Bad Berleburg. .
Während seiner Regentschaft errichtete Graf Casimir zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg (1687 - 1741) den repräsentativen Mittelbau von Schloss Berleburg. Er hatte sich aber auch verpflichtet, seinen Brüdern Carl Wilhelm (1693 - 1749) und Ludwig Franz (1694 - 1750) nach ihrer Vermählung neben der Apanage mit einer Zuwendung in Höhe von 4000 Reichsthalern zu einem angemessenen Wohnsitz zu verhelfen. Bei einem Aussterben der Linie im Mannesstamm sollte jedoch dieser Betrag dem Stammhaus wieder zufließen.
So entstanden in der Unterstadt von Berleburg für den Grafen Carl Wilhelm die Carlsburg und für den Grafen Ludwig Franz die Ludwigsburg.
Auf einem Gelände, das heute von einem Teil des Gymnasiums und den Häusern Poststraße 12, 17 und 17 a bebaut ist, sowie die Poststraße auf einer Länge von ca. 100 Metern mit den Einmündungen von Bismarckstraße und Herrengarten umfasst, wurden in den Jahren 1728 bis 1730 die Gebäude der Carlsburg errichtet. Das Hausgrundstück hatte eine Größe von ca. 2400 Quadratmeter, das südlich anschließende Gartengrundstück von ca. 3350 Quadratmetern. Erreichbar war das Anwesen über Straßen und Wege, die vom sogenannten Scheunenviertel von Berleburg nach Norden führten und das Grundstück teilweise umschlossen. Ergänzend gab es Fußwege nach Westen und Nordwesten, die zu Brücken über der Odeborn führten.
Das Wohnhaus, in einer Größe von ca. 10 mal 20 Meter, war in Ost-Westrichtung orientiert, hatte eine Unterkellerung, die 1,25 Meter über Erdgleiche hinausragte und zwei Etagen in Eichenfachwerk mit einer jeweiligen Geschosshöhe von 3,25 Meter. In einer Beschreibung ist von vier Gebälken die Rede. Das lässt darauf schließen, dass auch das Dach zumindest in Teilbereichen Wohn- und Schlafräume aufwies.
Außen war das Gebäude teils verschiefert oder mit Buchenbrettern verkleidet, 33 Fenster werden erwähnt. Von einem Sichtfachwerk, ähnlich der noch existenten Ludwigsburg, wird nicht berichtet. Das Satteldach zeigte nach Süden einen Ausbau und war mit Schiefer gedeckt. Für Ausführung der Zimmerarbeiten zeichnete damals Hans Georg Spies aus Arfeld verantwortlich.
Auf der Ansicht Berleburgs von C.C. Saenger, datiert auf das Jahr 1818, ist das gesamte Anwesen gut erkennbar. Hinter dem Tor in der Einfriedung befand sich auf der Giebelseite ein Eingang zum Wohnhaus. Ob es noch einen repräsentativen Zugang in der Mitte der Südseite gab, konnte nicht festgestellt werden.
Sieben Zimmer, sieben Kammern
Mit einem gegräteten Boden aus Flusssteinen soll die von Säulen getragene Eingangshalle ausgestattet gewesen sein. Zum Obergeschoss mit seinem Staatssaal, Zimmern und Kammern führte eine Podesttreppe. In jedem Hauptgeschoss muss das Gebäude ca. 240 qm Wohnfläche ausgewiesen haben. Spätere Beschreibungen erwähnen sieben größere Zimmer, sieben Kammern, drei Küchen, Keller und Speicher.
Südöstlich des Wohnhauses stand ein zweigeschossiges Scheunengebäude, ca. 8 mal 20 m groß, mit einem Tor an der Ostseite zur vorhandenen Straße. Nordwestlich befand sich der wohl eingeschossige Stall mit den Außenmaßen von ca. 5 mal 15 m, der im Dachbereich noch eine kleine Wohnung aufgewiesen haben könnte. Das Brauchwasser wurde einem Ziehbrunnen mit einem Brunnenhaus hinter der im Süden angelegten Rasenfläche entnommen. Landwirtschaftlich genutzte Flächen innerhalb der Gemarkung Berleburg von fast fünf Hektar Größe rundeten den Besitz ab.
Zwei Ehen, sieben Kinder, wenig Geld
Der Gründer der Carlsburg, Graf Carl Wilhelm zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg, hatte aus zwei Ehen sieben Kinder, davon starben zwei sehr früh. Seine Einkünfte bestanden aus der jährlichen Apanage in Höhe von 1000 Gulden, die ihm sein Bruder Graf Casimir bewilligt hatte. Diese Geldmittel waren jedoch für seine große Familie kaum auskömmlich, oft war man deshalb in finanziellen Schwierigkeiten. Mit 56 Jahren ist Graf Carl Wilhelm 1749 verstorben; er wurde in der Gruft unter der Stadtkirche (die Kirche stand auf dem jetzigen Goetheplatz) beigesetzt.
Eine Tochter aus zweiter Ehe, die Gräfin Sophie Ferdinande (1741 - 1774), heiratete 1765 den Grafen Friedrich Karl zu Sayn-Wittgenstein-Sayn († 1786) und zog mit ihm nach Freiendietz in der Nähe von Limburg. Sie starb mit 33 Jahren; der Witwer Graf Friedrich Karl kam mit seinen fünf Kindern nach Berleburg zurück.
