Bad Berleburg. Ein Zufallsfund in einem Archiv hat diese Forschungen ermöglicht. Sonst wüssten wir nicht mehr über dieses bedeutende Haus im Herzen Berleburgs.

Nicht nur die Kirche samt Gruft der Grafen zu Sayn-Wittgenstein schlummert unter dem Pflaster des Goetheplatzes. Auch das erste Rathaus der Stadt stand hier - ein Gebäude dessen Ursprünge bis ins Jahr 1558 zurückreichen und das seine wechselvolle Geschichte nur widerwillig preiszugeben scheint.

Ausgrabungen am Goetheplatz

Auch interessant

Selbst bei den jüngsten Ausgrabungen auf dem ehemaligen Marktplatz der Stadt Berleburg lag der Fokus der Denkmalpfleger und Archäologen auf der zweiten Stadtkirche und der Grablege der Herrscherfamilie. Das Rathaus, das wenige Meter in Richtung Süden von der Kirche entfernt lag, blieb Randgeschehen. „Bisher ist es ein bisschen hinten an geblieben“, sagt Hans Friedrich Petry. Der Architekt und Heimathistoriker will das ändern und wartet mit spannenden Erkenntnissen über ein Haus auf, das viel älter ist als die Kirche auf dem Goetheplatz und dessen Rekonstruktion nicht weniger spannend und schwierig war.

Wiederaufbau - ohne Rathaus

Hans Petry zeigt auf den Plan. An dieser Stelle des heutigen Goetheplatzes stand das erste Rathaus der Stadt Berleburg. Errichtet wurde es 1560. Beim Stadtbrand 1824 wurde es vollkommen zerstört.
Hans Petry zeigt auf den Plan. An dieser Stelle des heutigen Goetheplatzes stand das erste Rathaus der Stadt Berleburg. Errichtet wurde es 1560. Beim Stadtbrand 1824 wurde es vollkommen zerstört. © WP | Lars-Peter Dickel

Wichtiges Zeugnis ist der Retablissementsplan, der für den Wiederaufbau der Stadt nach dem verheerenden Brand von 1825 gezeichnet wurde. In ihm findet sich zumindest noch der Grundriss des vom Feuer verschlungenen Rathauses. Es lag mit seiner südöstlichen Ecke ungefähr dort, wo heute die Eingangstreppe des Hotels Alte Schule liegt und erstreckte sich von dort in Richtung Zentrum des Platzes, erläutert Petry anhand eines Planes, der Grundrisse verschiedener Baujahrhunderte übereinander legt.

Das Waisenhaus

Von dem Grundriss lässt sich aber kaum auf die Gestalt des Hauses schließen. Doch Petry kann dafür auf handschriftliche Aufzeichnungen und Skizzen des preußischen Bauinspektors Neumann zurückgreifen. Der war 1824 von Siegen nach Berleburg gekommen, um zwei Gebäude für eine Nutzung als Schule zu untersuchen. Das Waisenhaus und das Rathaus. Das Waisenhaus stand in etwa dort, wo heute das Antiquitätengeschäft Kirchhoff am Anfang der Schlossstraße/ Ecke Poststraße steht.

Nicht alle Aufzeichnungen vernichtet

Auch interessant

Weder das Ergebnis dieser baulichen Untersuchung noch die Pläne haben sich erhalten. Vermutlich sind sie beim Stadtbrand 1825 mit dem Rathaus vernichtet worden. Die Aufzeichnungen Neumanns aber haben in Münster überdauert und wurden jüngst erst durch den Bad Berleburger Historiker und Leiter des Staatsarchivs Ostwestfalen-Lippe, Dr. Johannes Burkhardt, entdeckt.

Auch interessant

Der Architekt Hans Friedrich Petry las aus diesen Aufzeichnungen Einiges zum Grundriss und damit auch zur mutmaßlichen Gestaltung des Gebäudes heraus. So war das Rathaus 19,50 Meter lang und 9,90 Meter breit. Es besaß zwei Vollgeschossen und war im Nordteil aus Bruchsteinen gemauert. Im Erdgeschoss saß an dieser Stelle auch eine Gefängniszelle, wie Neumanns Handschrift in Sütterlin preisgibt. Zwei Drittel des Bauwerkes in Südlicher Ausdehnung waren vermutlich in Fachwerk-Konstruktion ausgeführt. Darüber befand sich vermutlich ein etwa 50 Grad geneigtes Satteldach mit Schiefereindeckung.

Der Rest lässt sich aus unterschiedlichen anderen Überlieferungen ergänzen. So berichtet Pfarrer Georg Hinsberg in seinen Schriften zum Rathaus von einer hohen Treppe, die die Geschosse erschließt, aber nicht im Aufmaß von Neumann zu finden ist.

Feuerwehrhaus im Erdgeschoss

Auch interessant

Im Fachwerkteil befand sich im Erdgeschoss eine Remise für die Feuerspritze. Außerdem sollen hier Ledereimer und Leitern für die Brandbekämpfung untergebracht gewesen sein. Außen gab es einen Pranger mit in die Wand eingelassenem Halseisen. Das Obergeschoss muss etwa sieben Räume gehabt haben. Darunter soll sich auch der Ratssaal befunden haben. Aber das Aufmaß und die Skizzen lassen keinen Rückschluss auf die Raumnutzung zu, so der Heimat- und Bauhistoriker.

Schule für 264 Kinder geplant

Auch interessant

Laut Hans Petry geht aus den Aufzeichnungen Neumanns auch hervor, dass er das Rathaus offenbar für geeignet hielt, drei Klassenräume darin unterzubringen. So sah er im Erdgeschoss, in der bisherigen Remise zwei Klassen zu 45 Quadratmetern vor. „Darin sollten jeweils 78 bis 80 Kinder unterrichtet werden“, sagt Petry. Und im Obergeschoss schlug Neumann nach der Entfernung von zwei Trennwänden einen dritten Klassenraum von 61 Quadratmetern vor - „zur Unterbringung von 100 bis 104 Schülern“, so Petry. Bei einer Bevölkerung von damals rund 2000 Menschen wären in der Berleburger Schule also gut 264 Kinder untergebracht worden.

Doch dazu kam es nicht mehr. 1825 brannte das Rathaus nieder und mit ihm auch alle Pläne für die Nutzung als Schule mit drei Klassenräumen.