Siegen. Das Fichtensterben stellt auch die Stadt Siegen vor Herausforderungen. Der wirtschaftliche Schaden ist hoch, die Aufforstung muss an ein sich veränderndes Klima angepasst werden
Die Fichte hat in Siegens Wäldern mittel- bis langfristig einen schwierigen Stand. Extrem heiße Sommer und die damit einhergehenden Borkenkäferplagen werden voraussichtlich dazu führen, dass der Nadelbaum gemessen an seiner heutigen Verbreitung in den kommenden Jahrzehnten weitgehend aus der Landschaft verschwinden wird. „Wir werden uns Bäumen zuwenden müssen, die bei gleichen Nährstoffen im Boden mit weniger Wasserzufuhr zurechtkommen“, sagt Stadtförster Jan Marc Heitze.
Die Lage
… ist heikel, wie der Fachmann beim Ortstermin in der Hengsbach erläutert. Das Hangstück nahe des Wanderparkplatzes oberhalb des Jung-Stilling-Krankenhauses, gut zu sehen vom HTS-Abschnitt zwischen Siegen und der Dreisbach, ist abgeholzt. Im Herbst hatte die Stadt damit angefangen, sich im Frühjahr um den Rest gekümmert. Wieso – das ist gegenüber am Heidenberg und ein Stück weiter am Fischbacherberg zu sehen, wo im Grün der Wälder braune Inseln stehen; vertrocknete, abgestorbene Fichten. Andernorts ist es nicht besser. In der Numbach, erklärt der Stadtförster, habe es eine rund 20 Hektar große Fläche mit Fichten gegeben. Die Hälfte davon sei inzwischen gefällt und abtransportiert. Insgesamt sei von rund 200 Hektar Fichtenbestand im Siegener Stadtwald auszugehen.
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Die Hauptschuldigen
… sind Borkenkäfer. Wenn „Buchdrucker“ und „Kupferstecher“ – beide Arten sind auf die Fichte spezialisiert – mit den Bäumen fertig sind, sind diese tot. Die Schädlinge nisten sich im so genannten Kambium zwischen Holz und Rinde ein und unterbinden damit die Nährstoffversorgung des Baumes. Eigentlich können die Fichten sich durch „Ausharzen“ gegen die Käfer wehren. „Bei zehn Borkenkäfern klappt das“, sagt der Stadtförster. Wenn sie aber zu tausenden einfallen, funktionieren die Schutzmechanismen nicht mehr.
Das Wetter
… ist der Grund, wieso die Borkenkäferpopulation explodiert ist. „2018 hatten wir vier Generationen Borkenkäfer. Normal sind zwei“, erläutert der Stadtförster. Je wärmer es ist, desto weniger Zeit braucht es von der Eiablage – ein einzelnes Weibchen legt bis zu 200 Eier pro Durchgang – bis zum ausgewachsenen und vermehrungsfähigen Käfer. Sturmtief Friederike hat Anfang 2018 ebenfalls einen Beitrag geleistet. Umgeknickte Fichten sind für Borkenkäfer zwar immer noch attraktiv, können sich aber noch schlechter zur Wehr setzen. Und anders als bei Kyrill, der weithin sichtbare Schneisen in die Wälder schlug, habe Friederike punktuellere Schäden angerichtet, die oft nur durch Abgehen der Wälder zu lokalisieren gewesen seien, sagt Jan Marc Heitze. Das machte es schwieriger, die betroffenen Stellen zu entdecken.
Vielseitig nutzbar
Fichte sei „das Bauholz schlechthin“, erklärt Stadtförster Jan Marc Heitze. Zudem sei die Pflege einfach – sofern die Borkenkäferpopulation nicht ausufert.
Das schnelle Wachstum sei ein weiterer Faktor. Bei der Fichte dauere es 80 bis 90 Jahre bis zur Nutzung. Bei der Eiche beispielsweise sei von 200 Jahren auszugehen (weshalb das Holz dann auch teurer sei).
Erste lukrative Erträge – etwa Papier- oder Zaunholz – seien bei Fichten schon nach 25 Jahren zu erzielen. Bei Buche etwa sei nach dieser Zeitspanne lediglich mit Brennholz zu rechnen.
Die Schäden
… sind eklatant. „Die Katastrophe ist europaweit, die Sägewerke kommen nicht hinterher“, betont der Experte. Das Holz muss schnell aus den Wäldern abtransportiert werden. Solange die Nährstoffversorgung auch bei umgeknickten Fichten noch funktioniert, dienen sie den Borkenkäfern als Nahrungsquelle. Und sobald sie abgestorben sind, können andere Schädlinge oder Pilzbefall dafür sorgen, dass das Holz entwertet wird. Der Borkenkäfer schädigt zumindest nicht das Holz an sich. Wegen der enormen Mengen von Fichten, die er zerstört, ruiniert er aber die Preise, weil der Markt überflutet wird. Noch vor zwei Jahren, so Jan Marc Heitze, habe der Festmeter Fichte rund 95 Euro eingebracht. Aktuell seien es nur noch 40 bis 45 Euro. Weil die Sägewerke ausgelastet sind, steigt außerdem der logistische Aufwand: „Wir verschiffen das Holz derzeit nach China.“
Die Lösung
... ist von Witterung und Waldpflege abhängig, sagt der Stadtförster. „Dann wird der Borkenkäfer sich totlaufen.“ Einfluss hat die Stadt logischerweise nur auf einen Aspekt, und auf den konzentrieren sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter derzeit. Andere Aufgaben müssten vorübergehend in den Hintergrund treten, „wir setzen Prioritäten“. Die vom Borkenkäfer kahlgeschlagenen Flächen wieder zu bepflanzen ist eine komplexe Aufgabe, denn ein Patentrezept gebe es nicht. Klar sei eine Abkehr von den Monokulturen. Aber was wo geschieht, sei jedes Mal eine eigene Entscheidung. „Wir müssen bei jeder Fläche gucken, was wir machen“, erklärt Jan Marc Heitze. „Das Spannende für uns ist: Können wir das, was da ist, nutzen – oder pflanzen wir neu an?“ In Betracht kämen beispielsweise Traubeneiche, Wildkirsche, Rotbuche. „Wir planen die Wieder-Aufforstung mit Blick auf die Klimaveränderung“, sagt der Stadtförster. „Das sollte jeder Waldbesitzer tun.“
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