erwartet erwärmt haben und mehr Niederschlag fehlt.
Mehr als drei Grad wärmer als der Durchschnitt
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Am Beispiel des Stadtwaldes an der Windbrache und anhand von Aufzeichnungen aus den Wäldern rund um den Ortsteil Elsoff wird ein enormes Ausmaß der Schäden sichtbar. Während im Klimawandel oft von ein bis zwei Grad Erderwärmung im Mittel gesprochen werde, sind es laut Daum in Wittgenstein viel höhere Temperaturen. 2018 lag drei Grad über dem langjährigen Mittel und 2019 sogar 3,5 Grad. Ähnlich desaströs ist das Bild bei den Niederschlägen. 2018 fehlten insgesamt laut Forstamt 611 Liter pro Quadratmeter. Im noch laufenden Jahr sind es bereits 524 Liter. „Uns fehlt also bereits die Niederschlagsmenge eines gesamten Jahres“, macht Daum deutlich. Bis in die tiefen Schichten fehle das Wasser und der Borkenkäfer gehe genau in die Bereiche, in denen es trocken ist. „Der Käfer ist eine Folge des schlechten Gesundheitszustands der Bäume“, so Daum.
Dreifacher Jahreseinschlag
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Wie trocken die Bäume sind, lässt sich nachweisen. Heute geschlagenes Fichtenholz sei mit einer Restfeuchte von 15 Prozent bereits ofentrocken. Normalerweise habe es einen Wassergehalt von 50 Prozent. Von den in der Region geschädigten 300.000 Festmetern Holz seien in einem unbeschreiblichen Kraftakt bereits 100.000 geernteten und vermarktet worden. Allein das entspreche dem dreifachen Jahreseinschlag. Allerdings hat das alles „katastrophale Folgen für den Holzmarkt“, so Daum. Der Preis sei von 80 auf 30 Euro pro Festmeter gefallen. Bei etwa 20 Euro Kosten für die Aufarbeitung sei man hart an der Grenze zur Unwirtschaftlichkeit. Aber man müsse auch die Sägewerker sehen. „Die arbeiten in drei Schichten und müssen auch sehen, wie sie ihrer Ware vermarkten.“
Schlimmstes Szenario
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Im Forstamt laufen verschiedene Modelle: Wenn es günstig ausgehe, seien etwa 46.000 Hektar Wald zerstört. Im ungünstigsten Fall seien es 120.000 Hektar. Auf die Frage des Stadtverordneten Bernd Weide (SPD), wie viel Prozent Wald sterben werden, konnte und wollte Daum keine Antwort geben. „Es gibt keinerlei Erfahrungen mit einer solchen Situation. So eine Dürre, gepaart mit Borkenkäferkalamität, hat es noch nicht gegeben.“
Natur machen lassen
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Was es aber gebe, seien verschiedene Wiederaufforstungsszenarien, die aber kosten Geld für Pflanzen und Pflege. Ziel sei es, mit genauen Modellen zu Bodenbeschaffenheit, Temperatur und Niederschlag die optimalen Pflanzen zu finden. Werner Wegener (CDU) wollte wissen, ob auch geplant sei, Areale der Natur zu überlassen. Auch das sei eine der favorisierten Möglichkeiten, so Daum.
Holz statt Braunkohle
Oliver Junker-Matthes (Grüne) machte deutlich, dass neben den Lösungen für die forstwirtschaftlichen Probleme vor allem auch der Lebenswandel der Menschen beim Einhalten von Klimazielen eine Rolle spiele. „Wir dürfen unser Handeln nicht mehr auf kurzfristigen Profit ausrichten“, so Matthes. Außerdem regte er an das trockene Holz für eine energetische Verwertung anstelle von Braunkohle bereit zustellen. das könne die Belastungen durch CO2 senken. Dies sei laut Daum auch tatsächlich eine Überlegung.
Michael Sittler plädierte dafür, sich auch mit einer Resolution dafür stark zu machen, dass die von der Bundesumweltministerin und dem Land NRW in Aussicht gestellten 800 Millionen Euro auch gerecht verteilt werden und man zusehen müsse, dass Wittgenstein nicht leer ausgehe.