Bad Berleburg. Christof Wetter aus Bad Berleburg produziert statt Schnaps Ethanol. Das brauchen medizinische Einrichtungen für Desinfektionsmittel.

Als das Desinfektionsmittel in der Corona-Krise knapp wurde, wollte Christof Wetter unbedingt helfen. Kurzerhand sammelte er in Wittgenstein Schnaps und destillierte daraus in seiner Rothaarbrand-Brennerei in Wingeshausen Ethanol. Die Aktion läuft weiterhin, auch wenn die Nachfrage nach Desinfektionsmitteln erst einmal zurückgegangen ist. Im Gespräch mit Ina Carolin Lisiewicz erzählt Christof Wetter, wie sein Engagement in Wittgenstein angenommen wurde und wie er zum Schnapsbrennen kam.

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Corona: 400 Liter Schnaps für Desinfektionsmittel gesammelt

Wie viele Schnapsreste wurden bisher gespendet?

Christof Wetter: Ich war ganz überrascht. Die Aktion hat ein unglaubliches Echo in der Bevölkerung gefunden. Wir hatten tatsächlich über 400 Liter an Schnapsresten, die da zusammengekommen sind.

400 Liter ist schon ganz schön viel…

Ja, das muss man sich mal vorstellen. Teilweise waren da auch Flaschen bei, die vom Vater oder Großvater zu Weihnachten verschenkt worden sind und dann erstmal gelagert wurden. Letztlich waren sich die Leute aber auch darüber im Klaren, dass diese Flaschen dann doch nie getrunken werden. Vor diesem Hintergrund haben dann irgendwann die Söhne und Töchter gesagt: Die können wir jetzt entsorgen und damit gleichzeitig etwas Gutes tun. Insofern sind viele Menschen vorbeigekommen und haben Schnapsflaschen abgegeben.

Wurde mehr klarer oder mehr dunkler Schnaps gespendet?

In der Summe war es mehr dunkler Schnaps. Einen Rum oder leicht getrübten Whiskey haben wir zu braun gerechnet.

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Corona: Ethanol für die Flächen- und Händedesinfektion in Bad Berleburg

Wie viel Ethanol konnten Sie aus den Schnapsresten herstellen?

Insgesamt haben wir 110 Liter 85-prozentiges-Ethanol daraus gewinnen können. Das geht mit dem WHO-Rezept. Ich habe für diejenigen, die den Schnaps bekommen haben, das Rezept entsprechend in einer Excel-Tabelle dargestellt. Da braucht man nur eine bestimmte Menge an Wasserstoffperoxid hinzuzugeben. Alkohol allein hilft schon gegen Viren und Bakterien. Mit dem Wasserstoffperoxid hilft das dann auch gegen Sporen. Das Glyzerin, was hinzugegeben wird, hilft, die Hautverträglichkeit zu erhöhen. Außerdem kann sich das Ethanol dann wirksamer mit der Haut verbinden. Diese weiteren Substanzen kriegt man in der Apotheke und kann sie dann hinzumischen. Man braucht aber nicht viel davon. Zugelassen ist mein Ethanol dann für Flächen- und Händedesinfektion.

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Ihr Ethanol haben auch Wittgensteiner bekommen?

Ja. Das Ethanol ist an ein Reha- und Beatmungszentrum in Bad Berleburg gegangen [Anm. d. Red.: an die Management & Pflege Consulting GmbH, Pflegeteam Bad Berleburg]. Außerdem haben noch zwei Praxen in Münster Kanister bekommen und eine Uniklinik.

Corona: Firma AST aus Erndtebrück unterstützt Schnapsaktion

Wie hat die Firma AST aus Erndtebrück Sie bei Ihrem Unterfangen unterstützt?

Die haben zehn 25-Liter-Kanister gespendet. Da war ich sehr dankbar. Der Kontakt zur Firma AST ist über eine Frau aus Zinse entstanden, deren Mann dort arbeitet. Dann habe ich einfach mal dort angefragt und die waren sofort dabei. Schon am nächsten Tag wurden mir die zehn Kanister vorbeigebracht. Das fand ich super! Darüber habe ich mich sehr gefreut.

Warum haben Sie die Schnapsaktion ins Leben gerufen?

Der Hintergrund war, dass ich in Münster festgestellt habe, dass keine Desinfektionsmittel zu bekommen waren. Mich hatte ein Freund angerufen, dessen Frau Ärztin ist. Er sagte mir: „Wenn wir jetzt keine Desinfektionsmittel bekommen, müssen wir die Hausarztpraxis schließen.“ So kritisch war die Situation. Da hatte ich noch Restbestände von hochprozentigem Alkohol, die ich ihm dann geschenkt habe. Aber viel war das nicht. Ich hatte nur das bisschen, was man eben hat, um damit arbeiten zu können. Meinem Hausarzt habe ich auch noch etwas gegeben. Als ich dann nichts mehr hatte, fing ich an zu überlegen, wie man Nachschub bekommen könnte. Daraufhin habe ich dann damit begonnen, aus Schnaps Ethanol zu gewinnen.