Eine bauliche Erweiterung der Calsburg war nun für die große, zusätzliche Familie notwendig, und man baute 1770 den sogenannten Saynschen Flügel (ca. 6 mal 6 m) nach Westen an. Dort wurde das Erdgeschoss massiv und nur das Obergeschoss in Fachwerk ausgeführt.
Feststellbar in den Archivunterlagen ist fortan bei allen anstehenden Kosten eine strikte Trennung in den sogenannten Carlsburger Flügel und in den Sayn’schen Flügel. Fehlende Geldmittel verhinderten jedoch die notwendigen Reparaturen und Unterhaltungen an den Gebäuden; eine fortschreitende Verschlechterung der Bausubstanz war die unausbleibliche Folge.
Im Jahr 1800 wird von großen, notwendigen Reparaturen berichtet, auch ein neues Stallgebäude in einer Größe von 7,5 mal 13 m mit einer Wohnung im Dachgeschoss stand zur Debatte. An Kosten waren dafür 1643 Reichsthaler veranschlagt, fehlende Mittel ließen letztlich die Ausführung der Planungen scheitern.
Zwanzig Jahre später leben nur noch drei Gräfinnen in der Carlsburg, man führt ein offenes Haus und gibt sich mehr als großzügig. Die finanziellen Probleme werden jedoch immer drückender, Hypotheken und Schulden belasteten das Anwesen, und der bauliche Verfall der Gebäude wird immer augenfälliger. Überlegungen gehen sogar so weit, einen Abbruch aller Gebäude als die beste Lösung anzusehen. Detaillierte Ermittlungen hatten bereits die Abbruchkosten und die Restwerte der Abbruchmaterialien festgehalten; rund 1000 Reichsthaler sollten als Überschuss verbleiben.
Fürst Albrecht I. zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg entschließt sich 1846, das Anwesen zu übernehmen, doch bereits fünf Jahre später geht der Besitz, wenn auch mit einigen Vorbehalten, für 3000 Reichsthaler an den russischen Zweig des Ludwigsburger Astes, der „Sayn-Wittgensteiner“ über.
In alten Lageplänen der Stadt ist dann auch als Eigentümer der berühmte russische Generalfeldmarschall Ludwig Adolf Peter, Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Sayn zu Kamenka (Bereich Podolien, im Südwesten der Ukraine) vermerkt.
Beim großen Stadtbrand von 1825 verlieren die Stadt und die Evangelische Kirchengemeinde das Rathaus, das Hospital und die Armenanstalt. Aus finanziellen Gründen ist an entsprechende Neubauten weder bei der Stadt noch bei der Kirchengemeinde zu denken. In der Carlsburg, die in der Unterstadt bei der Feuersbrunst ohne Schäden geblieben war, finden viele Berleburger Bürger eine vorübergehende Unterkunft, unter anderen auch der Arzt Dr. Schäfer.
Provinzialstraße wird gebaut
In der Zeit von 1846 bis 1848 wird die Provinzialstraße, die heutige Poststraße gebaut, sie tangiert und durchschneidet die Grundstücke der Carlsburg. Die Scheune liegt nun abgeschnitten auf der östlichen Straßenseite. Diese Maßnahme belastete das Anwesen stark und minimierte seinen Wert weiter.
1858 tritt die Stadt mit der Bitte um eine Anmietung zu einem günstigen, jährlichen Pachtzins an den Eigentümer der Carlsburg, den Fürsten Ludwig zu Sayn-Wittgenstein-Sayn heran. Das Gebäude sei zwar baufällig, aber nach einer Reparatur wäre die Lage und die Einrichtung des Hauses zur angemessenen Unterbringung und Beschäftigung der Armen noch durchaus geeignet. Der Besitzer kommt der Stadt großzügig entgegen und stellt die Carlsburg für 20 Jahre ohne eine Mietforderung zur Verfügung. Ein Kostenanschlag von Hofverwalter Krämer listet die notwendigen Ergänzungen und Instandsetzungsmaßnahmen, wie Einbau von Aborten, Reparaturen an Dach und Wand sowie Anstrich des gesamten Gebäudes, auf. Die Kosten dieser Maßnahmen sollten sich auf über 200 Reichsthaler addieren.
14 Paragraphen in der Hausordnung
Eine Hausordnung mit 14 Paragrafen wurde aufgestellt. Nach deren Festlegungen musste auch ein Hausvater bestimmt werden, der bei einer geringen Entlohnung für Ruhe und Ordnung zu sorgen hatte. Ergänzung fand die Hausordnung durch ein Hausgesetz, das das Verhalten der Hausbewohner in Einzelheiten vorschrieb. Letzter Hausvater war der Lehrer Volz, der sich dadurch ein kleines Zubrot zu seinem kargen Lehrerlohn schaffen konnte.
In der Nacht vom 18. auf den 19. August 1866 wurde die Bevölkerung der Stadt wieder einmal durch den Ruf „Feuer“ alarmiert. Die Carlsburg stand in hellen Flammen! Durch Fahrlässigkeit war der Brand entstanden. Obwohl das Wasser der Odeborn in 100 Metern Entfernung zur Verfügung stand, war eine Rettung des Gebäudes nicht mehr möglich. Für die nahe Unterstadt mit seinen vielen Scheunen bestand jedoch keine Gefahr, da zu dem Zeitpunkt absolute Windstille herrschte.
In der Geschichtensammlung „Berleburger Bilderbuch“ beschreibt Pfarrer und Historiker Georg Hinsberg in interessanten Aufsätzen Begebenheiten in und um die Carlsburg, er notiert auch die vielen Namen der Grafen und Gräfinnen, die einst dort gewohnt und gelebt haben.