Corona: Lage am Desinfektionsmittel-Markt hat sich beruhigt

Wie sieht die Lage jetzt aus? Gibt es immer noch zu wenig Desinfektionsmittel?

Inzwischen hat sich die Lage entspannt. Ich habe auch bei verschiedenen Apotheken angerufen. Die haben mir gesagt, dass man mittlerweile wieder Ethanol bekommt. Das liegt daran, dass die großen Brennereien zwangsverpflichtet worden sind, Alkohol für Desinfektionsmittel herzustellen. Deshalb hat sich die Lage derart entspannt, dass es nicht mehr so dringend erscheint, Ethanol zu gewinnen. Ich habe mir aber gedacht: Ich habe die Aktion begonnen, jetzt lasse ich sie erstmal weiterlaufen. Produzieren darf ich das Ethanol noch maximal bis September. Dann läuft die Sonderregelung aus, dass ich es gewinnen darf. Wenn ich feststelle, dass jetzt auch keine Anfragen mehr kommen, werde ich damit aufhören.

Können sich noch Einrichtungen bei Ihnen melden, die feststellen, dass Sie noch Ethanol für ihre Desinfektionsmittel brauchen?

Ja, gerne. Das müssen allerdings medizinische Einrichtungen sein. Nur die haben die Erlaubnis, Desinfektionsmittel herzustellen.

Bad Berleburg: Schnaps brennen gemeinsam mit Vater gelernt

Wann wollen Sie wieder Schnaps brennen?

Wenn genügend viel zusammengekommen ist. Mein Nachbar vom Dorfverein Aue- Wingeshausen schaut vor Ort immer nach den Fässern. Und wenn der mich anruft und sagt, dass es sich wieder lohnt, dann werde ich wieder damit anfangen. Die herkömmlichen Produkte mache ich dann wieder im Winter, nach dieser Aktion. Ich mache Birnen-, Apfel und Pflaumenbrände. Und dann gibt’s die auch noch in verschiedenen Variationen, zum Beispiel als Apfelfruchtlikör, als süßen Apfelbrand (Apfeltraum) oder als Honiglikör.

Was ist so schön am Schnapsbrennen?

Das macht einfach Freude! Man kann so eine Begeisterung entwickeln, wenn man selbst Alkohol herstellt. Die Tatsache, dass man ein Lebensmittel herstellt, dafür ein bisschen Know-how, Fachwissen und Maschinen braucht und etwas schaffen kann, was es sonst nicht gäbe, ist einfach toll! Hinzu kommt, dass wir die einzige Brennerei im Altkreis Wittgenstein sind. Als Familientradition ist das auch schön: Mein Vater hat damit begonnen, ich führe es weiter.

Ihr Vater hat Ihnen also das Brennen beigebracht?

Mein Vater hat damit 2004 angefangen. Wir sind dann zusammen auf Fortbildungskurse gegangen und haben dann immer zusammen gebrannt. Als er dann verstorben ist, habe ich die Brennerei übernommen.

Bad Berleburger besuchten Fortbildungskurse für das Schnaps brennen

Was für Fortbildungskurse muss man besuchen, damit man überhaupt eine Brennerei eröffnen kann?

Wir waren an der Universität Hohenheim. Dort gibt es einen Lehrstuhl für Brennereiwesen. Die machen regelmäßig Aus- und Fortbildungsveranstaltungen. Es ist allerdings nicht gesetzlich vorgeschrieben, an solchen Veranstaltungen teilzunehmen, wenn man eine Brennerei eröffnen möchte. Aber es ist natürlich sinnvoll, um zu wissen, was man tut.

Wie kommen Sie auf die Rezepte für Ihre Schnäpse?

Das ist Erfahrung und Ausprobieren. Wir machen das ja jetzt schon seit 16 Jahren. Und mit der Zeit kommt man darauf, wie man es am besten macht. Die ersten Schnäpse sind auch nicht so gelungen (lacht). Aber mit der Zeit wird das!

Wer Kontakt zu Christof Wetter aufnehmen möchte, um sich an der Sammlung von Alkohol zu beteiligen, oder aber als Apotheker Desinfektionsmittel herstellen möchte, kann sich unter der Nummer 01719222933 an ihn wenden. Mehr Informationen zur Rothaarbrand-Brennerei Wetter gibt es im Internet unter www.rothaarbrand.de

Die Favoriten von Christof Wetter:

Lieblingsschnapsorte: Birnenbrand

Lieblingsessen: Saltimbocca alla romana

Lieblingsfilm: Star Wars

Lieblingsbuch: Bibel

Erster Berufswunsch: Omnibusfahrer

Steckbrief über Christof Wetter:

- Christof Wetter ist verheiratet und hat vier Söhne. Aufgewachsen ist er in Wingeshausen; studiert hat er Bauingenieurwesen.

- Der 59-Jährige lebt in Münster und lehrt seit 1999 an der Fachhochschule im Fachbereich „Energie, Gebäude, Umwelt“.

- Neben dem Schnapsbrennen macht Christof Wetter gerne Sport. Er fährt Fahrrad, spielt Volleyball und unternimmt Wanderungen. Außerdem spielt er Gitarre und Trompete.